

Vielleicht hatte sich der Maler einmal zu viel darüber geärgert, dass seine schönen Farben schon wieder eingetrocknet waren. Vielleicht war seine Farbe damals besonders teuer und das Geld knapp. Doch anders als seine amerikanischen Künstlerkollegen beließ es John Goffe Rand nicht nur beim meckern, sondern fing an, sich gründlich mit dem Thema zu befassen. Wie kann malfähige Farbe verpackt, konserviert werden? Und so gilt das Jahr 1841 als Geburtsstunde der Tube. Jene, die sich der schlaue Künstler patentieren ließ, war aus Zinn, hatten einen Schraubdeckel und eine dazugehörige Füllmaschine. Ob Rand danach weiter Bilder malen musste oder von Patent-Erlösen leben konnte, ist nicht ganz sicher. Fakt ist allerdings, dass die Firma Künstlerfarben Winsor & Newton in England 1851 auf der Londoner Weltausstellung Farbtuben als Neuheit präsentierte, was wiederum dazu führte, dass der berühmte Maler Auguste Renoir sagte: „Die Farbtuben haben es uns ermöglicht, in freier Natur zu malen. Ohne sie hätte es weder einen Cézanne noch einen Manet gegeben, auch nicht den Impressionismus." Inzwischen kommt noch eine ganze Menge mehr aus der Tube. Die Pharmaindustrie sähe ohne sie anders aus, genau wie die Kosmetikbranche. Wir drücken Senf und Ketchup so selbstverständlich aus der Kunststoffröhre wie Klebstoff, Schuhcreme, Haarfarbe, Schokopaste, süße Sahne und Zahnpasta. Mit letzterer hat sich übrigens der Dresdner Apotheker Dr. Ottomar Heinsius von Mayenburg (1865-1932) in die Geschichtsbücher geschrieben – seine Zahncreme, die er im Laboratorium Leo im Dachgeschoss der Löwen-Apotheke am Dresdner Altmarkt entwickelte, feierte als „Chlorodont"-Tube aus den Dresdner Leo-Werken später Welterfolg. In der Elbmetropole wurde nach dem 2. Weltkrieg von Forschern der Technischen Hochschule und dem damaligen VEB Elbe-Chemie fleißig an der Verbesserung der Tube getüftelt – mit dem Ergebnis, dass hier die ersten Kunststoff- und Laminattuben entstanden. Auch heute noch wird in Dresden kräftig auf die Tube gedrückt. Vor allem im Techno Park im Dresdner Norden in der Firma Essel Deutschland GmbH. Zum einen, weil die Sollvorgaben erfüllt werden müssen. Zum anderen, weil hier Tuben hergestellt werden. Täglich eine Million dieser Behältnisse verlässt heute das Werk, der jährliche Produktionsausstoß liegt bei 250 Millionen, der Umsatz bei 35 Millionen. Essel ist einer der größten Hersteller von Laminattuben. Die werden auf einer von sieben sogenannten Tubenlinien (Maschinenstrecke) hergestellt, und zwar aus einer Kunststofffolie, die zuvor bedruckt und später zu einer Röhre verklebt wird. Abnehmer sind große Firmen wie L‘Oreal, Kneipp, Dove, Cien oder Erdal. „Die Tube macht den Preis", weiß Geschäftsführer Matthias Lütkemeier. Will heißen: Je schöner fürs Auge, umso attraktiver für den Kunden (und Anbieter), auch wenn der Inhalt gleich ist. Dank eigener Druckstrecke und eigener Dekorentwicklung gewann Essel mehrmals den Branchenpreis „Tube des Jahres". Übrigens: Auch Farbe landet in Essel-Tuben Made in Dresden.