Seitenlogo
Ulrich Nelles/ck

Tausende können nicht schwimmen

Freital. Rund 10.000 Grundschüler in Sachsen können nicht sicher schwimmen - und Corona ist daran nicht allein Schuld. Um das zu ändern, werden Gutscheine für Nachhol-Kurse angeboten. Aber reicht das aus?

Schwimmen macht Spaß und vor allem auch selbstsicherer.

Schwimmen macht Spaß und vor allem auch selbstsicherer.

Bild: Pixabay

Emil, Richard und Max steigen stolz aus dem Becken im Freitaler Freizeitzentrum Hains. Sie haben es geschafft, zweimal die 25-Meter-Bahn zu durchschwimmen und anschließend noch den Sprung vom Startblock gemeistert. Was man für einen Viertklässler als selbstverständlich ansieht, ist es nicht. Denn durch die Schließungen zu Corona-Zeiten können viele Kinder nicht schwimmen. »Wir haben uns die Kinder angesehen, die nach drei Jahren Schwimmunterricht noch unsicher im Wasser waren und sie in das Nachhol-Programm mit aufgenommen«, erklärt Ulrike Kittel, Sportlehrerin an der Wilhelmine-Reichard-Schule. Die Freitaler Schule hat den vom Kultusministerium angeschobenen Nachholkurs selbst in die Hand genommen, um die Eltern der Kinder zu entlasten.

Im Ministerium hatte man vor zwei Jahren das Nichtschwimmer-Problem erkannt und mit dem Aktionsprogramm »Nachholen nach Corona« und der Ausgabe von Schwimmkurs-Gutscheinen reagiert. Diese beinhalten eine Kostenübernahme bis zu einer Höhe von maximal 120 Euro für die Eltern. Die brauchen dann nur noch einen individuellen Vertrag mit einem Anbieter vor Ort abschließen.

Unter www.schulsport.sachsen.de gibt es eine Übersicht zu den Kursanbietern. In Freital hat sich Lars Tschirner, Ortsgruppenleiter der Wasserwacht, mit Trainern und Übungsleitern intensiv um das Nachholprogramm für die Grundschüler gekümmert. »Wir haben bei rund 350 Kindern erreicht, dass sie sich im Wasser sicher bewegen«, so Lars Tschirner. Er und Ulrike Kittel sind sich aber einig, dass das Programm noch über das Schuljahr 2022/23 hinaus verlängert werden müsste. »Das sichere Beherrschen der Schwimmbewegungen ist noch nicht bei allen gegeben«, so die Sportlehrerin und der Ortsgruppenleiter.

Inzwischen weiß man im Kultusministerium, dass rund 10.000 Grundschüler in Sachsen nicht sicher schwimmen können. Susann Meerheim vom Kultusministerium nennt Zahlen: »Vor Corona hatte man immer so zehn bis 15 Prozent an Nichtschwimmern, also maximal 5.000 Schüler. Das hat sich deutlich erhöht durch Corona auf gut 10.000 Nichtschwimmer.«

 

Die Pandemie ist nicht allein Schuld

Eigentlich sollen Kinder in Sachsen nach der zweiten Klasse mindestens Folgendes können: ins tiefe Wasser springen, 100 Meter weit schwimmen und ohne Hilfe aus dem Wasser klettern. Und auch das macht sie noch längst nicht zu sicheren Schwimmern. Das Problem, dass nicht alle Kinder in der zweiten Klasse das Schwimmen lernen, existierte bereits vor der Pandemie. Die Hauptgründe: Zu wenig Schwimmhallen und zu wenig Lehrkräfte.

Peter Pattke, Präsident des sächsischen Sportlehrerverbands, meint, dass Corona als eine Art Brennglas fungiert habe. »Schon vorher war die normale Absicherung des Schwimm-unterrichts kaum noch möglich, sodass es in der Krisensituation erstrecht nicht funktionierte.« Mit dem Gutschein erkennt Pattke zwar viel guten Willen, aber eine wirkliche Lösung könne die Gutscheinregelung keinesfalls sein: »Es gibt zu wenig Schwimmlehrer und zu wenig Wasserflächen.«

Eltern sollen sich nun um einen Nachhol-Schwimmkurs kümmern oder müssen ihren Kindern selbst das Schwimmen beibringen. Für den Präsidenten des Sportlehrerverbands ist das ein Anzeichen dafür, dass man es hier mit einem gesellschaftlichen Versagen zu tun habe.


Meistgelesen