Matthias Stark

Bei Radeberger gärt es

Radeberg. Mit einer dritten Streikwelle setzen die Beschäftigten in Sachsens Brauereien ein deutliches Zeichen: Schluss mit Billiglöhnen im Osten.
Die Beschäftigten der Radeberger-Gruppe fordern mehr Lohn, wollen nicht mehr die »Billig-Brauer« sein.

Die Beschäftigten der Radeberger-Gruppe fordern mehr Lohn, wollen nicht mehr die »Billig-Brauer« sein.

Bild: Matthias Stark

Den Auftakt machen die Beschäftigten der Leipziger Sternburg-Brauerei. Es folgen dann zeitnah die Kolleginnen und Kollegen im Freiberger Brauhaus, der Radeberger Exportbierbrauerei sowie der Krostitzer Brauerei. Auch in der Wernesgrüner Brauerei und bei den Logistikern des Carlsberg-Konzerns in Wernesgrün werden die Bänder stillstehen.

Hintergrund ist ein bislang erfolgloser Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Arbeitgeberseite. In der letzten Verhandlungsrunde legten die Brauerei-Besitzer erneut kein Angebot vor, obwohl die Forderungen der NGG klar auf dem Tisch liegen: ein Tarifvertrag für ein Jahr, 7 Prozent mehr Lohn, mindestens 300 Euro monatlich zusätzlich, 100 Euro mehr für Azubis sowie Kostenübernahme für ein Jobticket. Auch über Boni für Gewerkschaftsmitglieder und eine Berufsunfähigkeitsversicherung soll verhandelt werden.

 

Ost-Beschäftigte seit Jahrzehnten benachteiligt

 

»Wer im Osten Bier braut, bekommt im Jahr oft über 8.000 Euro weniger als Kolleginnen und Kollegen im Westen, bei gleicher Arbeit«, sagt Uwe Ledwig, NGG-Verhandlungsführer für Ostdeutschland. Selbst nach 35 Jahren deutscher Einheit sei keine Besserung in Sicht. Die Arbeitgeber verweisen auf »historische Gründe«, eine Argumentation, die Ledwig als nicht mehr hinnehmbar bezeichnet: »Oder sollen Ossis einfach Ossis bleiben?«

Beispiele für die Ungleichbehandlung gibt es genug: In Berlin, ebenfalls Standort der Radeberger Gruppe, fehlen im Jahr rund 4.000 Euro im Vergleich zu West-Kollegen. Im Rostocker Betrieb sind es sogar mehr als 11.000 Euro. Und auch dort wurde bei der ersten Verhandlung kein faires Angebot vorgelegt.

 

Millionen Flaschen bleiben ungefüllt

 

Die Gewerkschaft NGG erhöht den Druck. In den ostdeutschen Betrieben des sogenannten »Brau-Kombinat Ost« sind nach Gewerkschaftsangaben bereits rund 60 Schichten ausgefallen. Mehr als 40 Millionen Flaschen Bier konnten nicht abgefüllt werden. Die Streikmaßnahmen treffen damit das Herz der Produktion. Kein Zufall, denn die sechs ostdeutschen Brauereien der Radeberger Gruppe (Teil des Oetker-Konzerns) stehen für über die Hälfte des gesamten Ausstoßes der Unternehmensgruppe, rund 5,3 Millionen Hektoliter jährlich.

Der nächste Verhandlungstermin für Sachsen ist der 14. August. Dann, so Ledwig, könnten die Brau-Unternehmer endlich zeigen, dass sie es mit den sozialen Werten ernst meinen, die sie auf ihrer Homepage versprechen. Bis dahin dürften jedoch noch weitere Fässer und Flaschen ungefüllt bleiben und die Geduld der Beschäftigten weiter auf die Probe gestellt werden.


Meistgelesen