

Was tut Frau, wenn sie für ihre Lippen ein veganes Pflegemittel sucht und nichts Passendes findet? Sie stellt es einfach selbst her. Marie Herrmann hat es jedenfalls genauso gemacht. An einem nasskalten Dezemberabend 2015, mit spröden Lippen im Laptop suchend und nichts findend, kam sie auf die Idee. Machte sich schlau, aus welchen Ingredenzien so ein Lippenbalsam besteht, besorgte sich selbige, ging in ihre Küche und fing an zu experimentieren. Wachs schmelzen, Aromen kombinieren, Sheabutter aus Gläsern kratzen, mit Pipetten in kleine Förmchen einfüllen – die studierte Politologin und Mediatorin fand schnell Gefallen daran. Und einen tollen Marketingspruch: #weilküssenfetzt. Allerdings: Vom ersten Versuch bis zum fertigen Produkt dauerte es dann doch einige Monate. »Noch im Mai wurde die Masse spätestens nach drei Tagen grisselig, war entweder zu weich oder zu hart oder sah einfach nur schlimm aus.« Also weiterrühren, etwas mehr Kokosöl, etwas weniger Sheabutter, das richtige Maß an Olivenöl, Candelilla-Wachs und Jojobaöl – irgendwann passte alles zusammen. Dass die Inhaltsstoffe aus kontrolliertem biologischen Anbau kommen, die Döschen für den Pflegebalsam aus Weißblech statt Aluminium – für Marie Herrmann war das von Anfang an Teil des Konzepts »vegan«. Weil die heute 30-Jährige keine halben Sachen mag, schrieb sie im Mai 2016 ein Gründungskonzept, holte sich Hilfe bei der IHK, befasste sich mit Marketing und Markenentwicklung, beantragte Gründerdarlehen und -zuschüsse und fand einen kleinen, feinen Produktionsraum beim Verein Rockzipfel e.V. Messen und Märkte, Wissen und Wachstum Und heute, nicht mal zwei Jahre später? Steht Marie, unterstützt von einer Minijobberin, einmal wöchentlich in ihrer kleinen Fabrik in Pieschen, köchelt ihre Pflegeprodukte, befüllt kleine Behälter mit Lippenbalsam und Lippenpeeling und fährt regelmäßig auf Messen und Märkte, um für weiche Lippen und das Wachstum ihrer Firma »lipfein« zu sorgen. Immerhin: Rund 1.000 Döschen in den Geschmacksrichtungen Klassik, Calendula (mit Himbeersamenöl), Vanille (mit Kurkuma), Schoko-Minze, Orange und Matcha-Zitrone verkauft sie pro Monat, hat sich dafür ein Absatznetz von etwa 80 Händlern in Deutschland, Österreich und Italien aufgebaut und ist gerade dabei, für ihre Produkte die Zertifizierung als Naturkosmetik zu bekommen. »Das kostet noch mal richtig Geld, ich will die rund 5.000 Euro über Crowdfunding zusammen bekommen«, sagt sie. Hat sie die in der Hand, wird »lipfein« auch in Bio- und Reformläden zu finden sein. Träume? »2025 sollte die Marke bekannt sein. Ich würde gern Workshops zu Naturkosmetik geben. Und ein kleiner Laden wäre auch toll.« Aber das ist Zukunftsmusik. Denn Mann und zwei Kinder sind da ja auch noch... Carola Pönisch