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Dresden bekommt Nachtbürgermeister

Dresden. Wofür er oder sie dann zuständig ist und wer Ansprechpartner bei der Stadt wird – das muss noch bis 1. Oktober mit einem Konzept unterlegt werden.

Szeneviertel Äußere Neustadt in Dresden.

Szeneviertel Äußere Neustadt in Dresden.

Bild: Mediaserver Dresden

Bürgermeister Detlef Sittel wollte wohl nur wortgewandt sein, als er Stadtrat Jens Genschmar (Freie Wähler) zurief, er hoffe doch, der Redner sei in seiner neuen Fraktion glücklich, weil Genschmar das ausdrücklich betonte – sonst müsse man womöglich noch einen Glücksbürgermeister berufen. Johannes Lichdi (Dissidenten) machte ernst – und beantragte umgehend über einen solchen abzustimmen, schließlich gebe es den in anderen Ländern, zum Beispiel Nepal, durchaus. Abstimmung: 13 Mal Ja, 36 Nein, 15 Enthaltungen. Der Glücksanspruch hat also einige Befürworter, die meisten hielten es für Klamauk.

 

Stadtrat stimmt für Nachtbürgermeister

 

Mehrheitlich dafür waren die Stadträte im Punkt interfraktioneller Antrag von Grünen, SPD und Die Linke, dass Dresden eine(n) Nachtbürgermeister(in) braucht. Und da wird‘s ernst. Der Oberbürgermeister ist jetzt beauftragt, eine Anhörung vorzubereiten, dem Stadtrat bis 1. Oktober 2022 eine Konzeptausschreibung und ein zweijähriges Pilotprojekt vorzulegen und auch zu klären, wer in der Stadtverwaltung Ansprechpartner für Nachtökonomie, Clubkultur, Festkultur, und Straßenkunst sein soll.

Gerade diese Frage des Ansprechpartners hatte die FDP vor dem ursprünglichen Antrag zurückschrecken lassen. Dem geänderten Beschlusstext folgte die FDP, weil sie sich erhofft, dass Clubbetreiber und Konzertveranstalter endlich einen klar definierten städtischen Ansprechpartner haben. Max Aschenbach (Dissidenten) ist gegen einen Ansprechpartner des Ansprechpartners – reines Wirrwarr. Dass das funktioniert, bezweifelt auch die CDU. Dr. Hans-Joachim Brauns witzelte am Rednerpult, ob der Clubbetreiber da auf die Uhr schauen müsse, ob es noch 19.45 oder schon 20.01 Uhr ist, wenn er eine Frage habe. »Bürokratisches Monster« und »gut gemeint« – so seine Worte.

 

»Wirtschaftlicher Blödsinn«

 

Noch härter ging naturgemäß die AfD heran. Redner Harald Gilke sprach von »asozial«, weil dieser Nachtbürgermeister weder einem Hartz-IV-Empfänger noch einem flaschensammelnden Rentner nutze und es für Brennpunkte wie das Assieck gar keine Ansprechpartner gebe. »Wirtschaftlicher Blödsinn, mit dem kein Cent verdient werde« – so sein Fazit. Bei den linken Fraktionen konnte man darüber nur schmunzeln. Magnus Hecht (Die Linke), der den interfraktionellen Antrag vortrug, wies ausdrücklich darauf hin, es gehe darum, viele Konflikte im Vorfeld zu klären, sei es nun durch Konzepte, Verhandlungen, Prävention. Das sah auch die SPD so. Eileen Mühlbach brachte es mit den Worten auf den Punkt: »Dresden ist reif für einen Nachtbürgermeister!« Viele Städte setzen längst auf einen Nachtschlichter und Ansprechpartner, manche gehen sogar noch viel weiter. Für Dresden geht es darum, dass die Nacht »attraktiv bleibt« und an den OB gewandt forderte sie – »definieren Sie endlich einen Ansprechpartner in der Stadtverwaltung«.

Genau das durchzusetzen, dafür haben sich die Stadträte nun entschieden. Magnus Hecht (Die Linke) jedenfalls fand, die Debatte im Stadtrat – bei der endlich mal wieder gelacht wurde – ist schon allein ein guter Einfluss der Kulturszene auf den Stadtrat. Im Übrigen seien Clubs und Veranstalter heute viel besser organisiert als noch vor Jahren – und hoffentlich auch bald die »Dresdner Spätis«.


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