Birgit Branczeisz

So wird Weinböhla jetzt zum Piwi-Land

Weinböhla/Radebeul. Schloß Wackerbarth legt neuen Weinberg an. Trotz kühlerer Lage.

Die GPS-gesteuerte Pflanzmaschine schafft die Zeile in ein paar Minuten und zeilengebau. Zwei Weinbauer füllen im Takt die Setzling ein – in wenigen Stunden sind 1,4 Hektar mit 5.500 jungen Rebstöcken gepflanzt. »Früher hätten wir die Fläche ausmessen, auszeilen und die Jungreben per Hand setzen müssen – das hätte mehrere Tage gedauert«, sagt Martin Junge, Leiter Kommunikation bei Schloß Wackerbarth. Mit dem Neuaufreben folgen die Radebeuler Winzer ihre ganz eigene Maitradition – das Setzen neuer Reben. Schloß Wackerbarth pflanzt in diesem Jahr ganz besondere Jungreben auf einem Weinberg in Weinböhla.
An der Köhlerstraße wachsen künftig die beiden pilzwiderstandsfähigen Sorten »Blütenmuskateller« und zum ersten Mal in Sachsen auch »Merlot Khorus«. Mit dieser Neupflanzung testet das Sächsische Staatsweingut, wie sich die beiden modernen Piwi-Sorten im hiesigen Klima entwickeln und welches Potenzial sie für den Weinbau im Elbtal zukünftig haben. Damit wird Weinböhla Piwi-Land.
Der Weinberg, der eher ein Feld ist, zeichnet sich eher als kühle Lage aus, erklärt Weinbauleiter Tillmann Neumeister. Keine einfache Fläche für die Winzer, denn oberhalb Tennisplatzes befindet sich eine sogenannte Kaltluftschneise. Die Piwi-Sorten kommen auch damit gut zurecht - und wenn es doch Nachfröste drohen, wie am Tag der Pflanzung, dann werden die schön größeren Weinstöcke mit Feuern von Feldrain aus geschützt. Wie in einem Kamin wird die Luftschicht so über den Wein abgezogen.

Vorher standen hier Weihnachtsbäume

An der Köhlerstraße standen 16 Hektar Weinreben. Daß sie zur Jahrtausendwende gerodet wurden, lag allerdings weder am Wetter noch am Boden, sondern sie waren schlicht unwirtschaftlich geworden. Die Rebstöcke standen in Einzelpfahl-Erziehung, nicht im Drahtrahmen und ließen sich so nur aufwendig bearbeiten. Seit 2012 wuchsen stattessen Weihnachtsbäume – bewirtschaftet von Robert Kleinstäuber im Auftrag von Schloß Wackerbarth. Erst 2018 wurde mit dem Solaris wieder der erste Wein aufgerebt, diesmal am Draht.
Der aromatische Blütenmuskateller entstand 1947 und wächst heute unter anderem in Österreich auf einer Fläche von über 123 Hektar – erfreut sich aber auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Die weiße Rebsorte ist eine Kreuzung aus den Sorten »Severnyj« und »Muscat Blanc«. Sie treibt spät aus und ist weniger anfällig für Spätfröste. Im Glas zeigt sich der fruchtige Weißwein mit einem feinen Blütenduft und Aromen von Muskat. »Merlot Khorus« entstand vor etwas mehr als 20 Jahren in Italien aus dem Merlot, einer der weltweit beliebtesten Rotweinsorten. Die Neuzüchtung ist wie der »Blütenmuskateller« sehr widerstandsfähig gegen Frost und wird heute bereits vereinzelt im Schweizer Kanton Tessin angebaut. Im Glas zeigt sich der »Merlot Khorus« als fruchtbetonter Rotwein.
Die 4.000 Blütenmuskateller-Reben und 1.500 Merlot Khorus-Jungreben sind noch gut geschützt gegen Nachtfröste. Eine Schicht aus Schutzwachs umhüllt die kostbaren Austriebe. Das Wachs schmilzt und die Augen drücken in etwa zwei bis drei Wochen durch. Doch bevor die neuen Sorten ihr volles Potenzial im Glas zeigen können braucht es Zeit und Geduld.
In den ersten drei Jahren steht der Aufbau eines kräftigen und gesunden Rebstocks im Vordergrund. Er ist die Grundlage dafür, dass die Reben über Jahrzehnte den gewünschten Ertrag und die hohe Qualität liefern. Im Herbst 2029 kann Schloß Wackerbarth erstmals die roten und weißen Trauben der jetzt neu gepflanzten Stöcke ernten.
Was alle resistenten Sorten hier gemeinsam haben ihre Wurzeln. Die kommen wie einst die gefürchtete Reblaus aus Amerika und sind besonders widerstandfähig gegen den Schädling gezüchtet. In Europa sind sie Pflicht. »Alle haben amerikanische Wurzeln«, so Junge.


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