Sie schwebten über die Bühne
Wer kennt sie nicht, die romantische, aber unglückliche Liebesgeschichte der Manon Lescaut, die Puccini und Massenet in ihren Opern weltbekannt machten? Doch sie werden noch übertroffen von dem Ballettdrama des englischen Choreografen Kenneth MacMillan, der diesen Stoff auf ergreifende Weise in Tanz und Musik auf die Bühne brachte. Über 40 Jahre ist die Uraufführung seiner „Manon“ im Londoner Royal Ballett nun schon her, doch für die Semperoper und ihre Tanz-Company war die Einstudierung eines Balletts im so genannten „Englischen Stil“ Neuland. Dabei geht es nicht um spektakuläre Sprünge, sondern um die ausdrucksvolle Darstellung von menschlichen Charakteren und großen Gefühlen, wozu MacMillan die ganze Vielfalt der tänzerischen Bewegungen einsetzt: Schöne, harmonische Bewegungen, Spitzentanz, komplizierte Drehungen und Hebungen. Den Solisten, allen voran Melissa Hamilton in der Partie der Manon, sowie dem gesamten Tanzensemble gelang es hervorragend, diesen Stil umzusetzen. Je leichter die Tänzerinnen und Tänzer über die Bühne schwebten, umso schwieriger war es. Hinzu kommt die berührende Musik, die aus verschiedenen Kompositionen Massenets, wie Ouvertüren, Oratorien oder Ballettmusiken aus seinen Opern, extra für dieses Tanzdrama zusammengestellt wurde. Auch das prunkvolle Bühnenbild und die farbenprächtigen Kostüme passten zu dieser besonderen Aufführung. Inszenierung, Tanz und Musik bildeten eine so harmonische Einheit, wie man sie nur selten erlebt. Kein Wunder, dass das Publikum nicht nur zur Premiere, bei der Jiri Bubenicek die männliche Hauptrolle tanzte, fast aus dem Häuschen war. Auch bei den Aufführungen danach gab es immer wieder Beifall auf offener Szene und nach fast drei Stunden begeisterte Ovationen, die nicht enden wollten. „Die ‚Manon’ ist MacMillans Meisterwerk“, schwärmt Ballettdirektor Aaron S. Watkin. „Für unsere Company, die bisher noch keinen der großen dramatischen Ballettstoffe wie ‚Onegin’, ‚Kameliendame’, oder ‚Mayerling’ getanzt hat, bietet dieses Juwel den perfekten Einstieg in das Genres.“ Wir haben also die berechtigte Hoffnung, dass wir noch mehr davon an der Semperoper sehen und hören werden. (gs)