Landkreis Oberspreewald-Lausitz. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht schlägt große Wellen. Pflegekräfte aus dem Landkreis wollen auf mögliche Probleme aufmerksam machen.
Es begann mit einer Whatsapp-Gruppe, in der neue Erkenntnisse und wichtige Informationen rund um Corona und die einrichtungsbezogene Impfpflicht unter Pflegekräften ausgetauscht werden sollten. Immer mehr Personal fand seinen Weg in diese Gruppe. Inzwischen zählt sie 150 Teilnehmer, die ihre Bedenken gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht jetzt auch nach außen tragen wollen. »In dieser Gruppe entstand die Idee, die Berufsurkunden am Beispiel sächsischer Kollegen an den Landrat zu senden, um auf die drohende Unterversorgung in unserem Sektor aufmerksam zu machen«, erklärt Schwester Bettina. Dazu wurden alle Berufsurkunden gesammelt per Post an Landrat Siegurd Heinze gesendet.
»Wollen Beruf nicht aufgeben«
»Ich bin seit 1996 Krankenschwester. Mein Beruf ist für mich eine Berufung.«, erklärt sie auf Nachfrage. Auch in ihrer Einrichtung gab es bereits mehrere Corona-Ausbrüche: »Da haben meine Kollegen und ich bis zur kompletten physischen und psychischen Erschöpfung gearbeitet. Wir haben alle zusammen durchgehalten und zueinander gestanden.« Mit der ab 15. März geltenden Einrichtungsbezogenen Impfpflicht würde auch Schwester Bettina ein Berufsverbot drohen. Dabei möchte sie mit ihrer Meinung zur Corona-Schutzimpfung keinesfalls in eine Schublade gesteckt werden: »Ich bin kein Corona-Leugner oder rechtsradikaler Fanatiker, ich habe nur Bedenken gegenüber Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe.« Inzwischen hat Schwester Bettina viele Menschen kennengelernt, die wie sie denken und auf ihre Bedenken aufmerksam machen wollen. »Wir wollen den Pflegenotstand nicht verschärfen, wir wollen auch nicht unsere Arbeit freiwillig niederlegen, aber wir werden dazu gedrängt.« Die Gruppe hat daher ein klares Anliegen an den Landrat: »Wir bitten deshalb den Landrat Siegurd Heinze um Unterstützung. Herr Heinze, sorgen Sie dafür, dass die Regierung diesen Beschluss nicht umsetzt. Wir wollen nicht, dass Menschen in gesundheitliche Nöte geraten, weil Notaufnahmen und Rettungswachen unterbesetzt sind, dass Senioren nicht betreut werden können, weil ambulante Pflegedienste ihre Touren nicht mehr bedienen können oder Arztpraxen schließen müssen, weil kein Personal da ist«
Die gesammelten Berufsurkunden sind inzwischen im Landratsamt eingetroffen. »Als Landkreis sind wir an Recht und Gesetz gebunden und werden die einrichtungsbezogene Impfpflicht nach den einheitlichen Vorgaben, die für alle Landkreise und kreisfreien Städte gelten, umsetzen. Die durch das Land Brandenburg erlassene Weisung gibt konkrete Vorgaben zum Verfahrensablauf vor«, teilt Stephan Hornak, Persönlicher Referent des Landrats mit.
Ab dem 15. März müssen alle Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen den Impf- oder Genesenen-Status ihrer Mitarbeiter an das zuständige Gesundheitsamt melden. Für das Gesundheitsamt im Landkreis gilt dabei folgendes: »Die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht umfasst eine ›Kann-Vorschrift‹«, erklärt Pressesprecherin Nora Bielitz. Das bedeutet, dass es nach Bundesrecht den Gesundheitsämtern obliegt, ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen. Zur Gewährleistung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und zur Aufrechterhaltung der gesundheitlichen, pflegerischen sowie sozialen Grundversorgung hat das Gesundheitsministerium des Landes Brandenburg eine Weisung an alle Gesundheitsämter erstellt. »Beim Agieren des Gesundheitsamtes ab Mitte März werden Faktoren wie der Gesundheitsschutz für Patienten und betreute Menschen, aber auch Gesamtauswirkungen auf die betroffenen Einrichtungen mit Augenmaß bewertet werden. Oberste Prämisse hat für das Gesundheitsamt des Landkreises die regionale Versorgungssicherheit und die personelle Stabilität in den Einrichtungen«, teilt Nora Bielitz mit.
Konkret bedeutet diese Kann-Vorschrift: Wenn es durch ein drohendes Arbeitsverbot ungeimpfter Mitarbeiter in Einrichtungen zu Versorgungseinschränkungen kommt, kann das Gesundheitsamt entscheiden, für einen festgelegten Zeitraum kein Betreuungs- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen. Wie viele Angestellte von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen sind, lässt sich schwer voraussagen. »Die aktuelle – sehr vage - erste Schätzung des Landkreises lautet, dass 1.000 bis 2.000 Personen im Landkreis von einer Entscheidung des Gesundheitsamtes auf Basis der Kann-Vorschrift ab dem 15. März betroffen sein könnten. Diese zahlenmäßige Schätzung kann sich selbstverständlich noch ändern. So könnte zum Beispiel der neue, für Ende Februar/Anfang März avisierte Impfstoff von Novavax zur Erhöhung des Impfstatus einiger Personen führen«, so Nora Bielitz.
Mit dieser Aufgabe kommt neuer Arbeitsaufwand auf die Gesundheitsämter zu: »Die Arbeitsbelastung im Gesundheitsamt ist nach wie vor hoch. Die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht bringt neue Aufgaben mit sich, die das Gesundheitsamt ab März zu bewältigen hat. Mitten in der Pandemie stellt dies eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Gesundheitsämter dar.«
Wie es ab dem 16. März in Einrichtungen weitergeht, die von der Impfpflicht betroffen sind, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. »Konsequenz für uns, je nachdem wie das Gesundheitsamt entscheidet, ist die, dass wir uns überlegen müssen, welche Angebote wir dann noch aufrechterhalten können bzw. unter welche Mehrbelastung dann die anderen Mitarbeiter die Leistung noch aufrechterhalten, ohne dass diese dann krank werden«, berichtet Tino Jörke, Geschäftsführer der Integrationswerkstätten gGmbH Niederlausitz. »Wir planen in sämtliche Richtungen, um den drohenden Engpässen entgegen zu wirken. Wir fürchten selbstverständlich einen Betreuungsnotstand. Da wir für die Betreuung nur einen vorgegebenen Personalschlüssel refinanziert bekommen, können wir im Vorhinein nicht mehr Personal einstellen als wir refinanziert bekommen. Und der Schlüssel ist immer sehr knapp bemessen. Außerdem besteht auch in unserem Bereich schon jetzt der Fachkräftemangel.«
Arbeitsmarktsituation
Auch Arbeitsagenturen kommen immer wieder in Kontakt mit dem thema einrichtungsbezogene Impfpflicht. »In den vergangenen Wochen gab es vermehrt Anfragen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in Pflegeeinrichtungen beschäftigt sind. Die Hauptaufgabe besteht zum einem darin, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu den Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu beraten und zum anderen, welche rechtlichen Konsequenzen bei Eigenkündigung folgen können«, erklärt der Leiter der Arbeitsagentur Senftenberg, Thomas Krutz. Bisher ist ein geringer Anstieg von Pflegepersonal auf Jobsuche zu verzeichnen, was laut Thomas Krutz allerding nicht unbedingt mit der Impfpflicht für Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen einhergeht. Derzeit sind rund 200 gemeldete Arbeitsstellen aus den Bereichen Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung im Landkreis verfügbar. Dass diese Zahlen ab dem 16. März zunehmen, befürchtet er nicht: »Ich gehe davon aus, dass es in Pflegeeinrichtungen nicht im nennenswerten Umfang zu Beendigungen von Beschäftigungsverhältnissen kommt.«