

Irgendwie ist es ein wenig wie annodazumal. Das Klappern der schweren Hufe auf dem Kopfsteinpflaster, das mit Bierfässern beladene Fuhrwerk, welches an diesem Donnerstagmorgen vor dem Radeberger »Kaiserhof« hält. Kutscher Jörg Schroll zieht die Zügel an, die beiden Pferde bleiben schnaubend stehen. Elvis und Erkan, die beiden Kaltblutpferde, schütteln kurz die Köpfe, stehen dann geduldig am Straßenrand. Sie lassen sich fürs Bier gerne einspannen, sind die stärksten Mitarbeiter der Radeberger Exportbrauerei. Fünf Gaststätten werden heute mit frischem Gerstensaft beliefert. Erste Station der Kutscher Jörg Schroll und Torsten Beckert ist die Gaststätte »Pilsfaß« auf der Hauptstraße. Fotoshooting auf dem Kutschbock Auf der Kutsche ist Platz für bis zu 32 50-Liter-Fässer. An diesem Tag brauchen die Rheinisch-Deutschen Kaltblüter sich nicht so stark ins Geschirr zu legen, denn das Fuhrwerk ist nur halb beladen. Auf dem Weg durch die engen und steilen Straßen der Radeberger Innenstadt sieht man am Straßenrand viele freudig-lächelnde Gesichter. Fotoshooting ist für die beiden auf dem Kutschbock angesagt. Touristen zücken Smartphones und Kameras. Hinter dem Fuhrwerk warten geduldig Autofahrer. Für die Kutscher begann der Tag früh. Um halb sieben gab es Heu für die Vierbeiner, anschließend wurden die Rösser gestriegelt und geputzt. Sechs Kaltblutpferde besitzt das Wachauer Fuhrunternehmen Trepte, heute dürfen die beiden Routiniers, die 18-jährigen Elvis und Erkan, die Bierkutsche ziehen. Seit gut 150 Jahren werden die Bierstadt-Wirte mit frischem Fassbier per Pferdekutsche beliefert. Gegenwärtig sind es in Radeberg rund 20 Gaststätten, die auf diesen historischen Lieferservice setzen. Der von etlichen Brauereien in Deutschland nach wie vor gepflegt wird. Auch in der Lausitz. Ob in Eibau, Görlitz, Löbau oder Wittichenau, statt ausschließlich auf Bierlaster zu setzen, setzen auch die dort ansässigen Brauereien auf Pferde, halten somit eine alte Brautradition aufrecht. In Zeiten des Klimawandels ist so ein Pferdefuhrwerk im Übrigen ein schadstoffarmes Fortbewegungsmittel. Zehn Kilometerpro Lieferfahrt Der 56-jährige Kutscher Jörg Schroll lenkt seit zehn Jahren die Bierkutsche durch Radeberg. Seinen Job mag er sehr, Pferde sind seine Leidenschaft. Er und Beckert gehören seit vielen Jahren zum Straßenbild der Stadt. Vom Marktplatz geht es nun hinunter zur Wasserstraße. Eigentlich sind die Rösser »Schrittpferde«, wie es Kutscher Schroll bezeichnet. Aber jetzt geht es im Trab voran. Erkan liebt es schneller, wechselt kurz in den Galopp. Das stakkatoartige Klackern der Hufe verebbt, als Schroll vor einer Kreuzung sanft die Zügel anzieht. Kaltblüter haben ein braves Gemüt, die beiden bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Ein Motorrad röhrt heran, überholt. Die Pferde, sie bleiben cool. »Solche Geräusche kennen die«, meint Schroll. In der Röderstraße hält das Fuhrwerk. Die Bremse wird angezogen, das Gefährt um ein Bierfass und zwei Kisten Selters erleichtert. Kommen die Pferde auf so einer Stadtrunde ins Schwitzen? Selten. Die rund 900 Kilogramm schweren Rösser sind fit. Merkt man. Die Bewegung tut ihnen gut, auf so einer Lieferfahrt kommen bis zu zehn Kilometer zusammen. Letzte Station ist an diesem Tag eine am Rande der Stadt gelegene Gaststätte. Danach geht es zurück auf den Brauereihof. Elvis und Erkan spüren, dass Feierabend ist, dass es bald Futter gibt. Danach geht es in den Transporter, später in den Stall. Am frühen Abend gönnen sich die Kutscher dann ihr wohlverdientes Feierabendbier.