T. Martin Krüger/ck

Sechs Stolpersteine für eine mutige Familie aus Dresden

Dresden. Am 6. und 7. Mai werden in Dresden insgesamt 28 neue Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur verlegt - hier ein Einblick in eine ihrer Geschichten.

Helene Hempel, Hildegard Schäfer, Walter Hempel und der kleine Hans Weigoldt kurz bevor die Familie auseinander gerissen wurde.

Helene Hempel, Hildegard Schäfer, Walter Hempel und der kleine Hans Weigoldt kurz bevor die Familie auseinander gerissen wurde.

Bild: Privat

Hans Weigoldt wohnte in der Palmstraße 37 in Dresden. Er wurde im September 1936 geboren - mitten in der NS-Diktatur. Drei Monate später beteiligte sich sein Vater an einer Widerstandsaktion: Deutschlandweit verteilten 3.500 Zeugen Jehovas innerhalb zwei Stunden heimlich 100.000 Flugblätter. Daran beteiligt waren der Tischler Fritz Weigoldt und dessen Freund, der Kunstmaler Walter Schäfer.

Während Walter Schäfer im April 1937 verhaftet und vom Sondergericht Freiberg zu 13 Monaten Haft verurteilt wurde, die er bis Juli 1938 in Bautzen verbüßte, wurde Fritz Weigold vom Justizkomplex am Münchner Platz zurück in Polizeihaft gebracht und zu Tode gefoltert. Als er Anfang Juni 1937 starb, war sein Sohn Hans noch kein Jahr alt. Seine Mutter Hildegard Weigoldt zeigte einen Beamten an und wurde deswegen noch im Dezember vom Sondergericht Freiberg wegen Beamtenbeleidigung zu einer viermonatigen Haft verurteilt.

Im Januar 1942 heirate Hildegard dann Walter Schäfer. Vier Monate nach der Hochzeit wurde Walter Schäfer zum Kriegsdienst eingezogen, den er verweigerte. Daraufhin verurteilte ihn das Reichskriegsgericht in Berlin am 21. August 1942 zum Tode. Das Todesurteil wurde am 26. September in Brandenburg vollstreckt. Mit gerade einmal sechs Jahren hatte Hans Weigoldt zum zweiten Mal einen Vater verloren und seine kleine Schwester, die nur drei Monate zuvor geboren wurde, konnte ihren Vater niemals kennenlernen.

 

Inhaftierung der Mutter

 

Im Jahr darauf wurden die beiden Kinder auch noch von ihrer Mutter getrennt. Hildegard Schäfer wurde im November 1943 in Dresden in Einzelhaft gesperrt und schließlich nach München-Stadelheim transportiert wo sie in einem Massenprozess mit über 200 weiteren Zeugen Jehovas überwiegend aus Sachsen und Bayern vor dem Volksgerichtshof angeklagt wurde. Die Anklageschrift warf ihr vor, in ihrer Wohnung "Bibellesekränzchen" abgehalten, Spendengelder und einen "zur Vervielfältigung der Bibelforscherschriften bestimmten Abziehapparat" in Verwahrung gehabt und "im festen Glauben an den Herrgott" selbst illegale Schriften gelesen und weitergegeben zu haben. Dies wertete der Volksgerichtshof in Potsdam am 12. September 1944 als Wehrkraftzersetzung und verurteilte sie zu sieben Jahren Haft.

Zusammen mit seiner Mutter waren auch die Großeltern von Hans Weigel, der Schneidermeister Walter Hempel aus der Schäferstraße 17 und dessen Frau Helene, in dem gleichen Massenprozess angeklagt. Helene Hempel hatte sich ebenfalls an der Flugblattaktion beteiligt und war dafür ab Dezember 1936 vier Jahre in Haft gewesen. Walter Hempel war zuvor bereits dreimal für seinen Glauben inhaftiert worden. Dennoch führte er in seiner Wohnung weiterhin illegale Bibelbesprechungen durch und taufte dabei auch mehrere Personen. Er beschaffte Druckmaterial für die verbotenen Schriften der Zeugen Jehovas und verteilte diese. Bei einer Kurierfahrt in das besetzte Sudetenland war das Ehepaar im Juli 1943 erneut festgenommen worden. Am 13. Dezember 1944 verurteilte der Volksgerichtshof Walter Hempel in Würzburg zum Tode. Mehrfach verhinderten die Kriegsereignisse die Vollstreckung des Urteils an verschiedenen Richtstätten. Auf einem Transport zum KZ Dachau wurde er schließlich im Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit. Auch seine Frau Helene Hempel wurde noch wenige Tage vor Kriegsende in München-Stadelheim zu einer Haftstrafe verurteilt.

 

Erneute Anklage

 

Nach dem Krieg wurden Hildegard Schäfer und ihre Eltern Walter und Helene Hempel zunächst als "Opfer des Faschismus" anerkannt. Nachdem Jehovas Zeugen im August 1950 von der DDR erneut verboten wurden, verloren sie diesen Status noch im gleichen Jahr. Walter Hempel wurde erneut angeklagt und in einem Schauprozess am 25. November 1950 von der Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Davon unbeeindruckt ließ sich Hans Weigoldt im nächsten Jahr als Zeuge Jehovas taufen und transportierte mit dem Fahrrad heimlich illegale Schriften aus Berlin nach Dresden. Nachdem er 1955 einen Hinweis bekommen hatte, dass er ebenfalls verhaftet werden sollte, entschlossen er und seine Mutter sich zur Flucht nach München. Seine Großeltern folgten ihnen einige Zeit später.

 

Verlegung der Stolpersteine

 

Am kommenden Dienstag (6. Mai) um 13 Uhr werden zum Gedenken an Walter und Helene Hempel an der Grünfläche gegenüber der Schäferstraße 17 zwei Stolpersteine verlegt. Um 13.45 Uhr werden dann in der Freiberger Straße 6 vier weitere Stolpersteine für Hildegard und Walter Schäfer, sowie für Fritz und Hans Weigoldt verlegt. Zu der von dem Autor T. Martin Krüger initiierten Verlegung werden auch die Nachfahren der Familien aus München anreisen.

Insgesamt werden am 6. und 7. Mai in Dresden 28 neue Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur verlegt. Am Abend des 7. Mai wird eine Feierstunde um 19 Uhr stattfinden, zu dem der Verein Stolpersteine in Dresden e.V. in den Saal an der Versöhnungskirche Dresden-Striesen (Schandauer Straße 35) einlädt.

 

Der Autor T. Martin Krüger hat bereits mehrfach Biografien Dresdener NS-Opfer erforscht und Stolpersteinverlegungen initiiert wie 2024 in der Klingenbergerstraße.


Meistgelesen