

Seit einigen Monaten berät Marina Biller im Rahmen eines neuen Projekts Senioren, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Die Fälle, die ihr dabei unterkommen, sind verschieden. Ein Problem sind natürlich die stark gestiegenen Kosten. »Viele Menschen haben durch die Wende einen Bruch in der Erwerbsbiographie und dadurch eine kleine Rente«, sagt die Schuldnerberaterin. Da kommt es vor, dass das Geld plötzlich nicht mehr zum Leben reicht. Gerade wenn Menschen im Alter nicht mehr mobil sind, wird es für sie schwer, sich entsprechende Hilfe zu holen. Hier setzt die »Sozialräumliche Soziale Schuldnerberatung für Seniorinnen und Senioren« an.
Gefördert vom BMUV wurde das Pilotprojekt an zehn Standorten von der Diakonie Deutschland initiiert. Einer davon ist Ebersbach-Neugersdorf. Zwei neue Stellen wurden dazu bei der Diakonie Löbau-Zittau geschaffen, Schuldnerberaterin Marina Biller und Verwaltungsfachkraft Cornelia Müller helfen seit Juli. Das Projekt richtet sich in erster Linie an Seniorinnen und Senioren, die nicht mehr mobil sind. Die Beraterin besucht die Menschen dazu in ihrem Zuhause. Aber auch jüngere Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, können über das Projekt Hilfe bekommen.
Diese Form der Beratung bringt natürlich einen hohen Aufwand mit sich. Und der ist nicht nur aufgrund der aktuell steigenden Kosten nötig. »Wir haben beispielsweise auch einen Herrn in der Beratung, der eine sehr gute Rente bezieht, aber schlicht den Überblick über seine Finanzen verloren und deswegen Rechnungen nicht mehr gezahlt hat«, sagt Marina Biller. Die Hilfe ist dementsprechend von Fall zu Fall unterschiedlich. So wissen viele Bürger gar nicht, welche Leistungen ihnen zustehen. Also wird geprüft, ob beispielsweise Wohngeld oder Grundsicherung eine Option sind und die dann gegebenenfalls beantragt.
Auch Gänge zum Anwalt und Gericht werden für die Ratsuchenden miterledigt, wenn es nötig ist. Das kann unter anderem dann der Fall sein, wenn das Geld fehlt, weil man auf Betrüger hereingefallen ist. Auch da landete bereits ein besonders krasser Fall auf dem Tisch der Schuldnerberaterin. Bei einem älteren Ehepaar hatten sich vermeintliche Vertreter gemeldet. Die wussten, dass das Paar in eine Reihe mit Nachbildungen von historischen Büchern investiert hatte. Das ist an sich als Wertanlage schon durchaus fragwürdig. »Bücher und Faksimiles sind als Wertanlage nicht zu empfehlen – das sollten Verbraucher sowohl beim Kauf als auch beim Weiterverkauf bedenken«, rät Rebecca Bergmann von der Verbraucherzentrale. Sie könnten nur ganz selten zu dem Preis weiterverkauft werden, zu dem sie erworben wurden, so die Juristin. »Wirklich wertvolle Faksimiles werden nicht an der Haustür verkauft.«
Die Masche der Betrüger war es dann im konkreten Fall, vorzugaukeln, dass es einen Interessenten gebe, der die komplette Reihe kaufen wolle. Die Rentner müssten jetzt nur noch die fehlenden Bände anschaffen, dann könnten sie die komplette Sammlung mit Gewinn weiterverkaufen. Die Betrüger wussten auch genau, welche Bände fehlen. Der für den Kauf nötige Kredit wurde natürlich gleich mit angeboten und so waren schnell fünfstellige Beträge weg. Pro Band wohlgemerkt. Damit endete der Betrug aber nicht. Irgendwann flatterte das Angebot des angeblichen Käufers ins Haus. Knapp 240.000 Euro wollte der laut dem Schreiben für die Buchreihe hinblättern. Alles natürlich frei erfunden. Vor dem Verkauf sei eine Kaution fällig. Also nahmen die betagten Eheleute noch einen Kredit auf. Am Ende waren sie über 100.000 Euro los.
Ob das Paar das Geld wiedersieht, steht in den Sternen. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. »Ich rate Kindern und Enkelkindern dazu, regelmäßig mit den Eltern oder Großeltern über solche Betrugsmaschen zu sprechen«, sagt Marina Biller. Denn das beste Gegenmittel ist es, am Telefon einfach aufzulegen und an der Haustür dankend abzulehnen und niemanden in die Wohnung zu lassen. »Ich rate Betroffenen auch dazu, die eigene Telefonnummer zu ändern«, sagt die Schuldnerberaterin. Denn wer einmal angebissen hat, den behelligen die Gauner immer wieder.
Ausgerichtet ist die Sozialräumliche Soziale Schuldnerberatung für Seniorinnen und Senioren aktuell auf das Gebiet des ehemaligen Landkreises Löbau-Zittau. Beraten wird also von Ostritz bis Oppach und Löbau bis Oybin. Wer nicht in das Einsatzgebiet fällt und trotzdem anruft, wird an andere Beratungsstellen vermittelt. Finanziert ist das Projekt zunächst bis August 2025. Man versucht aber schon jetzt, es zu verlängern, weil der Bedarf da ist. Wichtig ist vor allem eins: Ganz egal, wie Schulden zustande gekommen sind, man sollte sich rechtzeitig Hilfe suchen und das Problem nicht wegschieben. Dass das nicht leichtfällt, ist klar. Das Schamgefühl ist groß. Deswegen ist die Beratung nicht nur kostenfrei, sondern selbstverständlich auch vertraulich.
Geplant sind neben der Beratung auch regelmäßige Veranstaltungen. Die erste findet am 23. Januar in der Volkshochschule in Löbau statt. Dabei geht’s um das Thema »Geld sparen im Alter«. Dort werden verschiedene Leistungen wie Wohngeld, Grundsicherung und Hilfe zur Pflege erläutert und erklärt, wer Anspruch hat und wie man sie beantragen kann. Außerdem gibt es Tipps zum Schutz vor Betrug und Abzocke. Wer teilnehmen will, sollte sich vorher anmelden. Die Anmeldung ist bis 22. Januar möglich. Die Kontaktdaten stehen am Ende dieses Textes.
Weitere Veranstaltungen zum gleichen Thema sind in Zittau, Ostritz, Seifhennersdorf und Oppach geplant. Bereits fest stehen zwei Veranstaltungen am 7. Februar von 14 bis 15.30 Uhr im Wohnpark Spreequelle in Ebersbach-Neugersdorf und am 22. Mai von 15.30 bis 17.30 Uhr im Treff Nº 47 in Ebersbach-Neugersdorf.
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