Uwe Schieferdecker/ck

Bauen an prominenter Stelle

Dresden. Dresden baut – und es herrscht Aufregung: Zwar sinkt Sachsens Einwohnerzahl rasant und seine Fläche wird zumindest nicht größer. Der Sächsische Landtag aber muss wachsen.
Italienisches Dörfchen, Ansicht von Südost (1912).

Italienisches Dörfchen, Ansicht von Südost (1912).

Bild: Archiv Schieferdecker

So entschieden es die Abgeordneten und beauftragten den 1937 in Dresden geborenen Architekten Peter Kulka, nach einem vorgegebenen Raumprogramm das Landtagsgebäude von 1997 zu erweitern. Ein erster Vorschlag für einen Neubau hinter dem Haus der Presse an die Packhofstraße wurde verworfen. So wäre der Landtag in zwei Teile zerschnitten worden.

Kulka ist nicht irgendwer: Er realisierte bereits die Sanierung des Altbaus und den viel gerühmten Neubau des Sächsischen Landtages an der Elbe. In den Innenhof des Gebäudes aus den 90er-Jahren will er nun einen Kubus setzen. Zusätzlich soll an der Elbe westlich des Plenarsaals ein sachlich gestalteter Zweckbau entstehen. Für das Vorhaben kehrt der 86-jährige Architekt extra an seinen Geburtsort zurück. Hier stößt er auf einen harten Gegenwind: Stadtrat Tilo Wirtz geißelt den Verwaltungsbau vor dem Erlweinspeicher als »mobile Raumeinheiten«.

Apropos Erlwein: Was würde der legendäre Stadtbaurat wohl zu den Diskussionen der Gegenwart meinen? Für sein Speichergebäude, in dem sich heute das Maritim-Hotel befindet, hatte er reichlich Kritik einstecken müssen. Viel zu gigantisch, meinten die Widersacher. Hans Erlwein hatte die Aufgabe, an den Kaianlagen einen Speicher zu errichten, der bereits von seiner Aufgabenstellung her wuchtig sein musste. Mit einer gewissen Genialität brach er die Wucht des Zehngeschossers, indem er die Traufe in das fünfte Geschoss herunterzog und die darüber liegenden Etagen als hochgezogene Giebel mit Rücksprüngen ausbildete.

 

Eine kleine Zeitreise

 

Nehmen wir an, Erlwein wäre uns vor 110 Jahren nahe der Semperoper über den Weg gelaufen. Im Zuge des Neubaus der Augustusbrücke war »Helbigs Etablissement« gefallen und die Uferanlagen neu gestaltet. Als der Stadtbaurat 1910 in der »Neudeutschen Bauzeitung« seine Vorstellungen für die Neubebauung der Elbseite des Theaterplatzes der Öffentlichkeit präsentierte, entfachte er einen Sturm der Entrüstung. So äußerte der Herausgeber der namhaften »Deutschen Bauzeitung«, Albert Hofmann, heftige Kritik an Erlweins Plänen.

Hierzulande kam Widerstand vor allem von den Gastronomen der Altstadt, die entstehende Konkurrenz abwehren wollten. Sie forderten gar, zunächst ein Modell in natürlicher Größe zu errichten! Stadtverordnete plädierten für eine freie Sicht von der Sempergalerie auf die Neustädter Elbseite. Das Für und Wider beschäftigte damals sogar die Diskussionen am Kneipentisch. Doch auch Fritz Löffler sollte das Italienische Dörfchen Erlweins später als entgangene Chance für eine Umsetzung von Gottfried Sempers Forumplan bezeichnen.

Nach lebhafter Debatte, in der sich Oberbürgermeister Otto Beutler zu seinem Stadtbaurat positionierte, votierten die Stadtverordneten im Januar 1911 klar für dessen Planung. Bis zur Fertigstellung des Italienischen Dörfchens vergingen zwei Jahre. Im Mai 1913 schrieb die Presse überschwänglich: »Diskret fügt es sich in einen glorreichen Rahmen, und wenn noch die Patina das schöne Kupferdach grün überspinnen wird, die beiden Kastanien davor breite Kronen tragen werden, so dürfte es so anheimelnd wirken, als stünde es seit ehrwürdigen Zeiten da.«

Augenzwinkernd verabschiedet sich Hans Erlwein von uns auf dem Theaterplatz: Möge die Nachwelt entscheiden.


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