Birgit Branczeisz

Zeiss: Mädels traut Euch!

Dresden. Junge Frauen bekommen IT-Award für tolle Projekte.

44 exklusive Arbeiten aus der IT, von 35 Universitäten und Institute, aus 34 deutsche Städte - von Bewerberinnen aus neun Herkunftsländern - und am Ende vier Gewinnerinnen, die sich über den diesjährigen Zeiss-Woman-Award 2022 freuen dürfen. So die nüchternen Zahlen. Es ließe sich auch so erzählen: Thuy Linh Jenny Phan (26) ist in Schlema als Eltern vietnamesischer Gastarbeiter geboren und heute strahlende dritte Preisträgerin des Zeiss-Woman-Award. Die ersten Jahre in der Schule waren für Thuy Phan nicht leicht. Im Elternhaus wird nur vietnamesisch gesprochen, sie kämpft sich durch. Sie will Betriebswirtschaft lernen, um später in das Restaurant ihrer Eltern in Chemnitz einzusteigen. Doch schnell merkt sie, das Einzige, was ihr Spaß macht, ist das Modul Programmierung & Datenbanken. "Also bin ich zur Informatik gewechselt", sagt sie bescheiden.

Jetzt macht sie ihren Master in angewandter Informatik an der HTW Dresden, sie ist Welcome-Tutorin und hat "nebenbei" eine Arbeit eingereicht, "die uns staunen lässt", so die Moderatorin der Preisverleihung - Inkeri Klomsdorf von Zeiss. Im wahren Leben, wie Inkeri Klomsdorf erzählt, arbeitet sie selbst mit ihrem Team an digitalen Cloud-Plattformen fürs Gesundheitswesen, in Telemedizin und KI für Diagnostik. Sie kann die "tollen Arbeiten" der jungen Frauen beurteilen und ist selbst ein gutes Beispiel, was man erreichen kann, wenn Firmen Frauen in Führung und IT fördern, wie sie sagt - und auch ein Beispiel was Frauen wählen, wenn sie kein Vorbild haben. Die selbst studierte zuerst BWL und hat tatsächlich die ersten zehn Jahre im Personalwesen gearbeitet und ist so zu Zeiss gekommen. Nach drei Jahren wurde ihr der Weg in die Technik geebnet.

Heute hat sie ihr "Herzblut" in der IT gefunden, lacht sie. Diese bemerkenswerten Karrieren der noch so jungen Frauen lassen sich fortsetzen. Da ist die Zweitplatzierte Lisa Ihde, die wie die Juroren sagen mit "positiver Sturheit" ihren Weg gegangen ist. Sie absolviert ein Masterstudium IT-Systems Engineering an der Digital Engineering Fakultät der Universität Potsdam und des Hasso Plattner Institut Potsdam. Und sie hat schon drei Programmierbücher für Kinder geschrieben, gibt selbst Lehrveranstaltungen. Ihr Fazit: "Ich habe das Gefühl, ich mache, was ich als Kind gern gehabt hätte". Der erste Platz mit 10.000 Euro geht an Meike Naute, Doktorandin an der University of Twente in Holland und am Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin am Universitätsklinikum Essen. Im Ehrenamt organisiert sie Workshops an Schulen als "Botschafterin für Frauen in MINT-Berufen". Ihre Masterarbeit wurde 2018 mit herausragenden Noten (10/10) bewertet und als beste IT-Masterarbeit der Niederlanden ausgezeichnet. Mit einem Sonderpreis wird Kristin Freudenberg von der Hochschule Zittau/Görlitz geehrt - eine echte Powerfrau mit zwei kleinen Kindern.

Vonwegen "nix für Mädchen"

Sie hat es fertiggebracht in der ersten Babypause ein Informatikstudium mit der Note 1,2 hinzulegen und in der zweite Baby-Auszeit ihren Master und "dann noch in Quantencomputing", so Inkeri Klomsdorf lachend. "Welche Frauen wollen wir sehen?" Die, die tolle Leistungen vollbracht haben, klar - aber auch die, die im privaten Leben Vorbild sind - das ist der Ansatz der Zeiss-Stiftung. Denn es gibt sie, diese tollen jungen Frauen in der IT. Inkeri Klomsdorf : "Warum machen wir das? Nur was man sehen kann, kann man sich in einem Bild vorstellen - damit auch ein Vor-Bild, dem man nacheifern kann." Nacheifern, das ist auch für Zeiss lebenswichtig. Frauen sind noch die große Ressource, wenn es um Fachkräfte geht. Eine Studie der Uni Erfurt besagt, dass 70 Prozent von ihnen an MINT-Berufen interessiert sind. 40 Prozent trauen es sich aber nicht zu. 34 Prozent haben keine Vorbilder in diesen Berufen. Dabei braucht es Männer und Frauen, um die ganze Gesellschaft in all ihren Facetten in der künstlichen Intelligenz abzubilden.

Elke Büdenbender, Gattin des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, möchte als Schirmherrin des Zeiss-Woman-Award diese tollen jungen Frauen in der IT für andere sichtbar machen: "Ich glaube an die Macht von Geschichte und ich glaube daran, dass Ermutigung und Phantasie verführend werden, wenn ich Menschen kenne, die etwas machen was ungewöhnlich ist." Sprüche wie "das ist nix für Mädchen" dürfte es gar nicht geben. Kinder sollten schon in der Kita offene Möglichkeiten haben zu spielen und Büdenbender ermutigt z.B. auch Männer, als Erzieher zu arbeiten. Jungs brauchen auch männliche Vorbilder. Sie ist daher auch Schirmherrin der Initiative "Klischeefrei". Außerdem gehöre Digitale Bildung unbedingt als Pflicht auf den Lehrplan. Allerdings: Wenn dieses Unterrichtsfach jetzt käme, würden die 10.000 Informatiklehrer nicht ausreichen - mindestens 27.000 bräuchte es, rechnet Dr. Felix Streiter vor, GF der Carl-Zeiss-Stiftung. 183 Studiengänge führen dorthin, mit und ohne Referendariat, klassisch oder im Quereinstieg. Eine Studie zeigt jetzt alle Wege, wie so ein Einstieg gelingen kann.

Dass ihr ins Leben gerufener Woman-Award noch heute derart aktuell ist, konnte sich Viola Klein vielleicht vor über zwölf Jahren nicht vorstellen. Vor 30 Jahren baute sie ein IT Unternehmen auf und wunderte sich, dass egal wohin sie kam, nur Männer saßen. "Wo sind denn die ganzen Frauen geblieben", habe ich mich damals gefragt. Viola Klein ging den Gedanken weiter: Wie finden wir die Frauen überhaupt? Der erste Woman-Award war noch an der TU Dresden und ausschließlich für die TU Dresden. Nach und nach kamen Firmen hinzu, heute wird der Preis deutschlandweit ausgeschrieben.

 

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