Seitenlogo
Carola Pönisch

"Plötzlich war ich nicht mehr der behinderte Exot"

Seit Geburt leidet Florian Post an einer Fehlbildung der linken Hand. Die Schule verließ er nach der 9. Klasse. Und dennoch nahm er seine Chance war und ist heute Chef einer Werkzeugfirma.

Diese komische linke Hand: Nur ansatzweise ausgebildet, die fünf Finger sehr klein und gleich am Handgelenk sitzend. Woher das kam, konnten Ärzte nie klären. Als Florian Post 1984 in Leipzig geboren wurde, wurden seine Eltern von der Einschränkung ihres Kindes überrascht. Sie lebten damit und lehrten ihren Sohn, es auch zu tun. Ohne ihn in Watte zu packen. „Eigentlich hatte ich nie Probleme mit meiner Behinderung", sagt Florian Post. Natürlich habe es Hänseleien von Mitschülern gegeben. Und klar, ärgerte ihn das. Es ließ ihn aber nie verzweifeln. Berufsstart Die Schule verließ der heute 33-Jährige 1999 nach der 9. Klasse. „Ich war faul", sagt er schmunzelnd. Die Agentur für Arbeit vermittelte ihn ins Berufsbildungswerk Dresden (BBW). Das ist spezialisiert auf die Erstausbildung junger Leute mit gesundheitlichen Einschränkungen, bietet Berufsvorbereitung, über 20 Ausbildungsberufe und einen Campus mit Schule, Wohnheim und ärztlicher Versorgung. Mit 15 zog er hier ins Wohnheim und begann ein Berufsvorbereitungsjahr, schnupperte erst in Büroarbeit, dann in technische und Metallberufe und entschied sich letztlich für eine Ausbildung zum Werkzeugmaschinenspaner. „Nach dem ersten Jahr wechselte ich in die Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker", so Post. Die Ausbilder bescheinigten ihm, dass er den weitaus anspruchsvolleren Beruf meistern könne. Florian war diszipliniert, ehrgeizig, geschickt und vor allem begeistert von der CNC-Technik. „Die Ausbilder waren zwar streng, doch immer fair und darauf bedacht, uns voranzubringen." Und er fand Freunde, die wie er Einschränkungen hatten. „Plötzlich war ich nicht mehr der Exot." Erfolgsgeschichte 2001, im zweiten Lehrjahr, führte ihn der Zufall das erste Mal in den Werkzeugschleifdienst von Dieter Sisolefsky in Dresden. Für ihn war Florian der erste Praktikant. Der traf hier auf ein zehnköpfiges Team, das vorwiegend auf alte Maschinen und traditionelle Handarbeit vertraute statt auf moderne CNC-Maschinen. Der „Junge" brachte frischen Wind und neue Ideen in den Metallbetrieb und unterstützte vor allem bei der Handhabe der Computertechnik, die Abläufe erleichtern sollte. Nach insgesamt sieben Praktika und dem Ende der Ausbildung 2004 war Florian Post für Dieter Sisolefsky unersetzbar, der Chef rechnete bereits mit ihm. Plötzlich Unternehmer Nur wenige Tage nach bestandener Prüfung wurde Florian Post im Winter 2005 eingestellt. Schnell avanciert er zum Verantwortlichen in der Werkstatt. Ab 2008 drückte er wieder die Schulbank, absolvierte eine Meisterausbildung und schloss 2013 als Industriemeister für Metall ab. Schon längst war klar, dass der Chef die Firma irgendwann übergeben und in Ruhestand gehen wollte. „Ich hatte früh Interesse signalisiert." 2015 war es soweit: Florian Post übernahm den Werkzeugschleifdienst, riskierte viel, nahm hohe Kredite auf für seine Firma „WFP Werkzeugschleifdienst Sisolefsky". Seit der Übernahme wuchs die Belegschaft von acht auf 13 Mitarbeiter, der junge Chef investierte erneut hunderttausende Euro in eine neue CNC-Maschine. Seine Mitarbeiter schleifen Fräser und Bohrer und haben sich inzwischen auf die präzise Fertigung von Sonderbohrern oder -fräswerkzeugen spezialisiert, die wiederum zur Herstellung spezieller Werkteile genutzt werden. Posts Firma beliefert unter anderem die Kunststoff- und Metallindustrie sowie die Automobil- und Flugzeugbranche. „Wir können innerhalb eines Tages liefern. Das macht uns einzigartig und bei Kunden gefragt." Perspektivisch soll das Team auf 20 Mitarbeiter wachsen, vielleicht baut er eine neue Halle im Gewerbegebiet. Praktikant bei Post Seinen „BBW-Wurzeln" bleibt der Wahldresdner treu. Nun ist er es, der Praktikanten aus dem BBW Dresden bei sich aufnimmt. Einen Mitarbeiter mit Handicap hat er bereits eingestellt. Derzeit lernt ein autistischer junger Mann bei ihm. Macht er sich gut, erhält er ebenfalls einen festen Job. „Ich weiß nur zu gut, wieviel Selbstvertrauen und Anerkennung eine anspruchsvolle Arbeit bringen", sagt Firmenchef Florian Post. Frank Müller


Meistgelesen