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André Schramm

Frauke Petry: Keine Partei, kein Problem

Frauke Petry zieht seit Monaten übers Land, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. In Altenberg gings um ihre Partei, das System und den Wahlkreis, um den Klimawandel und Europa.
Frauke Petry nach dem Bürgergespräch in Altenberg. Foto: Schramm

Frauke Petry nach dem Bürgergespräch in Altenberg. Foto: Schramm

Donnerstagabend (7. Februar), Altenberg. Es ist kurz vor halb sieben, als noch fix die Tische der viel zu große Konferenzrunde im obersten Stock des Rathauses zusammengeschoben werden. Acht Leute sind zu Petrys` »blauer Stunde« gekommen.  Am Rand ist Werbeutensil der »Blauen Partei« aufgebaut, eine Unterschriftenliste für die Europawahl liegt dort auch. »4.000 Unterstützer brauchen wir. Wir würden uns freuen, wenn sie unterschreiben«, sagt die Partei-Chefin. "Alles erlaubt" Das Reglement für den Abend ist simpel: alle Fragen sind erlaubt. Den Auftakt macht eine juristische Angelegenheit, die in den letzten Tagen reichlich Schlagzeilen produzierte: Müssen Sie ihre Partei jetzt umbennen, will einer der Gäste wissen. Petry macht ihrem Ärger über die aus ihrer Sicht falsche Berichterstattung dazu Luft. Sie hatte »Die Blaue Partei« samt Logo beim Patent- und Markenamt angemeldet.  Allerdings hatte sich die die AfD zwei Wochen früher »Die Blauen« gesichert. Petry verlor zwar vor dem Münchener Gericht, muss ihre Partei nun trotzdem nicht umbenennen. »Wenn jemand künftig unser Logo oder den Schriftzug beispielsweise für Werbezwecke verwendet, können wir es nicht verbieten«, erklärt sie den Ausgang. Bei einem zweiten Streit in Köln, den Petrys Anwälte gewannen, ging es um die Farbe »blau«, die die AfD Petry verbieten wollte. Wahlkreis: Warum hier? Seit 2017 ist die heute 43-Jährige Wahlkreisabgeordnete, schickte ihren langjährigen Vorgänger in den Ruhestand. Was sie mit den Menschen im Landkreis verbinde, fragt einer. 2017 sei ein schwerer Start in der Region gewesen, sagt sie. Es gab viele Treffen mit Unternehmern und Lokalpolitikern. Es ging um Grenzsicherung, die Bundespolizeiverlegung in Zinnwald, aber auch die Breitbandversorgung u.v.m.. »Ich werde natürlich nicht Förderprogramme in die Region holen können, so wie mein Vorgänger. Diesen Gefallen wird mir die CDU nicht tun. Ich kann aber für Transparenz sorgen, Dinge hinterfragen und so das Beste für die Region herausholen«, erzählt die bald sechsfache Mutter. Dass sie sich ausgerechnet für den Wahlkreis aufstellen ließ, in dem sie gar nicht wohnt und das auch nicht vorhat, begründete sie mit dem rasanten Wachstum, das die AfD in den ersten Tagen hier hinlegte.  "Blaue-Wende": Parteivorzimmer? In ihrer neuen Partei sind die Mitgliederzahlen übersichtlich, liegen knapp unter 200. Umspannt ist die Blaue Partei vom Bürgerforum »Blaue Wende«, das bundesweit 5.000, in Sachsen etwa 1000 Mitglieder zählt. Es sei ein Ort für Menschen, die etwas bewegen wollen – ohne Parteibuch und -strukturen. »Wir haben Leute, die Flyer austragen, aber auch Mitstreiter, die zu bestimmten Themen einen Input liefern«, erzählt sie. Petry macht keinen Hehl daraus, dass ihr das Parteiensystem in Deutschland missfällt.  Nach außen zu wenig Konkurrenz, nach innen zu viel Machtgehabe. »Stellen Sie zehn Menschen in einen Raum. Zwei haben was drauf, die anderen acht nicht.  Sie können sich vorstellen, wie die Sache ausgeht.«  Das unverbindliche Konstrukt dient auch dazu, den Überblick zu behalten, wer sich ggf. für die Partei qualifiziert – ohne böse Überraschungen im Nachhinein erleben zu müssen. »99 Prozent der Menschen in unserem Land sind nun mal nicht in Parteien organisiert, darunter sehr viele fähige Leute«, weiß Petry. Am liebsten sind ihr Menschen, die nicht aus wirtschaftlichen Motiven auf einen Job in der Politik angewiesen sind. Trotz Lithium-Zukunft gibt's Probleme In der abendlichen Runde sitzt auch Altenbergs Bürgermeister Thomas Kirsten. Er müsste eigentlich gut drauf sein. Ein deutsch-kanadisches Konsortium will gleich um die Ecke eine alte Tradition reaktivieren. »In zwei Jahren soll es losgehen. Ich denke, dass das wird«, sagt Kirsten zuversichtlich. 250 Arbeitsplätze würden für den Lithium-Abbau gebraucht. Kirsten ist für ein sensibles Gebiet zuständig, nicht nur weil noch viel Munition überall in der Erde liegt, sondern weil die Natur hier oben zählt. »Ich kann aber der Natur- und Landschaft nicht ständig alles unterordnen«, sagt er mit Blick auf baurechtliche Genehmigungen. So habe ein Unternehmen für 16 Millionen Euro eine neue Werkhalle gebaut und eine halbe Million Euro dafür rausgelegt, um allen Umweltauflagen zu entsprechen. Ein anderes Unternehmen musste auf behördliche Anordnung zwei Tage vor Weihnachten dicht machen. Zuletzt handelte sich das Rathaus viel Ärger ein, weil es eine Petition für die Rettung des Botanischen Gartens im Ortsteil Schellerhau öffentlichkeitswirksam unterstützte. "Das hat gar nichts gebracht", sagt Kirsten. Jetzt muss der Stadtrat sehen, ob er die benötigten 15.000 Euro irgendwie zusammenkratzt.  Sind Sie gegen Europa? Es geht an diesem Abend noch um Landwirtschaft,  braunes Sachsen-Bashing, Klimawandel und erneuerbare Energien. Petry erzählt, dass sie es für einen Fehler halte alle Reaktoren abzuschalten. Die technischen Möglichkeiten, um die Risiken zu senken seien da. Zudem macht es ihrer Ansicht nach wenig Sinn, wenn rund um die BRD alle weiter auf Kernkraft setzen. Wenn sie Schüler in Berlin freitags demonstrieren sieht, bekommt sie Wut und fragt sich, auf welcher Grundlage die da Stimmung machen, und was mit der Schulpflicht eigentlich ist? »Ich weiß bis heute nicht, wie hoch der menschengemachte Anteil am Klimawandel ist. Eine unabhängige wissenschaftliche Expertise gibt´s nicht«, sagt sie. Ist Frau Petry eigentlich gegen Europa? »Nein, ich bin für ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten.« Keine Schablone, sondern Rücksicht auf gesellschaftliche Unterschiede zwischen Ost-, Süd- und Mittel/Nordeuropa nehmen. Nach zwei Stunden ist die "blaue Stunde" vorbei.


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