

Der Dresdner Ausschuss für Kultur und Tourismus berief 2021 ein Gremium unter dem sperrigen Namen „Fachkommission zur Würdigung, Einordnung und Kontextualisierung bedeutsamer Persönlichkeiten der Stadtgeschichte zur Fortschreibung der Liste historischer Gräber in der Landeshauptstadt Dresden“ ein. Im März vor zwei Jahren nahm die Kommission ihre Arbeit auf.
Die Liste der Dresdner Ehrengräber umfasst 700 Persönlichkeiten. Obwohl im Moment im Stadthaushalt gar kein Geld zu deren Pflege eingestellt ist, werden derzeit 31 Gräber geprüft: Auf der linken Seite hatte man bereits in den 1990er Jahren kräftig gekehrt. Nunmehr stehen Personen im Fokus, bei denen eine Belastung während der Zeit des Nationalsozialismus oder antisemitische Bestrebungen angenommen werden.
Dank eines kleinen Etats der Stadt beleuchten nun Doktoranden die Lebensläufe verschiedener Geehrter. Im Mai 2025 widmete sich die Kommission unter der Leitung von Dr. Birgit Sack von der Gedenkstätte Münchner Platz zwei Biographien: Rudolf Bergander und Richard Guhr. Gegenüber WochenKurier betont Birgit Sack, dass die Fachkommission selbst nicht über den Umgang mit den Ehrengräbern entscheidet. Letztlich wird der Stadtrat auf der Grundlage ihrer Empfehlung über den Umfang der Liste der Ehrengräber befinden. Anfang des Jahres sorgten Veröffentlichungen zu dem weit über Dresdens Stadtgrenzen hoch verehrten Schauspieler Erich Ponto für Aufsehen.
Insbesondere seine Beteiligung am Nazi-Propagandafilm »Die Rothschilds«sorgte dafür, dass die Fachkommission die Aberkennung des Status eines Ehrengrabs empfiehlt. Das Staatsschauspiel, hier wurde Ponto 1990 posthum zum Ehrenmitglied ernannt, versah dessen Büste im Theater inzwischen mit einem entsprechenden Hinweis. Auch Carl Gustav Carus geriet wegen seiner rassentheoretischen Schriften von 1849 in die Kritik. Hierzu betont die Historikerin Sack, dass die Kommission bei ihrer Wertung den Blick auf die Habenseite dieser vielseitigen Persönlichkeit nicht außer Acht lässt.
Nun wird mit dem Bildhauer und Maler Richard Guhr ein weiterer namhafter Dresdner Künstler untersucht. Er ist der Schöpfer eines der Wahrzeichen unserer Stadt, des Goldenen Rathausmanns.
Auch das Denkmal Richard Wagners im Liebethaler Grund, das größte seiner Art überhaupt, stammt von ihm. Der Künstler war weit über die Stadtgrenzen bekannt. Guhr schuf die Figurengruppen auf der Carl-Zuckmayer-Brücke in Berlin-Schöneberg, Teile der Innenausstattung des Hotels Adlon oder des Curiohauses in Hamburg. Im Bericht vor der Fachkommission verwies der Doktorand auf antisemitische Äußerungen, die Guhr schon weit vor 1933 zuzuschreiben sind.
Vermutlich wird der Schöpfer des Goldenen Manns seine Würdigung durch ein Ehrengrab verlieren. Die unmittelbaren Folgen sind eher verhalten. Auch ohne Ehrengrab bleibt Guhr für die Stadt eine historische Persönlichkeit. Sein Grab wird darüber also nicht eingeebnet. Auch der Rathausmann bleibt, wo er ist.
Sicherlich findet sich der eine oder andere geschichtssinnige Bürger, der den Bildhauer gelegentlich mit einem Blumenstrauß auf dem Grab ehren wird.