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Birgit Branczeisz

Das Glück braucht viel Humor

Dresden.  Anti-Diva, Naturgewalt, Jazz-Musikerin: Anna Mateur aus Dresden erzählt von Humor und vom Glücklichsein.
Anna Mateur überrascht, bricht Erwartungen - in der Reihe

Anna Mateur überrascht, bricht Erwartungen - in der Reihe "Grundfragen unserer Zeit" erzählt sie etwas von Glück und Humor.

Bild: david campesino

»Mit Humor die Welt retten«, so heißt es 2023 im Gespräch zu Grundfragen der Zeit der Volkshochschule Dresden. Sie wollen tatsächlich über Humor und Glücklichsein dozieren? Ohne herumzuspringen?

Ja, ich werde mich tatsächlich nur zu diesem Thema unterhalten. Ich weiß, wer mich kennt, kann sich das gar nicht vorstellen. Der Umgang mit Humor ist eine grundsätzliche Sicht aufs Leben, ich werde keine Clownsmaske aufsetzen. Das wird ein ernstes Gespräch über Humor. Wie ist Ihr Humor? Ich habe in meiner Kindheit Glück gehabt, weil mich meine Eltern schon sehr kreativ und humorvoll erzogen haben. Ich denke außerdem, dass Humor viel mit Chaos zu tun hat. Menschen, die zu wenig Chaos in ihrem Leben zulassen, entwickeln nicht so viel Gespür für Humor – denn Humor ist immer das Brechen einer Erwartungshaltung. Wir werden tatsächlich ent-(täuscht), unserer Täuschung beraubt. Das ist der Punkt, an dem man lachen oder frustriert sein kann. Wenn ich immer nachvollziehbar bin, entsteht keine Pointe.

Warum kann der Eine über etwas lachen und der Andere nicht?

Weil ich einen gewissen Erfahrungshorizont brauche, um eine Situation als Humor zu erleben – und ich muss bereit dafür sein. Wer nur nützlich denkt, zum Beispiel so: »Schau mal, was im Kühlschrank fehlt! Butter ist alle, also schreibe ich Butter auf den Einkaufszettel und gehe los« – und dazwischen ist kein Necken oder »Ich liebe dich«. In so einer Welt ist kein Humor.

Was braucht es für Humor?

Eine gelassene Sicht auf die Welt, Weichheit, Variantenreichtum, die Erkenntnis, dass ich die Wahrheit nicht gepachtet habe – deshalb schließen sich Humor und Fanatismus übrigens auch aus.

Und, haben die Dresdner nun Humor oder vielleicht sogar einen ganz besonderen Sinn für Komisches?

Klar. Sogar einen sehr muckligen, trockenen Humor. Ich selber habe erst mit 40 ein Buch zu Humortechniken in die Hand genommen, obwohl ich da schon Jahre auf der Bühne stand – mit einem riesigen Rucksack an Erfahrungen.

Was ist Ihnen so passiert?

Dass Leute sagen »Du bist doch die Lustige« und ich empört antworte: »Entschuldigen Sie bitte…« Ich habe Musik studiert. Ich wollte nie »komisch« sein im Sinne von Comedian, ich lästere nicht, niemals. Ich schaffe hintergründige Situationen. Die Musik hilft mir dabei sogar, denn da kommt es viel aufs Timing an und Humor ist Timing.

Ihre Fotos sind aber schon urkomisch, da denkt man unwillkürlich: »Huch, was ist das denn?«

Schön, wenn Sie »Huch« denken. Da beginnt Reflexion. Ich arbeite sehr gern mit David Campesino, einem spanischen Filmemacher. Er ist ein großer Poet. Ich bin eher radikaler. Ich mag Fotos nicht, auf denen man auf »Hahaha« macht oder mit Denkerstirn posiert. Es gibt den Humor über den Charakter oder die komische Situation und ich habe mich immer gefreut, eine kuriose Situation auf den Fotos herzustellen. An der Martin-Luther-Straße / Ecke Bautzner ist mir das unbewusst gelungen: Ich laufe im Tutu über die Ampelkreuzung. Gott! »Ach, eine dicke Frau«, denkt mancher vielleicht. Aber wenn ich dünner wäre, würde ich auch über mich Witze machen – nur andere.

Lässt sich echte Komik ausdenken?

Im Schaubudensommer habe ich eine Künstlerin gespielt, die alles mit dem Gesicht »Ich mach‘s halt« spielt. Als säße ich missmutig an der Supermarktkasse. Das war urkomisch, weil es andere Situationen unseres Lebens neu spiegelt. Und schon können alle lachen und werden nachdenklich. Tja, da schließt sich der Kreis: Kann ich über Humor und Glücklichsein dozieren? Unbedingt. Wissen Sie, jeder Steuerberater, jeder Kfz-Mechaniker, der kreativ ist, der Humor hat, wird besser mit seinem Leben klarkommen. Es kann nicht sein, dass wir ein Land der Experten sind: Da ist der Farbberater, da ist die Humorbeauftragte – das wäre schade. Ich wünsche mir, dass die Menschen aus meinen Auftritten ein bisschen was in ihr Leben mitnehmen und nicht »Ach, die ist lustig« oder »Die ist verrückt« denken. Humor wird im Leben unterschätzt – er heilt und Humor ist der Killer, ehrlich.

Ort & Zeit: »Mit Humor die Welt retten«, 6. Juni, 19 Uhr, in der St. Pauli Ruine Dresden, Königsbrücker Platz.


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