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sr/asl

Beginn einer Versöhnung

»Erinnerungen - Einsichten - Perspektiven«. Unter diesem Motto soll im September ein Gedenkwochenende anlässlich der Ausschreitungen in Hoyerswerda vor 30 Jahren stattfinden.
Das Denkmal im Zentralpark symbolisiert ein offenes Tor. Der Regenbogen ist Zeichen für Frieden, Aussöhnung und Freundschaft sein. Foto: Silke Richter

Das Denkmal im Zentralpark symbolisiert ein offenes Tor. Der Regenbogen ist Zeichen für Frieden, Aussöhnung und Freundschaft sein. Foto: Silke Richter

Die Worte sind Mahnung und Botschaft zugleich: »Herbst 1991 – Hoyerswerda vergisst nicht – Wir erinnern«. So steht es an dem Denkmal geschrieben, dass 2014 im Neustädter Zentralpark unweit des Verkehrskreisels eingeweiht wurde. Das von der Künstlerin Martina Rohrmoser-Mueller entworfene drei Meter hohe Mahnmal soll ein offenes Tor darstellen. Die Regenbogenfarben sollen Aussöhnung, Freundschaft und Frieden symbolisieren. Im September 1991 beschimpften auf dem Lausitzer Platz alkoholisierte Skinheads Händler aus Vietman. Doch das war nur der Anfang. In den folgenden Tagen weiteten sich die verheerenden Krawalle gegen Ausländer aus. Zwei Neustädter Asylwohnheime mussten unter Polizeischutz evakuiert werden. Die Opfer wurden mit Bussen aus Hoyerswerda weggebracht, um ihre Sicherheit gewährleisten zu können. Über 30 Personen wurden verletzt, während die Zahl der Hetzer, Schaulustigen, Randalierer, Gewalttäter, stillen Beobachter und Ignoranten auf der »anderen Seite« stetig wuchs. Eine hochexplosive Mischung aus Intoleranz, Ausländerhass, Ignoranz und Rechtsextremismus, die ihre eigene Gruppendynamik entwickelte. Es gab auch Hoyerswerdaer, die von den Ereignissen nur in Funk und Fernsehen hörten. Ob es sich bei den Angreifern tatsächlich vorrangig um Nicht-Hoyerswerdaer handelte, so wie es immer mal wieder berichtet wird, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Das ist wohl auch dem Fakt geschuldet, dass, auch heute noch, kaum jemand dabei gewesen sein will. Fakt ist aber, dass die Stadt als Austragungsort der Ausschreitungen in den Fokus von Medien rückte. Septembertage, in denen die ganze Welt auf Hoyerswerda blickte und mit dem Finger auf die Stadt und ihre ausländerfeindlichen Ereignisse zeigte. Ein schweres Stigma, dem viele Einwohner entgegentreten wollen, statt die Ereignisse zu leugnen. Mit Gründung der Initiative Zivilcourage wurde intensive Aufklärungsarbeit über das Schicksal von Migranten und Asylbewerbern geleistet. Aktivitäten für ein friedliches Miteinander werden gefördert und ausgelebt, um langfristig Voraussetzungen für ein gastfreundliches Hoyerswerda schaffen zu können. Oberbürgermeister Torsten Ruban Zeh, der 2000 nach Hoyerswerda zog, hatte, wie er selbst zugibt, im Jahre 1991 mit sich selbst zu tun. Deshalb hatte der gebürtige Dresdner diese Ereignisse in Hoyerswerda auch nicht so aktiv wahrgenommen. Nach seinem Umzug lernte er seine neue Wahlheimat als sehr demokratisch kennen, wie er sagt. »Es wäre das Schlimmste, über die Ereignisse 1991 einfach zu schweigen. Wir müssen die Historie annehmen. Auch sie gehört zur Stadtgeschichte dazu. Alles andere wäre Verdrängung und damit Verleumdung«, erklärt der OB. Erstmals in der Geschichte der Aufarbeitung soll es in diesem Jahr unter dem Motto »Erinnerungen - Einsichten - Perspektiven« ein Gedenk-Wochenende vom 17. bis 19. September geben, bei dem es vorrangig um die Sicht der Opfer gehen soll. »Wir können zwar eine Meinung für die damalige Situation entwickeln, wissen aber nicht, wie es den Betroffenen geht. Woher kamen sie, wie geht es ihnen heute, was ist aus ihnen geworden? Antworten auf diese und weitere Fragen und der gegenseitige Austausch soll an diesen Gedenktagen möglich sein«, schildert Sabine Proksch von der Kulturfabrik. Der Mosambikaner und einstige Vertragsarbeiter Davids Macau, der längere Zeit in Hoyerswerda lebte, hat der Einladung bereits zugestimmt. Weiterhin sind Ausstellungen, Podiumsgespräche mit Bürgermeistern und Vertretern aus Rostock, Mölln und Solingen geplant, in denen später ähnliche ausländerfeindliche Übergriffe stattfanden. Zudem sind ein kritischer Spaziergang durch Hoyerswerda zu den damaligen Schauplätzen, Filme, Gedenkveranstaltungen, Gottesdienste, Buchpremieren und Gespräche mit ehemaligen Vertragsarbeitern aus Hoyerswerda und weiteren Zeitzeugen geplant. »Wir möchten damit Betroffenen ein Podium bieten und damit auch zeigen, dass wir bereit sind kritische Äußerungen auszuhalten«, sagt Olaf Dominick, Büroleiter des Oberbürgermeisters. Der evangelische Pfarrer Jörg Michel brachte es abschließend auf den Punkt: »Das Wochenende soll der Beginn eines Versöhnungsprozesses mit den Opfern sein.« Für das Gedenkwochenende werden Zeitzeugen gesucht. Sie können sich unter Olaf.Dominick@hoyerswerda-stadt.de oder 03571/ 456102 melden.


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