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Carola Pönisch

Brockwitz: Ein Dorf wird angehoben

Brockwitz ist ein über 1.000 Jahre altes Dorf bei Coswig. In den nächsten vier Jahren werden 24 Häuser der Niederseite buchstäblich in den Himmel gehoben. Warum? »Modellprojekt Flutschutz«, lautet die Antwort.
Container zur Rettung des Hausstandes – Bilder wie dieses aus 2013 soll es in Brockwitz nicht mehr geben. Foto: Stadt Coswig

Container zur Rettung des Hausstandes – Bilder wie dieses aus 2013 soll es in Brockwitz nicht mehr geben. Foto: Stadt Coswig

In dem kleinen Brockwitz, rund 15 Kilometer von Dresden entfernt und Ortsteil der Großen Kreisstadt Coswig, wird Zukunft geschrieben. Denn hier soll in diesem Jahr ein Projekt starten, das für ganz Deutschland Modellcharakter hat: Das Projekt Haushebung. Man könnte es auch »Dorfhebung« nennen, denn nicht nur ein Haus soll mittels Pfählen und Zugstangen in die Höhe gedrückt werden, sondern gleich das halbe Dorf, konkret 24 (23) zum Teil denkmalgeschützte Häuser der Brockwitzer Niederseite plus deren Nebengelasse. Und zwei Straßen werden am Ende des Vorhabens auch höher liegen als heute. Flutschutz muss nicht immer Deich heißen Der Grund, warum Brockwitz zum Modelldorf wird, heißt Hochwasser. Jedes Mal, wenn die Elbe zu viel Wasser in ihrem Bett führt und selbiges verlässt, steht die 800 Meter entfernt liegende Niederseite von Brockwitz unter Wasser. Das hat wiederum mit Sedimentablagerungen zu tun, die das Gewässer im Laufe der  Jahrhunderte auf den Elbwiesen  hinterließ und die dazu führten, dass dieser alte Brockwitzer Ortskern heute in einer Senke liegt. Und die läuft bei jedem großen Hochwasser, wie 2002, 2006, 2010 und 2013, eben voll. Bei den beiden Jahrhundertfluten vor 20 und acht Jahren versanken viele Häuser fast bis zum Dach im Wasser. »So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen hier einen dauerhaften Hochwasserschutz«, waren sich nach 2013 nicht nur die Einwohner einig, sondern auch die Stadtverwaltung. Doch schnell war klar, dass ein Deichbau auf der Prioritätenliste sächsischer Deichbauvorhaben sehr weit hinten stehen würde, dass er zudem flächenmäßig sehr groß und ziemlich teuer sein würde. Es war Olaf Lier, Chef des Ordnungsamtes, der sich vehement für die Idee der Haushebung stark machte, der letztlich fünf Hochschulen, viele Institutionen, Umweltschützer, Hydrologen, die Einwohner und mit Thomas de Maizière einen wichtigen Bundespolitiker an einen Tisch holte, auf dem jetzt ein Fördermittelbescheid liegt: 10,2 Millionen Euro von Bund und Land, um den Menschen der Niederseite zu zeigen: Es ist wichtig, eure Häuser in dieser dörflichen, gewachsenen Struktur zu erhalten. Und es ist technisch machbar. Millimeterweise nach oben, das Haus bleibt bewohnt In diesem Jahr, vielleicht im Sommer, könnte es also losgehen mit dem Projekt Haushebung. »Wir fangen mit einem, vielleicht zwei Häusern dieses Jahr an«, sagt Olaf Lier. Dann werden zuerst alle starren Leitungen gekappt und durch flexible Medienanschlüsse ersetzt, danach Pfähle durch die Bodenplatten der Häuser bis tief in die Erde gebohrt, Zugstangen daran befestigt und diese drücken das Gebäude millimeterweise nach oben. Der entstehende Hohlraum wird sofort mit Beton vergossen. Selbst die alten Fachwerkhäuser, die auf Bruchsteinmauern stehen, können angehoben werden.
Rund drei bis vier Tage wird es dauern, bis ein Haus seine neue, flutsichere Höhe erreicht hat. Insgesamt wachsen die Gebäude zwischen rund zwei und vier Metern in den Himmel. Und damit die Brockwitzer danach nicht über »Hühnerleitern« in ihre Häuser gelangen, wird auch das Straßenniveau kräftig angehoben. »Danach erfolgt die Aufschüttung  des umliegenden Geländes und in sechs Jahren sieht der Ortsteil wieder genauso aus wie heute, nur eben ein Stück höher«, sagt Olaf Lier.


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