

Gunther von Hagen's "Körperwelten" sind zurück in Dresden. Nach dem die faszinierenden Einblicke in den Menschen zuletzt 2014 in Dresden zu sehen waren, ist die neuen "Köperwelten - Am Puls der Zeit" eine Deutschlandpremiere. Bis 4. September zeigt Plastinator Dr. Gunther von Hagens unzählige neue Präparate von Herz, Nervenbahnen und Kniegelenk, bis hin zum ganzen Menschen wie die Seiltänzerin, den Fußball-Torwart oder den Maler an der Leinwand. Und nein, es werden eben keine "Leichen" gezeigt, sagt Prof. Dr. Franz Josef Wetz nachdrücklich. Das ist ihm wichtig. Wetz begleitet die Körperwelten seit Jahren philosophisch-ethisch. "Hier verwest nichts, hier riecht nichts und es gibt keine einzige Pose, die einer Leiche ähnelt. Das ist keine Totenfeier, wir zelebrieren das Leben ", sagt Wetz. Ob von Hagen damit Effekthascherei betreibe? "Ja, na und?", so Wetz. Und zwar in dem Sinne, dass er Menschen erreichen, berühren will. Nicht indem er Menschen tot zur Schau stelle. Diese Verlebendigung fand bei Anatomen von je her künstlerisch statt. Schon der erste Anatomie-Atlas vom Menschen von Andreas Vesalius wurde von einem Tizian-Schüler gemalt, mit römischen Landschaften im Hintergrund und in ästhetischen Posen. Das haben wir in den letzten zwanzig Jahren auch gelernt, so die Kuratorin Dr. Angelia Whalley über inszenierte Wissenschaft. Denn die ersten Plastinate, übrigens in Japan gezeigt, wirkten wie rein anatomische Modelle - das habe die Besucher tatsächlich etwas gegruselt.
"Das bin ich"
Die Menschen in Alltagssituationen zu stellen, beim Sport, bei der Arbeit, weckt im Betrachter das Gefühl: "Das bin ich!" Diese Faszination, sich selbst zu spiegeln, weckt Ehrfurcht vor dem großen Rätsel Leben - in all seiner Vergänglichkeit. Dieses Einmalige hält die Ausstellung fest, eingedenk krank Werdens und Alterns. Persönliche Angaben fehlen daher völlig an den Exponaten - mit Absicht. "Denn es geht nicht um Einzelschicksale, dann wären wir genau das - ein Friedhof, ein Ort des Gedenkens", so Prof. Wetz. Der Einzige, von dem der Besucher wohl erfährt, woher er kam, ist der übergroße Elefant. Er starb ganz natürlich im Neunkirchener Zoo im Saarland. Was dann passiert? Der Köper wird mit Formalien vor der Verwesung geschützt, die Proteine bleiben vernetzt. Dann kommen die Präparatoren zum Zug, die in einem Vakuum-Verfahren jeder Zelle das Wasser entziehen und mit Siliconen auffüllen. "Nur die Augen sind schwierig", erklärt Kuratorin Dr. Whalley. Weil die getrübt sind, sobald in ihnen das Licht des Lebens erlischt, werden meist Glasaugen eingesetzt oder aber - wenn der Augapfel erhalten wird - nur die Iris ausgetauscht. Die Iris bestimmt bekanntlich die Augenfarbe und ist so einzigartig wie ein genetischer Fingerabdruck, vielleicht wird sie auch deshalb entfernt. Fakt ist, wir Menschen sind evolutionär darauf getrimmt unserem Gegenüber in die Augen zu schauen. Ein trübes Auge würde uns irritieren.
Über das eigene Leben nachdenken
Was beim Menschen gut 1.500 Arbeitsstunden bis zum fertigen Plastinat braucht, hat bei unserem Elefanten über 60.000 Stunden gedauert. Das wäre schon imposant genug. Schön ist aber auch wie die Macher der Exposition Alltagswissen wie "ein Gedächtnis wie ein Elefant" anatomisch vergleichend darstellen. Überhaupt werden Tier und Mensch in ihrer biologischen Disposition und ästhetischen Lebendigkeit näher gebracht. Insofern haben sich die Tier-Plastinate tatsächlich "nicht in die Ausstellung verirrt", wie Prof. Wetz betont. Wir spiegeln uns auch in anderen Geschöpfen. Eine Einladung über das eigene, einmalige Leben nachzudenken, sind die "Körperwelten" daher. Was zum Beispiel macht die Digitalisierung mit dem Gehirn von kleinen Kindern, die schon im Kinderwagen auf dem Tablet tippen? Wie werden da Neuronen vernetzt? Wie ticken diese Kinder als Erwachsene dann? Welchen Dingen rennen wir nach im Leben, was macht und glücklich und wie lange? Fragen über Fragen, die berührend aufgearbeitet sind. Denn "wir sind dieser Körper", wie Wetz sagt. Und den müssen wir pflegen, seine eigene Zeit und sein Gleichgewicht lassen. "Denn alles wirkt auf uns zurück, dessen sollten wir uns bewusst sein", so Dr. Angelina Whalley. "
"Andere unterschreiben für eine Organspende"
Über 19.000 Menschen haben sich als Körperspender registrieren lassen. Eine von ihnen ist Bärbel Kirsch aus Dresden. Sie ist 65, lebenslustig und arbeitet in der Altersvorsorge. Wenn Sie die Plastinate so vor sich sehen, was empfinden Sie da? Ich bin einfach nur beeindruckt.
Wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, dass Sie dort irgendwann stehen könnten?
Ich habe mich 2008 dazu entschieden, weil ich es gut finde, wenn der Körper noch zu etwas nutzt - statt auf irgendeinem Friedhof zu liegen. Man trifft doch auch eine Vorsorgevollmacht, andere unterschreiben für eine Organspende. Eine Körperspende für die Wissenschaft finde ich einen nützlichen Gedanken.
Wie gehen Freunde, Bekannte damit um, wenn Sie das hören?
Die meisten sind ein bisschen überrascht. Viele informieren sich irgendwann über verschiedene Bestattungsarten und finden es richtig, wenn man auf dem Friedhof landet, weil das eben so ist.
Sie selbst wissen aber nicht, was nach dem Tod mit Ihnen passiert - also was einmal zu sehen ist?
Naja, man wird über die Plastination informiert, aber was dann genau daraus wird, ist mir ehrlich gesagt egal. Für mich gehört der Körper zum Menschen dazu, aber was bleibt ist die Seele. Das ist das was ich mir bewahre, wie ich mich auch an andere erinnere. Ich gehe selbst nie auf den Friedhof. Mein Vati ist ganz normal begraben, ich besuche ihn aber nie. Ich sehe mir lieber sein Bild an, vielleicht ein Erinnerungsstück, ich brauche keinen Ort, wo der Körper liegt, der nach gewisser Zeit sowieso nicht mehr da ist. Bei mir ist der Mensch im Geist lebendig. Ich weiß wer er war.
Hat dieser Schritt Ihre Einstellung zu Dingen verändert, leben Sie seitdem anders?
Würde ich nicht sagen. Das war auch vorher meine Einstellung und ich bin von jeder Ausstellung mehr beeindruckt. Ich habe vorhin gerade den Entschluss gefasst, dass ich mit meinen Enkeln hier her gehen werde. Natürlich frage ich sie, ob sie das möchten.
Haben Sie mit Ihren Enkeln darüber gesprochen?
Also, die Kinder sind 13 und acht Jahre. Die Große weiß es. Ich finde, man sollte im Leben Zeit mit seinen Enkeln verbringen und nicht verlangen, dass dann irgendwas nach dem Tod passiert. Das ist jedem seine Privatsache. Auch die Angelegenheit meiner Enkel. Die können das später halten wie sie wollen. Weder stelle ich Forderungen, noch habe ich Erwartungen. Das muss jeder für sich wissen.
Sind Sie ein lebensfroher Mensch?
Unbedingt. Ich unternehme viel, bin Mitglied im Historischen Besiedlungszug A.D. 1156, die die Besiedlung des heutigen Sachsen nachstellen und ich mache Musik in einer Band.
In einer Band? Was spielen Sie da?
Ich singe. Rock, Oldies.
Das ist ja klasse. Ich wünsche Ihnen ein spannendes Leben.