

Ein Freitagabend im Juni. Gegen 18.30 Uhr stehen Bernd Kordisch und Oliver Timm in der zehn Quadratmeter kleinen Towerkanzel, schauen hinunter auf den Flugplatz. Keine Flugbewegung, nichts los. Vor den Hangars parken zwei einmotorige Kleinflugzeuge. Kordisch schaut auf die Uhr. Wird sie tatsächlich kommen? Für 21 Uhr war Sarah Connor, die bekannte deutsche Popsängerin, angekündigt worden. Kommt gelegentlich vor, dass Promis auf dem Kamenzer Flugplatz landen, auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel schwebte seinerzeit hier ein.
Eigentlich ist im Kamenzer Tower vieles anders als erwartet. Was hatte man auf dem Weg dorthin für Vorstellungen gehabt: dass man auf dem 25 Meter hohen Tower angespannt auf Monitore schaut, Tastaturen und Uhren leuchten, eine angespannte konzentrierte Stimmung herrscht, dass die Fluglotsen in der Nacht arbeiten... Stopp. Zum einen wird auf dem Kamenzer Flugplatz normalerweise nachts nicht gearbeitet, der Tower ist von 9 bis 20 Uhr besetzt, in den Sommermonaten richtet sich der Feierabend nach dem Sonnenuntergang. Anders die Betriebszeiten des Flugplatzes: Fliegen ist hier ganzjährig von sechs bis 22 Uhr möglich. Und wichtig, als man den Arbeitsplatz der drei Mitarbeiter nach dem Erklimmen von 78 Stufen erreicht hat: »Wir sind keine Fluglotsen, sondern Betriebsleiter«, erklärt Bernd Kordisch, der seit drei Jahren auf dem Tower arbeitet. Bis vor zwei Jahren habe man sich noch Flugleiter nennen dürfen. Dann sei diese noch aus der NS-Zeit bestehende Berufsbezeichnung bundesweit abgeschafft worden. Im Übrigen, so Kordisch, »passt Betriebsleiter sowieso besser zu unserem Job, weil wir Flüge nie wirklich ›geleitet‹ haben«. Im Gegensatz zu Fluglotsen dürfen Betriebsleiter den Piloten keine Anweisungen geben, nur Infos oder Hinweise, darauf weist der 54-Jährige hin. Der Zuständigkeitsbereich der Betriebsleiter sei ebenfalls klar abgrenzt, betreffe nur den Bereich des Flugplatzgeländes.
»Hier muss man ein Allrounder sein«
Kordisch, ein ehemaliger Instandhaltungsmechaniker, kam zufällig zu diesem Job. Damals hörten einige Tower-Mitarbeiter aus Altersgründen auf, suchte der vom Fliegerclub Kamenz betriebene Flugplatz Betriebsleiter - und fand mit Kordisch und Timm (55) zwei neue Mitarbeiter. Der 54-jährige Jörg Schmieding arbeitet erst seit drei Wochen hier, kam vom Welzower Flugplatz, ist jedoch von den Dreien derjenige, der über die größte Erfahrung in diesem Job verfügt. Und was machen Kordisch und Co. sonst noch, wenn nicht gerade Segel- oder Motorflieger, Ballons oder Drohnen starten oder landen? Nun, neben dem Funkverkehr müssen sie sich um die Infrastruktur am Flugplatz kümmern, Kontrolltätigkeiten durchführen. Dazu gehört auch, die 1.100 Meter lange und 28 Meter breite Betonpiste sowie die danebenliegende, etwa gleichlange und knapp 40 Meter breite Grasbahn, zu prüfen und abzufahren, schauen, ob dort etwas herumliegt. Büroarbeiten gehören auch dazu, schließlich muss jeder Pilot Landeentgelte im Tower bezahlen. Die reichen in Kamenz von zwei Euro (Segelflieger) bis hin zu 170 Euro für Flieger mit einem maximalen Abfluggewicht von bis zu zehn Tonnen. Dazu müssen alle Starts und Landungen sowie die Flugzeugtypen erfasst werden. »Hier muss man ein Allrounder sein«, erfährt man im Tower. Aber der größte Teil der Arbeit mache halt der Funkverkehr aus. »Die Piloten bekommen alle wichtigen Infos über unseren Platz«, so Timm. Welche weiteren Flugzeuge sich im An- oder Abflug befinden, wie die Windverhältnisse sind. Rund 20.000 Flugbewegungen - dazu gehören Starts und Landungen - zählt der Flugplatz Kamenz jährlich (an manchen Tagen sind es weniger als zehn, an anderen mehr als 100). Hier ist mehr los als in Dresden-Klotzsche, wo 2024 rund 19500 Flugbewegungen registriert wurden.
Hobby und Arbeit verbinden
Die größte Maschine, die seit der Wende auf dem Kamenzer Flugplatz gelandet sei, sei mal eine zweimotorige DC-3 gewesen, einer der sogenannten Rosinenbomber, erzählt Kordisch. Der wenig später zum Fernglas greift, das »brauchen wir hier ständig«. Er beobachtet einen Segelflieger, der sich angekündigt hatte, nun im weiten Bogen um den Tower fliegt, um wenig später sanft auf der Graspiste zu landen. An dem Juni-Abend genießt Kordisch mit seinen Kollegen den 360-Grad-Rundblick aus dem Fenster der Towerkanzel. Es ist ein Job, der für das Trio eine Art Berufung ist. Alle sind vom Fliegen fasziniert, haben Pilotenscheine, können ihre Tätigkeit gut einordnen. In diesem Job könne man das Hobby prima mit der Arbeit verbinden. Und, dass man hier Promis erleben kann, komme auch nicht alle Tage vor, meint Kordisch.
Gegen 21 Uhr ist es soweit, fährt Connors Entourage vor. Ihr Flieger wartet bereits. Von hoch oben schaut das Trio zu, wie alle zügig das Flugzeug besteigen. Wenig später hebt die einmotorige Maschine mit dem Popstar ab. Um kurz vor 22 Uhr ist dann Feierabend im Tower.