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„Hin und her macht Taschen leer“

Investmentclub – das klingt nach Börsenschnösel, dicken Autos und Menschen, die keine Freunde haben. Wer den Dresdner Investmentclub „Troika“ besucht, bekommt ein anderes Bild. Hier werden zwischen Omelette, Schnitzel und Bier gemeinsam Aktien von Apple, Coca Cola und Bayer geordert – manchmal sogar fünfstellig, aber immer von ganz normalen Leuten.
Wer sich für das Thema „Börse“ interessiert und genügend Kleingeld hat, dem wird in sogenannten Aktien- beziehungsweise Investmentclubs geholfen. Foto: peshkov/Fotolia.de

Wer sich für das Thema „Börse“ interessiert und genügend Kleingeld hat, dem wird in sogenannten Aktien- beziehungsweise Investmentclubs geholfen. Foto: peshkov/Fotolia.de

Es ist Stammtischabend in der schicken Foto-Kneipe „Zum Knipser“. Die Clubmitglieder sind gerade von einem  schönen Wochenende im „Böhmischen Paradies“ zurück. Die Dividende des Personaldienstleisters „Amadeus AG“ hat die Unkosten des Ausflugs komplett gedeckt. Alles richtig gemacht also?

„Die Börse ist keine Einbahnstraße“, weiß Club-Chef Günter Preuß.
Wies das Clubergebnis im Juli noch ein Plus von über fünf Prozent aus, ging es im August 0,2 Prozent ins Minus. Das gemeinschaftliche Depot der 37 Mitglieder kann sich trotzdem sehen lassen. Die Haben-Seite ist fünfstellig. Eine gute sechsstellige Summe steckt in Anlagen. Um hier über Aktien-Kauf oder -Verkauf mitzuentscheiden, muss man mindestens einmalig 1.500 Euro oder eben 50 Euro monatlich auf den Tisch legen. „Dafür wird man nicht nur am Gewinn beteiligt, sondern bekommt auch tiefe Einblicke in die Wirtschaftswelt, Börsen-Know-How ohne Fachchinesisch inklusive“, meint Preuß während er Bilder vom letzten Besuch der Daimler AG an die Wand wirft. Demnächst haben sich Vertreter von K+S für den Stammtisch  angekündigt. Beim Kali- und Salzhersteller läuft´s nämlich gerade gar nicht rund. Trennen, abwarten, behalten? „Eine Übernahme hat sich angebahnt. Daraus wurde nichts. Zudem sind Umweltverschmutzung und Kurzarbeit Themen im Unternehmen“, meint Preuß. Alles keine guten Anzeichen für einen Kurs-Gewinn. Die gute Arbeit der K&S Investor-Relations-Abteilung hat an diesem Abend Gewicht. Es wird abgewartet. Die wenigsten Clubmitglieder hatten früher Ahnung vom Börsenparkett. Die Beweggründe, hier mitzumachen, schwanken zwischen Neugier, Lust auf Gemeinschaft und finanziellen Motiven. Viele betreiben inzwischen noch ein privates Depot nebenher. Vergleichbar ist die bunte Truppe vielleicht mit einer Lotto-Tipp-Gemeinschaft, nur eben an der Börse. Glück gehört dazu, viel wichtiger ist aber die Strategie.
„Man darf eben nicht die Nerven verlieren, wenn es mal nicht läuft. Ruhig auch eine Talsohle aushalten“, meint Preuß. Zocker sind Damen und Herren nicht.
Die „Troikjaner“ planen langfristig und wissen: „Hin und her macht Taschen leer“. Ihr Depot ist dementsprechend breit aufgestellt. Unter den 20 Aktien finden sich fast ausschließlich bekannte Namen, wie Coca Cola, Daimler und Bayer. Bei „Symrise“ gibt´s dann doch Erklärungsbedarf. „Ein Anbieter von Duft-, Wirk- und Geschmacksstoffen für Kosmetikprodukte und Lebensmittel“, erklärt der Club-Chef. Verlass ist auf die Aktie von Nestle und den Immobilienmarkt. Die Kurve der „Deutsche Wohnen“ geht steil bergauf. Und wie sieht´s bei Apple aus? Smartphone Nr. 7 steht in den Startlöchern. „Analysten waren von der Präsentation nicht sonderlich begeistert“, meint Preuß. Dass die fast 500 Milliarden schwere Firma in den Keller fällt, glaubt am Stammtisch keiner. 10.000 Euro werden an diesem Abend in Apple-Aktien investiert, während die Kellnerin noch ein Bier vorbei bringt. Zwar sind die Abstimmungen demokratisch organisiert, doch die Frauen im Club haben besonderen Status. „Mit ihrem Bauchgefühl liegen sie oftmals richtig“, heißt es aus der Runde. In den letzten 16 Jahren betrug der jährliche Gewinn bei den Clubmitgliedern immerhin 5,6 Prozent. Bei der heutigen Nullzinspolitik wahrscheinlich nicht die schlechteste Idee. (André Schramm)


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