Rainer Könen

Auf in den historischen Kampf

Kamenz. Die Oberlausitzer Landsknechte zeigen nicht nur auf Märkten und Festen, wie das Leben zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges war. Die Kamenzer machen auch bei Reenactments mit.
Bei den Wallensteintagen, einem historischen Stralsunder Volksfest, mit dem die gescheiterte Belagerung der Stadt durch die kaiserlichen Truppen  unter Albrecht von Wallenstein im Jahr 1628 gefeiert wird, sind die Oberlausitzer Landsknechte oft mit dabei.

Bei den Wallensteintagen, einem historischen Stralsunder Volksfest, mit dem die gescheiterte Belagerung der Stadt durch die kaiserlichen Truppen unter Albrecht von Wallenstein im Jahr 1628 gefeiert wird, sind die Oberlausitzer Landsknechte oft mit dabei.

Bild: privat

Die Schlacht beginnt in der Mittagszeit. Kanonendonner schallt über das Schlachtfeld. Vielen Oberlausitzer Landsknechten rinnt der Schweiß übers Gesicht. Ein Signal, die Männer stapfen los. Truppen von Pikenieren rücken vor, Reiter preschen durch die Reihen, Musketiere bringen sich in Stellung, Schüsse fallen, Schreie sind zu hören, während Fahnenträger zum Takt der Trommler und Pfeifer über das Schlachtfeld marschieren.

An einem Wochenende wie diesem tauchen Stefan Seibt und seine Oberlausitzer Landsknechte ins 17. Jahrhundert ein. Es ist kein echter Kampf, an dem sich der Kamenzer Historienverein im bayrischen Breitenbrunn beteiligt, vielmehr ist es ein sogenanntes Reenactment, eine nachgestellte Schlacht aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648). Nachzuspielen, wie sich in jenen Jahren in Mitteleuropa protestantische und katholische Truppen an den Kragen gingen, ist ein Hobby, dem in Deutschland schätzungsweise 500 solcher historischer Vereine nachgehen. Die 35-köpfige Kamenzer Landsknechtgruppe gehört mit dazu. Der 46-jährige Stefan Seibt, im normalen Leben Bereichsleiter des Kamenzer Ordnungsamtes, ist Chef dieser bunten Landsknechttruppe.

Seit 2008 präsentiert sich der Verein auf Märkten, Festen und historischen Veranstaltungen. Nicht nur in der Lausitz, in ganz Deutschland und auch im benachbarten Ausland. Im Fokus steht das Leben in der Frühen Neuzeit, während des Dreißigjährigen Krieges. Mit allem, was dazu gehört: Feldlager, Handwerk, Kostümen, Schaukampf und Musik.

Seibts Landsknechte nehmen an den oft von vielen tausenden Zuschauern besuchten Schaukämpfen im holländischen Grolle oder am Weißen Berg in Prag teil, und wenn alljährlich zur Eroberung der Festung Königstein durch die schwedischen Truppen aufgerufen wird. Seibts Augen glänzen, wenn er von seinem Hobby erzählt. 2008 habe er auf dem Nossener Schlossfest erstmals ein historisches Lager miterlebt. Das fand er so faszinierend, das er noch im selben Jahr mit sechs weiteren Kamenzern den Verein »Oberlausitzer Landsknechte« gründete. Mittlerweile zählt die Gruppe knapp 35 Mitglieder. Männer und Frauen, die sich für die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges interessieren, diese Zeit bei Stadtfesten und historischen Spektakeln aufleben lassen. Ganz wichtig: »Wir wollen alles so authentisch wie möglich nachgestalten«, erklärt Seibt. Kleidung, Waffen, auch das Handwerk. Alle nehmen ernst, was sie tun. Jede Naht, jeder Knopf, jedes Teil der Rüstung, die Waffen, jedes Stoffmuster an der Kleidung muss historisch belegt sein. Die Kosten für sein historisches Outfit: Weit über 1.000 Euro. Und wenn der Kamenzer in den Kampf zieht, hat er einiges zu tragen. Das Gewicht seiner Rüstung, einschließlich Schwert und Axt, liege bei etwa 40 Kilogramm, so Seibt. Der im Verein die Rolle des Hauptmanns Stefan Karlsson innehat, Befehlshaber eines Grünen Regiments ist, einem der bekanntesten schwedisch-protestantischen Regimenter jener Zeit, die damals vom Schotten Sir John Hepburn angeführt wurden.

Seibt ist mit seinen Landsknechten in den vergangenen Jahren bundesweit herumgekommen. Man habe sich in der Szene einen Namen gemacht, erklärt er. Erwähnt Städte wie Stralsund, Breitenbrunn oder Lützen. Städte, in denen vor über 400 Jahren große Schlachten stattfanden. Auch in »unserer Gegend ist im Dreißigjährigen Krieg einiges passiert«, so Seibt weiter. Keine großen Auseinandersetzungen, die schwedischen und kaiserlichen Truppen seien jedoch mehrmals durch die Lausitz gezogen, hätten Angst und Schrecken verbreitet. Eines stellt Seibt aber klar: »Wir wollen mit unserem Tun keineswegs den Krieg verherrlichen.« Vielmehr wolle man Geschichte lebendig darstellen, zeigen, wie es damals war, das Leben der Landsknechte, der Handwerker, Musiker und Marketenderinnen. Um einen anderen, intensiveren Blick auf das Leben in jener Zeit zu bekommen.

Das während des Dreißigjährigen Krieges für die Menschen »unvorstellbar hart« gewesen sei. Jeder Tag sei ein Kampf ums Überleben gewesen. Seibt: »In dieser Zeit hätte ich nicht leben wollen.« Vermutlich hätte »ich da keine Woche überlebt«.

So ist Seibt jedes Mal froh, nach einem solchen Wochenende wieder in seinen Alltag zurückkehren zu können. Immer in der Erwartung, das die Vergangenheit ihn bald erneut rufen wird. Ihn und seine Oberlausitzer Landsknechte.

Weitere Infos zum Vereinsleben unter www.oberlausitzer-landsknechte.de


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