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Krankes Gesundheitssystem - Teil 10

In der letzten Woche berichteten wir über das Klinikum Görlitz, welches im Verbund mit anderen Gesundheitseinrichtungen eine Krankenhausakademie gründete, um dem Fachkräftemangel beizukommen. Das System funktioniert, doch es könnte besser funktionieren...
Ines Hofmann, Geschäftsführerin der Krankenhausakademie, und Ulrike Holtzsch, Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Görlitz erzählen über  ihr Erfolgsprojekt und welche Hilfe sie sich von der Politik wünschen.

Ines Hofmann, Geschäftsführerin der Krankenhausakademie, und Ulrike Holtzsch, Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Görlitz erzählen über ihr Erfolgsprojekt und welche Hilfe sie sich von der Politik wünschen.

Statt »jeder für sich« wurden im Landkreis Görlitz Kapazitäten gebündelt und Synergien genutzt. Das Ergebnis: Alle Kliniken im Landkreis haben seit 1. September eine gemeinsame Ausbildungsstätte, außer Niesky und Rothenburg. Die läuft gut; über 250 Azubis lassen sich in der Akademie derzeit in Gesundheitsberufen ausbilden. Doch bekanntlich gibt es nichts, was nicht noch ein bisschen besser funktionieren könnte. Daher fragten wir die Initiatoren der Akademie: »Wo könnten die politischen Entscheider Ihnen ein Stück weit entgegenkommen, unter die Arme greifen, so dass diese Erfolgsgeschichte noch mehr an Dynamik gewinnt?« Ulrike Holtzsch, Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Görlitz: »Da fällt mir natürlich etwas ein. Wir verhandeln ja als Krankenhäuser mit den Krankenkassen über die Kosten der Ausbildung. Das sind sehr, sehr harte Verhandlungen, bei denen man wirklich um jeden Cent ringen muss. Man muss sich verdeutlichen, dass die Ausbildungskosten derzeit bei uns etwa 5?000 Euro pro Jahr und pro Schüler betragen, also nicht die Vergütung, sondern die reinen Kosten für die Ausbildungsstätte pro Azubi im Jahr. Vorrangig Ausbildungsstätten in den alten Bundesländern erhalten pro Ausbildungsplatz 9?000 Euro im Jahr, aber auch bei Ausbildungsstätten in Sachsen gibt es höhere Zahlungen. Da sage ich ganz deutlich, wir brauchen eine bundeseinheitliche Ausbildungsfinanzierung. Bis dahin wünsche ich mir mehr Augenmaß bei den Verhandlungen über die Finanzierung. Es täte uns in Sachsen gut, eine landesweit einheitliche Ausbildungskostenermittlung einzurichten, die dem gerecht wird, was wir einsetzen müssen, um die jungen Menschen voran zu bringen. Allerdings sehe ich auch gute Ansätze bei den Gedanken, die der neue Bundesminister äußert. Dennoch bin ich außerordentlich gespannt, wie das letztendlich im Gesetzestext Realität wird.
Es gibt noch etwas, das mir sehr, sehr bitter aufstößt: Wir haben in den Krankenhäusern eine Bürokratie, die ihresgleichen sucht. Was nicht aufgeschrieben wurde, hat aus Sicht der Kassen nicht stattgefunden. Wir haben keine Kultur des Vertrauens, sondern eine Kultur des Misstrauens. Das ärgert mich, das ist Missachtung vor dem, was hier geleistet wird. Da werden beispielsweise Schwerverletzte in die Notaufnahme gebracht, da kämpfen Ärzte und Schwestern um das Leben von Menschen. Wenn in solchen Extremsituationen mal vergessen wird, sein Signum zu setzen, dann wird die Leistung nicht bezahlt. Da fällt man vom Glauben ab.« Auch Ines Hofmann, Geschäftsführerin der Krankenhausakademie, sieht in einigen Punkten Verbesserungsbedarf: »Obwohl wir so viele junge Menschen ausbilden haben wir – wie andere ebenfalls – das Problem, Stellen mit Pflegekräften zu besetzen. Auch hier ist Bürokratisierung ein wichtiges Thema. Denn das zieht sich deutlich bis in die Pflege hinein und frustriert inzwischen selbst langjährig tätige Pflegekräfte, denn sie haben kaum noch Zeit für den Patienten. Der Pflegeberuf besteht mittlerweile zum Großteil aus Dokumentation. Viele junge Menschen entscheiden sich aus Berufung und Leidenschaft für den Pflegeberuf. Sie wollen ‚Menschen helfen‘, doch schon in der Ausbildung müssen sie schnell lernen, dass es auch zu ihrem Job gehört, tausende Formulare auszufüllen. Es ist Zeit für eine Entbürokratisierung, um die Pflegekräfte zu entlasten, neue Kräfte zu finden und unsere motivierten Mitarbeiter zu halten.«


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