Tony Keil

Über 1600 Unterschriften für den Bürgerentscheid

Weißwasser. Für einen möglichen Bürgerentscheid zum Beitritt der Stadt zum Wasserzweckverband wurden Unterschriften gesammelt. Die werden jetzt geprüft, der Stadtrat befasst sich in seiner nächsten Sitzung mit dem Thema.

Um den Beitritt der Stadt Weißwasser zum Wasserzweckverband (WZV) »Mittlere Neiße-Schöps« gab es lange Diskussionen. Im Juni entschied sich der Stadtrat mit zehn zu fünf Stimmen bei fünf Enthaltungen dafür. Doch das letzte Wort war damit noch nicht gesprochen. Mitte August zeigten Jörg-Manfred Schönsee und Enrico Jung bei der Stadt eine Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren an. Damit wollen sie erreichen, dass über die Frage per Bürgerentscheid entschieden wird.

 

Über 1600 Unterschriften kamen zusammen. Nötig gewesen wären bis zum Stichtag am 8. September 709. „Von dem Ergebnis sind wir überwältigt. Es zeigt, dass sich viele Weißwasseraner für das Thema interessieren und hier mitbestimmen möchten“, sagt Enrico Jung. Am 6. September wurde das »Pro Stadtwerke - fairer Wettbewerb zugunsten unserer Bürger« betitelte Bürgerbegehren bei der Stadt eingereicht. Jetzt hoffen die Macher auf Informationsveranstaltungen, damit alle Fakten auf den Tisch kommen. „Das ist einer unserer Hauptkritikpunkte. Wir wollen Unterlagen und belastbare Zahlen sehen“, sagt Enrico Jung. Er kritisiert, dass es zu dem Thema keine Einwohnerversammlung gab. Schließlich steht in der Sächsischen Gemeindeordnung, dass allgemein bedeutsame Gemeindeangelegenheiten mit den Einwohnern erörtert werden sollen. „Zu diesem Zweck soll der Gemeinderat mindestens zweimal im Jahr eine Einwohnerversammlung anberaumen“, heißt es dort.

 

Wie geht’s jetzt weiter?

 

Die Abgegebenen Listen mit den Unterschriften werden jetzt im Rathaus geprüft. Dabei schaut man unter anderem, ob Name und Adresse stimmen und ob die Personen aus Weißwasser sind. „Über die Zulassung des Bürgerbegehrens und damit den Start eines Bürgerentscheids entscheidet der Stadtrat in seiner Sitzung am 27. September“, teilt die Stadtverwaltung mit. Man stehe auch mit der Rechtsaufsicht des Landkreises in Kontakt, um den weiteren Verfahrensweg abzuklären und so die entsprechende Beschlussvorlage für den Stadtrat vorbereiten zu können.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens fällt zunächst der Stadtrat. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben, muss er es für zulässig erklären. Lehnt der Stadtrat ab, kommt die Rechtsaufsicht des Kreises ins Spiel, die dann nochmals über die Zulässigkeit entscheidet. Ist das Bürgerbegehren zulässig, muss der Bürgerentscheid innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden.

 

Bürgerbegehren ein Jahr zu spät

 

Oberbürgermeister Torsten Pötzsch hat im Haupt- und Sozialausschuss und im Bau- und Wirtschaftsausschuss Mitte September zu dem Thema informiert und seine Sicht klargestellt. So sei ein Bürgerbegehren „ein gutes und wichtiges Mittel in der Demokratie, um wichtige Themen der Menschen zu thematisieren und die Politik zu verpflichten, sich mit den Themen und Meinungen auseinanderzusetzen.“ Das aktuelle Bürgerbegehren komme aus seiner Sicht aber ein Jahr zu spät.

 

Er räumt ein, dass sich der Stadtrat meist im nichtöffentlichen Teil der Sitzungen mit dem Thema befasst hat. Das sei aus Gründen des Datenschutzes, der Betriebsgeheimnisse und der offenen Diskussion geschehen. Trotzdem war seit gut zwei Jahren öffentlich bekannt, dass über die Konzession neu entschieden werden muss und es auch eine interkommunale Option gibt. Bürger hätten sich also jederzeit für weitere Informationen und Diskussionen an ihre gewählten Vertreter wenden können, so der OB. Bürger hätten außerdem, ebenso wie Stadträte, Einwohnerversammlungen zu dem Thema fordern können. „Für mich ist der Zeitablauf deshalb kritisch, weil das Bürgerbegehren gestartet wurde, als alle anderen Beschwerden, Klagen, Prüfungsaufforderungen gegen die Stadt, die Entscheidung und den Beschluss vor den Aufsichtsbehörden von Landkreis und Land gescheitert sind“, so der OB. Er sei davon überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger die Chancen und Risiken der Entscheidung einschätzen können.

 

Unsicherheit bringt Mitarbeiter emotional an Grenzen

 

Die Stadtwerke begrüßen einen möglichen Bürgerentscheid zum Thema. Auf Nachfrage schreibt man, dass es äußerst wichtig sei, „dass die richtigen Fakten auf den Tisch kommen.“ Als Beispiel nennen die SWW den Wasserliefervertrag, der die Konditionen für die Bürger absichert. Zu dem Thema hat das Unternehmen eine Klarstellung auf seiner Website veröffentlicht, weil aus Sicht der SWW falsche Darstellungen in den Medien kursierten.

 

Während jetzt der Bürgerentscheid nochmal alles auf den Kopf stellen könnte, laufen die Planungen für den möglichen Beitritt der Stadt zum WZV natürlich, schließlich geht es darum, dass ab 2023 eine kommunale Gesellschaft die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung übernehmen soll. Die wiederrum müsste Mitarbeiter von den Stadtwerken per Betriebsübergang übernehmen. „Seitens des WZV gibt es immer noch keine verbindliche Zusage zum Betriebsübergang. Es erfolgt dort nach wie vor eine Detailprüfung hinsichtlich der notwendigen Anzahl an Mitarbeitern“, so die Stadtwerke.

 

Auch der Betriebsrat der Stadtwerke begrüßt einen möglichen Bürgerentscheid. Die Entscheidung zum Beitritt der Stadt zum Wasserzweckverband sei aus Sicht des Betriebsrats nicht mit der für ein so komplexes Thema nötigen Transparenz getroffen worden. „Für die Belegschaft ist das Jahr 2022 ein Schicksalsjahr, welches unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter emotional an ihre Grenzen bringt. Die unsichere Situation hat inzwischen ein Ausmaß angenommen, in dem sich alle endlich nach klaren Strukturen mit Sicherheiten für sich selbst und ihre Familien sehnen“, teilt der Betriebsrat mit. Man wünsche sich konstruktive Gespräche zwischen allen Beteiligten, um für die Stadt, für das Umland, für die Bürgerinnen und Bürger und für die Stadtwerke die wirtschaftlich beste Lösung zu finden. „Es hätte nie zu so großen Unsicherheiten und somit auch nicht zu einem Bürgerentscheid kommen müssen, wenn vorab auf Augenhöhe und fair verhandelt worden wäre.“

 

Bürgerbegehren und Bürgerbescheid

 

Das Bürgerbegehren ist der Antrag auf einen Bürgerentscheid. Er muss schriftlich bei der Gemeinde eingereicht werden. Das Bürgerbegehren muss in Sachsen von mindestens fünf Prozent der wahlberechtigten Bürger der Gemeinde unterzeichnet sein. Auch ein Gemeinderat kann entscheiden, dass zu einem bestimmten Thema ein Bürgerentscheid durchgeführt wird.

Ist das Bürgerbegehren samt nötiger Unterschriften eingereicht, wird es auf Zulässigkeit geprüft. Ist es zulässig, muss der Bürgerentscheid binnen drei Monaten durchgeführt werden. Dann können alle wahlberechtigten Bürger ihre Stimme abgeben, die Mehrheit entscheidet. Allerdings muss diese Mehrheit nach Sächsischer Gemeindeordnung mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten betragen.


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