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Was darf Kunst?

Pirna. Sein Gemälde sorgte beim »Tag der Kunst« in Pirna für einen Skandal. Doch wer ist der Künstler Christopher Haley Simpson?
Der Künstler Christopher Haley Simpson steht nach seinem Kunst-Spaziergang  durch Pirna vor seinem »Ampel-Gemälde« und erklärt seine Kunst.

Der Künstler Christopher Haley Simpson steht nach seinem Kunst-Spaziergang durch Pirna vor seinem »Ampel-Gemälde« und erklärt seine Kunst.

Bild: Daniel Förster

Noch vor dem »Tag der Kunst« 2023 in Pirna sorgte ein Gemälde, welches getreu dem diesjährigen Motto »Zwischenwelten« zum Nachdenken anregen sollte, für große Aufregung. »Durch die Ampel, mit der Ampel, für die Ampel – zwischen kaiserlicher Macht und ein Kesselbuntes voll Sachzwangspolitik«, so der Titel des vom Künstler Christopher Haley Simpson geschaffenen Werkes.

 Auf der Acrylskizze auf Leinwand befindet sich in der Mitte eine Ampel in vertauschter Reihenfolge. Sie zeigt drei Politiker aus der Zeit des Nationalsozialismus: Hermann Göring (grün), Joseph Goebbels (gelb) und Adolf Hitler (rot). Über der Ampel ist Kaiser Wilhelm II. und unter ihr der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, abgebildet. Links der Ampel sind im Dreiklang Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit »Regenbogen-Spritze«, Wirtschaftsminister Robert Habeck mit »Windrad« sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner mit »Blume« dargestellt. Rechts der Ampel folgen dann noch Bundeskanzler Olaf Scholz mit »blutiger Gratis-Bratwurst«, Außenministerin Annalena Baer-bock mit »visionärem Auge auf der Stirn« und die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, mit »Panzerfaust«.

Das Kunstwerk sollte ursprünglich zum »Tag der Kunst« in einer Straßengalerie in der Schmiedestraße aufgehängt werden. Doch schon kurz nachdem es angebracht worden war, kam es zu Beschwerden von Anwohnern und Nachbarn. Der Vorwurf: Es sei antisemitisch. Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke ordnete daraufhin die Abhängung des Gemäldes an und sagte dazu: »Kunst hat ihre Freiheiten. Aber Göring, Goebbels und Hitler vor dem Hintergrund des Sonnensteins völlig unkommentiert zu zeigen, das geht nicht. Gerade dieser Ort zeigt auf ganz bittere Art und Weise, dass Menschen dazu fähig waren, im faschistisch ideologischen Wahn Millionen in Gaskammern zu treiben und umzubringen.« Als das Ordnungsamt dann das Gemälde entfernen wollte, kaufte eine Gastwirtin das Bild und hängte es in ihrem Hof öffentlich auf.

Der Künstler: Christopher Haley Simpson

Beim Besuch in seinem Wehlener Atelier zeigt sich ein nachdenklicher und tiefgründiger Künstler Christopher H. Simpson, dessen künstlerisches Oeuvre eine große Bandbreite, von realistisch bis abstrakt, kubistisch, impressionistisch, expressionistisch und viele weitere Stile umfasst. Er »befasst« sich auch mit den Themen, die er »anfasst«. So ist er wohl der einzige Künstler, der alle noch lebenden Aktivisten der »Gruppe der 20« in Großporträts darstellte und die Gemälde zudem mit Interviews untermalte. Er selbst bezeichnet sich als »Geschichts- und Porträtmaler«, geht dabei auch Themen wie die Maidan-Proteste von 2014 an.

Der 1964 im englischen Lancaster geborene Simpson unternahm noch während seines Kunststudiums in Oxford 1985 eine Studienreise in die DDR, für deren Kunst er sich interessiert. Darauf aufbauend absolvierte er von 1987 bis 1988 ein Gaststudium an der HfBK Dresden. In dieser Zeit entstand auch seine Monografie über Werner Tübke. So entschied er sich, in Dresden zu bleiben und konnte hier die Wendezeit auch auf Montagsdemos miterleben. Die Landschaft seiner Träume fand er aber später in der Sächsischen Schweiz. In Wehlen kaufte er 2010 ein Haus, das er als Kunst- und Gästehaus »Schützenhaus« aufbaute.

Als Künstler sieht er sich in der Pflicht, auch Dinge kritisch zu betrachten. Er wird auch weiter den Finger in die Wunde legen, wenn er politisch-gesellschaftliche Fehlentwicklungen sieht. Auch plant er, seinem »Ampel«-Gemälde eine zweite, diesmal englische Version, hinzuzufügen. Auch weitere Kunstaktionen sind geplant. Doch ist unsere heutige Gesellschaft überhaupt noch fähig, sich selbst kritisch zu hinterfragen? Wie weit darf eigentlich Kunst (noch) gehen und wer legt die Grenzen fest?


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