

Wer einen Neujahrsempfang besucht, weiß, worauf er sich einlässt. Es gibt ja in der Juristerei den Begriff der objektiven Vorhersehbarkeit, der im Wesentlichen besagt, das man allein aufgrund der Lebenserfahrung mit einem bestimmten Verlauf der Dinge rechnen muss. Folglich war am 2. Februar allen der rund 200 Gäste, darunter neben Landrat Udo Witschas auch 40 Vertreter aus dem medizinischen Bereich, klar, was sie auf dem Kamenzer Neujahrsempfang im Ratssaal erwarten würde: eine opulente Festrede des Oberbürgermeisters Roland Dantz, zahlreiche Ehrungen, ein dem Anlass entsprechend gediegenes Musikprogramm. Aber weil Kamenz‘ OB auch jemand ist, der sich mitunter gegen die Vorhersehbarkeit solcher Events stemmt, kam der neujährliche Empfang dieses Mal ein wenig anders daher. So staunten die Besucher nicht schlecht, als sie auf ihren Plätzen Schokoriegel fanden, wohl gedacht, um mögliche Längen des Abends mit einem süßen Snack zu überbrücken, sorgte die Band »Fünf an der Feier« für einen flotten Sound, überraschte der gut aufgelegte OB am späteren Abend mit der Vorstellung eines besonderen Gastes.
40 Millionen Euro Haushaltsvolumen
Wie sehr sich Dantz bemühte, ein wenig vom Prozedere der Neujahrsempfänge zurückliegender Jahre abzuweichen, zeigte sich auch daran, dass der erste Bürger der Lessingstadt beim Bilanzieren des abgelaufenen Jahres keine Faktenflut auf die Gäste niedergehen ließ, sondern es nur bei ein paar prägnanten Zahlen beließ, die deutlich machen sollten, dass die Stadt - wirtschaftlich gesehen - Anlass zu großen Hoffnungen gibt. So verwies er auf die 40 Millionen Euro Haushaltsvolumen, die man umgesetzt habe, auf das Gewerbesteuervolumen, das man 2023 mit 22,7 Millionen Euro abschloss. Dantz: »Das gab es in Kamenz noch nie.« Auch erwähnte er die Entwicklung des Verkehrslandeplatzes, wo in den nächsten Jahren ein Gewerbegebiet entstehen wird. Beim Ausblick auf 2024 wies Dantz darauf hin, dass das Stadttheater ab Mitte dieses Jahres aufgrund von Sanierungsarbeiten geschlossen sei. Geplante Kosten: rund 1,7 Millionen Euro. Im Frühjahr 2025 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Auch am Rathaus wird in den nächsten Monaten kräftig gewerkelt. Die Ostfassade müsse dringend saniert werden, erklärte Dantz. Schließlich soll sich das altehrwürdige Gebäude am Marktplatz den Besuchern im nächsten Jahr, zur 800-Jahr-Feier, optisch wieder im besten Lichte präsentieren. Was die Anwohner der Pulsnitzer Straße freuen dürfte: Dort geht die Kopfsteinplasterzeit dem Ende entgegen. Der zwischen Roter Turm und Fabrikstraße gelegene Straßenabschnitt erhält in diesem Jahr eine neue Asphaltdecke.
Landrat Udo Witschas verbreitete ebenfalls optimistisch machende Botschaften. Wies darauf hin, dass die Region in den kommenden Jahren wirtschaftlich prosperieren werde. In diesem Zusammenhang erwähnte er das geplante Bauforschungszentrum in der Lausitz. Witschas: »Junge Menschen werden bei uns immer bessere Entwicklungsmöglichkeiten bekommen.« In seiner Rede erwähnte er den neuen Bundeswehrstandort in Bernsdorf-Straßgräbchen. Hier soll in den nächsten Jahren eine Kaserne für 800 Angehörige eines Logistikbatallions gebaut werden. Witschas: »Damit werden im weiteren Umfeld weitere Arbeitsplätze geschaffen.« Witschas sprach von bis zu 4.000 Jobs.
Ehrenmedaille für 20 Bürger
Viel Zeit wurde an diesem Abend auch den Männern und Frauen gewidmet, die sich ehrenamtlich engagieren. 20 Bürger wurden mit der Ehrenmedaille der Stadt ausgezeichnet. Nachdem sich dieser »Auszeichnungsparcours« (Dantz) dem Ende zuneigte, stellte der OB einen jungen Mann vor, der sich auf einem Parcours bestens auskennt. Für diesen, so Dantz, sei 2023 »ein besonderes Jahr« gewesen, eines, in dem er »eine Weltbestleistung« erbracht habe, so Kamenz‘ OB und begrüßte Marvin Jüngel. Der 21-Jährige, der in Kamenz-Hausdorf lebt, hatte im vergangenen Mai überraschend das 92. Deutsche Spring-Derby in Klein Flottbek gewonnen, diesen schweren Parcours fehlerfrei bewältigt und mit seinem Sieg in Hamburg den Sprung in die weltbeste Reiterelite geschafft. Es gab langanhaltenden Beifall, als der Siegesritt des Kamenzers noch einmal gezeigt wurde. Anschließend durfte sich Jüngel ins Goldene Buch der Stadt eintragen.
Nach mehr als zweieinhalb Stunden, als Bratengerüche bereits durchs Rathaus waberten, lockte das Büfett, da war er dann Geschichte, der Neujahrsempfang 2024.