Birgit Branczeisz

Hier kommt der nächste Handwerkerhof

Dresden. Nur einen Steinwurf von der Innenstadt entfernt holt sich Dresden ein 15.000 Quadratmeter verwahrlostes Industrie-Grundstück wieder ins Stadtleben zurück. Mikroben helfen dabei.

2002 hatte Dresden den früheren VEB Chemiehandel als herrenloses Grundstück übernommen und eigentlich wäre das Areal damit an den Freistaat gefallen. Doch Stadt und Land fanden in den letzten Jahren eine andere Lösung: Die Stadt revitalisiert die Brache, auf der seit 1962 mit Chemikalien gehandelt wurde und dafür greift das Land der Stadt finanziell unter die Arme. Den Bescheid für knapp 5 Millionen hat der Präsident der Landesdirektion Sachsen, Bela Bélafi, jetzt Dresdens OB Dirk Hilbert übergeben. Das sind 77 Prozent der förderfähigen Kosten. Die Stadt entledigt sich damit auch 220.000 Euro jährlicher Kosten, die sie ausgeben muss, um den Abstrom vom Areal sauber zu halten – immerhin 70 Kubikmeter stündlich.

Und plötzlich kam die Flut

2002 war der Potsdamer Chemiehandel in Liquidation gegangen, die Stadt erteilte die Auflage, dass die Giftstoffe keinesfalls das Umfeld verseuchen dürfen. Dann kam die Flut, die Weißeritz lief in die Keller, die Mieter der 110 Räume verließen das Gebäude, die 18 vergrabenen Tanks wurden zum akuten Umweltrisiko und der Insolvenzverwalter war verschwunden.  Einen Monat nach der Flut ordnete die Stadt die „Ersatzvornahme“ an, sicherte selbst das verseuchte Gelände – bis heute. Die Schäden durch ausgetretene Lösemittel waren trotzdem bis in 18 Meter Tiefe nachzuweisen. Die Idee, die ganze Erde auszuheben und zu ersetzen, wurde schnell verworfen. Mindestens  35.000 Tonnen Erde wären zum Recyceln nach Chemnitz hin und wieder  zurück zu fahren gewesen.

Boden wird in der Tiefe geimpft

Stattdessen setzten Fachleute auf Mikroben, die auch den Wüstensand in Saudi-Arabien nach Erdölbohrungen reinigen. Die werden in der Tiefe injiziert. Die Mikroben (Dehalococcoides) bauen die Schadstoffe ab. Zusätzliche Wirkstoffe helfen das Grundwasser zu reinigen. Weil die Mikroben nur ohne Sauerstoff loslegen, wird der durch Eisenspäne entzogen, denn die Eisenspäne oxidieren und rosten – Eisen im Grundwasser ist dann kein Problem. Die stark kontaminierten Betriebsanlagen im westlichen Grundstücksteil wie Tanklager, Gleisanlagen, Verladerampen, Lagerbaracken, Garagen und Werkstattgruben sind bereits entsorgt worden.

Was jetzt entstehen soll

Holger Heiser vom Umweltamt der Stadt rechnet jetzt noch einmal mit 8 Monaten, bis das Areal gereinigt und nutzbar ist. Am 15. Oktober sollen die Bagger an der Rosenstraßen 77 zwischen Löbtauer  und Freiberger Straße  anrollen. Zunächst werden die 2 Gebäude abgebrochen –  das Büro an der Straße mit seinen 110 Zimmern, dann das Lager dahinter mit Keller. Der neue „Macher“ ist ein guter alter Bekannter in Dresden - Friedbert Kirstan, lange Jahre Geschäftsführer der Dresdner Gewerbehofgesellschaft, die schon 4 Gewerbehöfe entwickelt hat. Für derzeit geschätzte 10 Millionen Euro soll hier der nächste innenstadtnahe Handwerkerhof entstehen. Gut die Hälfte des Areals ist zunächst beplant. Der Rest könnte zum Erweitern dienen. 15 Prozent der Fläche werden Naturraum, ein  2.250 Quadratmeter großer Grüngürtel um den Park ist vorgesehen.

Zunächst entsteht an der nördlichen Fläche, ähnliche wie an der Freiberger Straße 112, ein viergeschossiger Kopfbau, im hinteren Teil schließen sich 12 Werkhallen an: je 153 Quadratmeter, einzeln oder zusammen vermietbar. Im Erdgeschoss gibt es Werkstätten, im Obergeschoss ein Labor und  Büros ausschließlich für die Hallennutzer. Von den 5.000 Quadratmetern vermietbarer Fläche sind zwei Drittel im Kopfbau, ein Drittel in den Hallen. 86 Pkw-Stellplätze und 109 Fahrradplätze gehören dazu.

Ende 2026 wollen die Bauherren übernehmen, im Frühjahr 2027 bauen. 16 Monate Bauzeit hat Friedbert Kirstan zunächst angesetzt. Das entspricht in etwa der Bauzeit seines Gewerbehofes an der Freiberger Straße. Ab dem 2. Halbjahr 2028 wird vermietet. Wer Interesse hat, sollte sich allerdings beeilen. Die Preise liegen bei konkurrenzlosen knappen 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter. Grund dafür ist die Übergabe als erweiterungsfertiger Rohbau, sprich die Mieter richten es sich so ein, wie sie es brauchen. Zum Vergleich: bei den Technologiezentren liegen die Mietpreise laut Stadt bei etwa 16 Euro.


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