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Alles beginnt im Kopf – Warum wir wieder positiver denken sollten

Lausitz. Ein Kommentar von Michael Harig, Landrat a.D. des Landkreises Bautzen.
Michael Harig

Michael Harig

Bild: Jessica Grossmann

Das Frühjahr – oder besser gesagt: die erste Jahreshälfte – bietet oft Gelegenheit Freunde und Familie zu treffen. Anlässe gibt es reichlich. So die Feiertage wie Ostern oder Pfingsten bis hin zu Feiern, wie sie beispielsweise anlässlich von Konfirmation oder Jugendweihe zur guten Tradition gehören.

Man freut sich, sich wiederzusehen und tauscht sich an reich gedeckter Tafel aus. Über das persönliche Befinden, erlebte oder geplante Urlaube, die Lebenssituation von Eltern und Kindern, über Haustiere, Krankheiten und die Politik. Letzteres ist regelmäßig eine Art Klagelied. Preise, Sicherheit, Migration, die Haltung zu Kriegen und Krisen, die Kosten der Pflege oder die Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt.

Alles schlecht und ungerecht – was sind das nur für Zeiten?

Stimmt man in diese Melodien ein, hat man seine Ruhe. Vertritt man eine andere oder differenziertere Meinung, dann kann es schwierig werden. Schnell bist du der Außenseiter.

Im April verbrachte ich mit meiner Frau einen Campingurlaub im europäischen Ausland. Camper finden schnell zueinander. Bekanntschaften, teilweise Freundschaften, entstehen schnell durchs gemeinsame Interesse. Einer dieser neuen Bekannten erkrankte plötzlich recht schwer. Wir wollten natürlich Hilfe holen – ein Notarzt und ein Krankenwagen mussten her. An der Rezeption wurden wir ob dieser Forderung nahezu ausgelacht: »Das ist hier nicht so wie in Deutschland oder Österreich wo die Rettung, also der Rettungswagen und im Zweifelsfalle der Hubschrauber kommt. Es muss schon eine latente, sichtbare Lebensgefahr vorliegen.« Es wurde, Gott sei Dank, eine Lösung gefunden, es konnte noch rechtzeitig Hilfe geholt werden.

Unabhängig davon, geht mir das Erlebte nicht aus dem Kopf. Kann es sein, dass wir bei aller berechtigten Kritik an dem Einen oder Anderen das Große und Ganze aus den Augen verlieren, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen? Jungen Menschen kann ich das nicht verübeln, die kennen nichts anderes. Wir aber, die wir die Zeit der deutschen Teilung und teilweise das Davor bewusst erlebten, sollten uns doch erinnern. Erinnern, u.a. an den technischen Zustand von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen, Straßen, Rettungswagen, Feuerwehren oder Sportanlagen.

Natürlich war nicht alles schlecht – und heute ist bei weitem nicht alles gut. Gleichwohl leben wir wohl in der glücklichsten Epoche, die dieser Landstrich jemals gesehen hat.

Wir haben eine neue Bundesregierung. Eine andere Politik wird in Aussicht gestellt. Fehlentwicklungen sollen korrigiert werden. Erfolg wird sich jedoch nur einstellen können, wenn wir wieder bereit sind, positiver zu denken, an eine gute Zukunft zu glauben. So wie die Generationen vor 80 Jahren nach Kriegsende. In einer Zeit, die ausweglos schien – und in der dennoch Wege gefunden wurden. Wege, die durch Miteinander, Willen und ein Ärmel hochkrempeln zu einem Leben führten, welches die Grundlage unseres heutigen Seins darstellt.

Alles fängt im Kopf an. Junge Menschen werden durch ihr Umfeld geprägt. Auch deshalb sind die Dinge beim Namen zu nennen – ohne aber das Kind mit dem Bade auszuschütten. Das Glas ist halb voll oder leer. Ich persönlich neige zu Ersterem.

»kommentiert:« läuft immer donnerstags, 6.50 und 14.45 Uhr, im LAUSITZWELLE Radio über UKW und DAB+ und als Video auch im LAUSITZWELLE Fernsehen in der Drehscheibe Lausitz. Alle Kommentare sind jederzeit bei www.lausitzwelle.de sowie auf youtube.com/LAUSITZWELLE abrufbar.


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