Wie haben sich Lockdowns und 2G- und 2Gplus-Regel aufs Geschäft ausgewirkt? Wir haben bei Händlern und Gastronomen im Landkreis Görlitz nachgefragt, wie die aktuelle Lage ist.
Für diesen Text haben wir viele Händler und Gastronomen gebeten, uns einige Frage zu beantworten. Das ging schriftlich, oder auf Wunsch auch telefonisch. Einfach Termin nennen, der WochenKurier ruft an. Der Großteil antwortete nicht oder sagte ab. Eine Mail fasst zumindest einen Grund dafür gut zusammen: »Mich schon mit diesen Themen gedanklich zu befassen, geht mir mental sehr an die Substanz« schreibt uns darin ein Händler. Er sei finanziell und mental von der schon zwei Jahre andauernden Situation schwer betroffen und versuche da irgendwie durchzukommen.
Einige Gesprächspartner fanden wir aber. Steffi Duntsch vom Mode Express in Görlitz erzählt uns, dass die Zahl der Kunden und damit auch der Umsatz zuletzt um 50 Prozent niedriger waren als vor Corona. »Es gab Samstage, da haben wir 100 Euro eingenommen«, sagt sie. Normal wäre das Zehnfache. Eine auf 450-Euro-Basis beschäftigte Mitarbeiterin musste sie entlassen. Jetzt ist man noch zu zweit. Auch die Öffnungszeiten hat sie eingekürzt, weil durch 2G zuletzt einfach nicht genug Kunden kamen. Die 2G-Regel war bei unserem Gespräch im Januar in einigen Bundesländern schon gekippt worden, aber »Sachsen fällt eben nichts Anderes ein«, so Duntsch. Auch die Umsetzung, genauer die nicht gemachten vorgaben, stoßen ihr sauer auf. Sie lasse sich die Nachweise zeigen, ob die gefälscht sind, könne sie aber gar nicht erkennen. Auch, dass man statt auf 3G auf 2G setzte, versteht die Geschäftsinhaberin nicht.
Zur Erklärung: Die Gespräche zu diesem Artikel fanden vor der Ankündigung des Freistaats statt, im Handel von 2G auf 3G umzuschwenken. Seit 6. Februar gilt im Handel 3G.
Bürgerhaus Niesky: Ein Drittel weniger Umsatz
Auch das Bürgerhaus Niesky hat mit Corona zu kämpfen und das auf mehreren Feldern. Restaurant, Hotel, Großküche, Veranstaltungen: Alles eingeschränkt oder gar nicht möglich in den vergangenen zwei Jahren. »Der Umsatz ist um über ein Drittel zurückgegangen, das ist schon eine ordentliche Kerbe«, sagt Geschäftsführer Jörg Kalbas. 2020 und 2021 unterschieden sich dabei kaum, beide Jahre waren gleich schlecht. Den größten Teil des Umsatzes macht die Küche, auch das Hotel lief durch viele gewerbliche Übernachtungen einigermaßen, das konnte die noch größeren Verluste in den anderen Bereichen in der Gesamtbilanz etwas abmildern, etwa bei den Veranstaltungen, wo der Umsatzrückgang über zwei Drittel betrug. Dazu kommt, dass es für das Bürgerhaus als kommunalem Unternehmen keine staatlichen Hilfen gibt.
In der Belegschaft habe es Abgänge gegeben, die aber mit Corona nichts zu tun hatten, sagt der Geschäftsführer. »Gekündigt haben wir niemandem.« Kurzarbeit habe es sowohl 2020 als auch 2021 gegeben. Stand Januar 2022 war aber niemand in Kurzarbeit. Auch Jörg Kalbas ist der Ansicht, dass schon ein Wechsel von 2G bzw. 2Gplus auf 3G helfen würde und auch vertretbar sei. »Wir bekamen es auch immer wieder von Menschen zu hören, dass sie keine Lust haben, trotz Impfung oder Genesung noch ins Testcenter zu gehen«, sagt Kalbas. Also blieben sie ganz weg. Das auch bei 2Gplus nicht jeder einen Testnachweis braucht, wisse nicht jeder.
Dass das Bürgerhaus bald ganz die Pforten schließt, ist aber nicht zu befürchten. Da es eine städtische Gesellschaft ist, gleicht die GWG die Verluste aus. Auch die komplette Schließung eines Bereichs, etwa des Restaurants, ist nicht angedacht. »Aber das wir Öffnungszeiten verkürzen, könnte passieren«, so der Geschäftsführer.
Sorge: Schaden für lokalen Handel
Bei der Keramik Löbau Bau GmbH, die neben dem Handwerksbereich auch Fachmärkte für Raumgestaltung und Heimtextilien betreibt, brach der Umsatz um zwölf Prozent im Vergleich zu den Jahren vor Corona ein. Dass es nicht mehr war, sei auch der langjährigen Stammkundschaft zu verdanken, die die Einkäufe verlagert habe, als geschlossen war, und dann einfach später gekauft habe, teilt Junior-Chef Robert Eichler mit. Auch Click & Collect sei gut gelaufen, auch wenn der Aufwand dabei für Kunde und Verkäufer natürlich höher sei.
So musste man auch niemandem kündigen und es sei aktuell auch kein Mitarbeiter in Kurzarbeit (Stand 25. Januar). Überbrückungshilfen gab es für das Unternehmen, bürokratisch sei das aber sehr aufwendig gewesen. Ohne ein Steuerbüro sei es schwierig, schätzt Robert Eichler ein. »Die Hilfen reichen aus meiner Sicht rein zum Erhalt der Unternehmung nicht aus, hier ist die Kreativität des Unternehmers gefragt«, so Eichler. Als Existenzbedrohend schätzt er die Lage aktuell nicht ein.
Aber er hat die Sorge, dass der »kleine feine Handel« in Städten und Dörfern nachhaltig stark geschädigt wird und sich der Einkauf noch stärker zum Internethandel verschiebt. Man versuchte, kleine Unternehmer zu unterstützen. Ein Beispiel: Ein Händler aus Löbau, der in zwei Ladengeschäften und auf Märkten Haushaltswaren und ähnliches anbot. »Der konnte von heute auf morgen ja gar nichts mehr machen«, sagt Robert Eichler. Da er den Inhaber kannte und um seine Fähigkeiten wusste, vergab er Handwerksaufträge an den Mann. »So konnte er als Selbstständiger bei uns Geld verdienen«, so Eichler. Die Geschäfte gibt es trotzdem nicht mehr.
Erster Lockdown brachte 70 Prozent Umsatz-Rückgang
»Uns hat Kurzarbeit den Hintern gerettet«, sagt Michel Holtzheuer. Er ist zusammen mit Roland Mitschke Geschäftsführer der expert Oberlausitz GmbH, die die beiden Filialen in Niesky und Weißwasser betreibt. Im ersten Lockdown lag der Umsatz-Rückgang bei 70 Prozent, im zweiten bei 45 Prozent. Das der Umsatzrückgang in der zweiten Zwangspause etwas moderater ausfiel, liegt an den Überbrückungshilfen. Die gab es im ersten Lockdown für das Unternehmen nicht. Man behalf sich mit einem Kredit der SAB. Und eben mit der Kurzarbeit. Ohne die wäre es wohl existenzbedrohend geworden, so Holtzheuer. Alle 26 Mitarbeiter waren zwischenzeitlich auf Kurzarbeit Null (im Januar 2022 war aber niemand mehr in Kurzarbeit). Nur die Chefs und die Azubis, die nicht in Kurzarbeit können, schmissen den Laden.
»Wir haben uns dann stark aufs Online-Geschäft fokussiert«, sagt Michel Holtzheuer. Dort sei aber der Gewinn schlechter. Click & Collect habe ordentlich funktioniert, vor allem, weil durch Homeoffice und Homeschooling die Nachfrage groß war. Normales Tagesgeschäft könne das alles aber nicht komplett ersetzen. Zwischen 22. November 2021 (Einführung 2G im Einzelhandel) und 22. Januar 2022 lag der Umsatzrückgang bei 15 Prozent im Vergleich zu den Jahren vor Corona. Eine Änderung auf das 3G-Model wird aus seiner Sicht etwas helfen, so Holtzheuer. Aber der Kontrollaufwand und damit die hohen Lohnkosten bleiben auch dann.
Er sieht Elektrofachmärkte als Geschäfte, die Waren des täglichen Bedarfs anbieten und die damit von der 2G- bzw. jetzt 3G-Regel ausgenommen werden sollten. »Was machen sie denn, wenn der Kühlschrank kaputtgeht? Wo bekommen sie denn schnell einen neuen her«, fragt er. Damit in so einem Fall Lebensmittel nicht weggeschmissen werden müssen, braucht es den Händler vor Ort. Viele Menschen arbeiten außerdem im Homeoffice. Wenn da Rechner oder andere Technik ausfallen, gibt es anders als im Büro eines großen Unternehmens keine Zweitgeräte. Es muss Ersatz her.