

Sein Ton ist bestimmend, leicht militärisch, die politischen Funktionen seiner Wegbegleiter kommen nach wie vor aus dem Effeff. Brille, Bauch, Sakko - Bernd Brückner, auf Einladung der hiesigen Volkssolidarität nach Radebeul gekommen, steht mit Mikro in der Hand im Seventies. Hinter ihm laufen Bilder aus 13 Jahren Dienstzeit. Brückner war Honeckers Leibwächter von 1976 bis 1989 und spricht erstmals vor sächsischem Publikum. Familien-Interna tabu! Es war so ziemlich das Erste, was man dem angehenden Personenschützer (Soldatenlaufbahn, danach Abteilung Personenschutz beim MfS) eingeimpft hatte. "Hänge Dich nicht in Familienstreitigkeiten rein und schlage Dich vor allem nicht auf eine Seite!" Brückner hat sich bis zum Schluss daran gehalten. Dass es bei den Besuchen Honeckers Tochter manchmal heiß her ging, hat er trotzdem mitbekommen. "Sie war glücklich Schrägstrich unglücklich mit einem chilenischen Staatsbürger verheiratet", erinnert sich der ehemalige Bodyguard. Selten Gefühle Den Staatsratsvorsitzenden beschreibt er als wenig theatralisch, eher mürrisch. Als jemanden, der bei Problemen nicht laut wurde, sondern lieber den Kopf senkte. Emotionalität kam nur selten an die Oberfläche der Familie Honecker. Als seine Enkelin verstarb sei das anders gewesen. "Das hat ihn sehr schwer getroffen", erinnert sich Brückner. Noch lange Zeit nach der Beerdigung wollte der Staatschef an das Grab, in aller Regelmäßigkeit außerhalb des Protokolls - mit Taschenlampe und Schaufel. "Da durfte ihm auch keiner helfen. Er wollte das alles allein machen", erinnert sich sein Personenschützer. Als eine Blumenvase vom Grabstein verschwand löste das hinter den Kulissen und ohne das Wissen von Erich eine regelrechte Großfahndung aus. Citroën, Rover & Co. Honecker besaß viele Fahrzeuge im Laufe seiner Amtszeit. "Die meisten hat er geschenkt bekommen, wie zum Beispiel den ungepanzerten Citroën ", erzählt Brückner. Ihm selbst ist besonders das Jagdfahrzeug, der Range Rover, in Erinnerung geblieben, den Schalck-Golodkowski damals besorgt hatte. "Eine Westberliner Firma hatte das Fahrzeug gestreckt. Was am Ende weitaus teurer war, als die Anschaffung", erinnert er sich. Dass im Jagdgesetz der DDR nichts über die Jagd aus dem fahrenden Fahrzeug stand, fügt er bei dieser Gelegenheit noch hinzu. Im Laufe der Jahre waren unzählige Personenschützer für das leidenschaftliche Hobby ihres obersten Dienstherren abgestellt, natürlich auf Staatskosten. Toyota-Trip Der führerscheinlose Staatschef ließ sich allerdings nicht nur kutschieren, sondern setzte sich auch selbst hinter das Steuer - das eines Toyotas Super Saloon mit reichlich PS. Als er nach drei Stunden zu Fuß von dem Trip in der Schorfheide wiederkam, ließ er sich fortan nur noch chauffieren. Filmreife Aktion in syrischer Wüste Seine Leibwächter bereiteten sich auf alle denkbaren Attentate vor. "Nach der Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz 1976, sah man die Gefahr, dass jemand in ähnlicher Form Honecker schaden könnte", erzählt Brückner. Fortan waren Feuerlöscher und Decken bei öffentlichen Auftritten Pflicht. Dabei, so erzählt der ehemalige Major weiter, sei Honecker keiner gewesen, der sonderlich viel Wert auf Sicherheit gelegt habe. Auf der Beerdigung der Enkelin sei der Friedhof nicht einmal abgesperrt gewesen. Auf seiner Datsche hätte der Staatschef verfügt, dass die anderen Wochenendurlauber bis an den Zaun auf einen Plausch heran durften. Wirklich brenzlig wurde es für Honecker nie. Zwischenfälle gab es schon. "Wir waren in der syrischen Wüste unterwegs, als die heimischen Soldaten plötzlich wie wild um sich schossen. Davon stand nichts im Protokoll. Wie sich herausstellte waren es Freudenschüsse gewesen", so Brückner. Ein anderes Mal wurde ein betrunkener Autofahrer dem Vorauskommando Honeckers zu aufdringlich. Dass der Ofenbauer eine Waffe dabei hatte und einen Personenschützer verletzte, sei für Honecker ein Schock gewesen. "Allerdings war es eher die Tatsache, dass es offenbar Waffen in Teilen der Bevölkerung gibt", so Brückner. Erich befand sich zu dieser Zeit etwa einen Kilometer entfernt, dazu noch in einem gepanzerten Wagen, der über Überdruckanlage, Brandlöschanlage und nachträgliche Türveriegelung verfügte. Keine Gefahr also. Westliche Ausrüstung Zur Ausrüstung der Personenschützer gehörte die sowjetische Makarow-Pistole. Ab 1988 wurde die Glock 17 aus österreichischer Produktion eingeführt – als Sondereinsatzwaffe. Sie war nur für den Ernstfall gedacht und musste im Waffenschrank deponiert werden. "Aus meiner Sicht machte diese Regelung wenig Sinn", gesteht Brückner. Als ballistische Schutzwesten groß in Mode kamen, wollte die dreieinhalb Kilo schweren Ungetüme niemand anlegen. Auch Revolver seien für kurze Zeit ein Thema gewesen – bis zu einem tragischen Vorfall in der Tschechoslowakei. Was kam nach Erich? Brückner hatte es zunächst schwer im neuen Gesellschaftssystem beruflich unter zu kommen. Er war arbeitslos und kutschierte später als Busfahrer Urlauber in den Süden. "Einen richtigen Arbeitsvertrag wollte mir keiner mehr geben", sagt er. Mittlerweile bildet er in Berlin deutsches und vietnamesisches Pflegepersonal aus und scheint damit recht erfolgreich zu sein. 2014 erschien sein Buch "An Honeckers Seite". Sein Verleger hatte ihn zwei Jahre lang genervt. Brückner hatte mit dem Kapitel eigentlich abgeschlossen. Ob Honecker von den realen Lebensumständen in der DDR gewusst hat, will einer der Gäste gegen Ende wissen. "Ich glaube schon. In welchem Umfang, weiß ich nicht", sagt der Berliner. Einmal habe ihn jemand im Vorfeld einer Parade zur Seite genommen und mal abseits der Strecke geführt. Dort habe Honecker gesehen, wie es hinter den Fassaden aussehe, meint der Unternehmer. Es habe zudem Menschen im Umfeld Honeckers gegeben, die vieles wegdrückten – allen voran sein guter Freund Günter Mittag.