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Vicky: Zurück ins Leben

»Vicky muss leben« hieß es am 3. April auf der Titelseite des WochenKurier. Wie geht es Vicky heute? Wir haben die junge Frau erneut besucht.
Vicky mit Familie neulich in Königstein. Das Fotoshooting (mit Perücke) bekam sie von einer fremden Fotografin geschenkt. Foto: Maria Rafelt

Vicky mit Familie neulich in Königstein. Das Fotoshooting (mit Perücke) bekam sie von einer fremden Fotografin geschenkt. Foto: Maria Rafelt

Darf man das überhaupt so sagen? Dass man dem alten Leben nicht nachtrauert, obwohl man dem Tod grad so von der Schippe gesprungen ist? Vicky jedenfalls sagt es so. Sie denkt positiv. Lacht viel. Macht Pläne. Sucht sich viele kleine Auszeiten, die sie ihre »positiven kleinen Inseln« nennt. Blickt nach vorn, aber irgendwie anders als vorher. Ist viel gelassener geworden und ärgert sich nicht mehr über Dinge, die sie im alten Leben auf die Palme gebracht hätten.

Chaostage: Geburt und Behandlung, fast zeitgleich

Rückblende: Vicky Stötzner ist hochschwanger, am 7. Februar soll Sohn Nico zur Welt kommen. Am 23. Januar die Diagnose: Vicky hat Blutkrebs, akute lymphatische Leukämie. Die Geburt wird eingeleitet, der Sohn kommt zwei Tage später gesund zur Welt, Vickys Behandlung beginnt sofort. Chemo, Bestrahlung, Unmengen an Tabletten, Haarausfall – das ganze Programm. Ein genetischer Zwilling für eine Knochenmarkspende muss gefunden werden, doch in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) ist kein passender Spender verzeichnet. Vicky hat griechisches Erbgut, das macht die Sache nicht leichter. »Am Ende hatte ich riesiges Glück. Mein Papa kam als Spender in Frage, wenn auch die Übereinstimmung nur bei 50 Prozent lag. Wie man sieht, hat es gereicht.« Typisch Vicky, diese Antwort.

Langer Weg zurück zur Normalität

Der Transplantation am 24. Mai folgen wieder lange Wochen im Krankenhaus, drei Wochen geht es ihr richtig schlecht. Bis zu 26 Tabletten schluckt sie täglich, ist kraftlos und schlapp. Doch schließlich heißt es »Frau Stötzner, die Therapie hat angeschlagen.« Vorbei ist es natürlich noch lange nicht. Jedes Vierteljahr muss die 30-Jährige jetzt zur Kontrolle, eine Knochenmarktpunktion über sich ergehen lassen, eine äußerst schmerzhafte Prozedur. Dann bange Tage des Wartens auf das Ergebnis: Ist alles in Ordnung? »Das wird wohl die nächsten Jahren so weitergehen, aber die Abstände der Punktion werden größer.« Auch Tabletten wird sie noch ewig schlucken müssen. Trotzdem: Vicky ist glücklich. Dass sie jetzt so viel mit Nico, der nun schon siebeneinhalb Monate alt ist, unternehmen kann. Dass im April so viele Menschen zur Typisierungsaktion für sie gekommen sind. Dass ihre Haare wieder wachsen. Dass sie von den Spenden, die ihr wildfremde Menschen zukommen ließen, Ende September mit Mann und Kind einige Tage an die Ostsee fahren kann. Vor allem, dass die blöde Krankheit sie und ihren Marius noch viel enger zusammengeschweißt hat als sie sich das je vorstellen konnte. »Andere rennen bei so einer Katastrophe auseinander. Wir sind bald zehn Jahre zusammen.« Vicky lebt. Sie ist glücklich.


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