Sachsens weißer Diamant fehlt
Fünf lange Jahre hat es gedauert bis zur ersehnten Rückkehr der Juwelen ins Grüne Gewölbe: Am 13. August präsentierte die scheidende Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen, Marion Ackermann, dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer mit großer Genugtuung den Bruststern und andere der geraubten Kunstschätze im Grünen Gewölbe.
Unter noch immer nicht völlig geklärten Umständen hatten Mitglieder des Berliner Remmo-Clans am 25. November 2019 das größte barocke Schmuckensemble der Welt gefleddert. Am Tag danach gab Kretschmer die Maxime aus: "Es ist alles zurückzuholen." Insgesamt elf größere Objekte, Teile zweier Stücke sowie mehrere diamantbesetzte Knöpfe wurden geraubt. Die Polizeidirektion rief eilig eine Sonderkommission ins Leben. Heiligabend 2022 dann die erlösende Nachricht: 31 Einzelstücke, darunter der Bruststern des polnischen Weißen Adlerordens, konnten nach Dresden zurückkehren. In der Presse war vom Weihnachtswunder die Rede.
Mittlerweile haben die Staatlichen Kunstsammlungen sicherheitstechnisch aufgerüstet: "Wir sind stärker geworden!" schließt der Ministerpräsident. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 29 Prozent der Kunstdiebstähle aufgeklärt. Die Zahl schließt sogar jene Fälle mit ein, in denen das Raubgut dauerhaft verschwunden bleibt. Auch in Dresden war die Befürchtung groß, dass die Beutestücke filetiert und in Einzelteilen international verramscht werden könnten.
Touristen dürfen wieder staunen
Ab sofort können sich Bevölkerung wie Touristen wieder die Nasen an der berühmten Vitrine im Historischen Grünen Gewölbe platt drücken. Noch vor der Presse besah sich eine Schar fünfjähriger Kinder - sie wurden im Jahr des Juwelenraubes geboren - das glitzernde Wunder im Dresdner Residenzschloss. Marius Winzeler, seit 2021 Direktor des Grünen Gewölbes, würdigt das Entgegenkommen des Gerichts: Nur dadurch kann der geraubte Schmuck bereits vor Abschluss der Ermittlungsverfahren wieder öffentlich gezeigt werden.
Marion Ackermann betont den weltweit einzigartigen Ensemblecharakter des Juwelenschatzes. Für sie sei dabei nicht so sehr das Einzelstück wesentlich. Denn bei genauem Hinschauen fehlt hier noch ein Brillant, dort ist ein historischer Degen zerbrochen, da sind die Schmuckstücke korrodiert. Vieles aber sei wieder herstellbar. Trotzdem ist sich die internationale Kunstwelt einig, dass der historische Wert der Raubgüter den reinen Materialwert weit übersteigt. Schon der Versicherungswert der geraubten Schätze lag bei sagenhaften 113 Millionen Euro.
Apropos Geschichte: Der Ursprung des Grünen Gewölbe geht einmal mehr auf August den Starken zurück. Siebzehnjährig bewunderte der Prinz in Versailles den französischen Prunk. Vor seinem geistigen Auge entstand ein Konzept, es König Ludwig den XIV. in Dresden gleichzutun. Dabei war das Grüne Gewölbe als Schatz für August als späterer Kurfürst stets auch ein Unterpfand für sein Sachsen in schweren Zeiten. Ironie der Geschichte: Die Bedrohung kommt damals wie heute vor allem aus Preußen. Marion Ackermann sieht auch die Relevanz verschiedener Schmuckstücke für die sächsisch-polnische Geschichte. Aushängeschild hierfür sei der prunkvolle polnische Weiße Adlerorden.
Es bleibt noch Arbeit
Nach einer halben Stunde der Freude verabschiedete sich der Ministerpräsident mit den Worten: "Ich muss wieder regieren!" Für die Staatlichen Kunstsammlungen bleibt nun die Arbeit. Das Sicherheitskonzept wurde bereits qualifiziert. Für den bedeutendsten Barockschatz Europas besteht nun eine direkte Verbindung zur Polizei. Sobald das Gericht die Freigabe erteilt, können die Schäden in mühseliger Arbeit behoben werden und die Juwelen wieder in altem Glanz erstrahlen.
Die Fehlstellen aber schmerzen weiter. Bei aller Freude über die rückgeführten Kunstschätze räumt der Pressesprecher der Staatlichen Kunstsammlungen, Holger Liebs, gegenüber WochenKurier seine Frustration ein: In der Vitrine Nummer 75 klafft rechts eine Lücke: Dort gehört eigentlich die Große Epaulette mit dem "Sächsischen Weißen Diamanten" von beinahe 50 Karat hin. Der Edelstein befand sich seit 1728 in sächsischem Besitz. "Es hatte ja seinen Grund, dass die SOKO der Polizeidirektion die Bezeichnung Epaulette trug!" Noch laufen zwei Ermittlungsverfahren gegen sechs Beschuldigte. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.