„Wir nehmen das selbst in die Hand“
Lebensmittel, die nicht regulär verkauft werden, sind viel zu schade zum Wegwerfen. Deshalb holt sie die Dresdner Tafel ab und verteilt sie in ihren Ausgabestellen. Eine davon befindet sich im Gemeindehaus der Kirche auf dem Anger in Altkötzschenbroda. Doch hier will man die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen. Mittwochmorgen gegen Neun herrscht auf dem Anger in Altkötzschenbroda für gewöhnlich noch Ruhe. Wer zur Arbeit musste ist bereits unterwegs, Touristen sind noch nicht im Anmarsch. Nur einige wenige Frühstücksgäste lassen es sich im Außenbereich eines Lokals schon gut gehen. Wäre da nicht das Auto des Dresdner Tafel e.V., wäre die Idylle perfekt. So aber wird es kurz etwas lebhafter vor dem Gemeindehaus der Friedenskirche. Der Kleintransporter, der von der Zentrale auf der Zwickauer Straße in Dresden kommt, ist voll beladen. Jetzt heißt es Kisten ausladen, erst einmal stapeln, Ware sortieren, vorbereiten und gegen 12 Uhr mit der Verteilung beginnen. So wie es eben so läuft seit der Eröffnung der Außenstelle Radebeul im Oktober 2008. An diesem Procedere soll sich eigentlich auch nicht viel ändern. Bis auf die Tatsache, dass die Ehrenamtler, die hier im Gemeindehaus die Ausgabe der Lebensmittel einmal pro Woche regeln, dies nicht mehr länger in einer Außenstelle tun, sondern als eigener Radebeuler Tafel-Verein. „Wir haben zwei sehr rührige Rewe-Märkte und das Kaufland hier in Radebeul, alle drei beliefern die Dresdner Tafel", sagt Christian Schmidt, früher langjähriger Intendant der Landesbühnen Sachsen, heute im Sozialbündnis der Stadt Radebeul engagiert. „Wir wollen, dass die Lebensmittel dieser Märkte hier in Radebeul verteilt werden. Der Bedarf ist auf jeden Fall da. Und deshalb nehmen wir das selbst in die Hand, haben am 20. Juni den Radebeuler Tafel e. V. gegründet", so Schmidt. Die Leitung des neuen Vereins, der jetzt auf die Anerkennung als „e.V." wartet, hat Sabine Günther, ihr Stellvertreter ist Christian Schmidt. Die Märkte hätten bereits signalisiert, dass sie den neuen Verein unterstützen werden. Auch die Ausgabestelle in der Kirche bleibt. Was die acht Ehrenamtler noch nicht haben ist ein eigenes Kühlfahrzeug. Kühlschränke und eine Kühltruhe dagegen sind bereits auf privater Basis angeschafft. Weil der künftige Verein überzeugt ist, dass der Bedarf an sehr preiswerten Lebensmitteln in der Lößnitzstadt größer wird, denkt Schmidt bereits über einen zweiten Öffnungstag in der Woche nach. Andreas Schönherr, Leiter der Dresdner Tafel, zeigt sich indes überrascht und zugleich skeptisch vom Radebeuler Alleingang. „Ich zweifle an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vereins. Wie soll denn ein neues Kühlfahrzeug finanziert werden? Vielleicht haben wir die Radebeuler etwas stiefmütterlich behandelt", gibt er zu. Nicht was Lebensmittel beträfe, sondern in punkto Aufmerksamkeit. Für die Radebeuler Gründungsinitiative indes gibt es keine Zweifel: „Wir sind ein eingespieltes Team, wir packen das." C. Pönisch