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Jeder hat schon mal 'nen Bock geschossen

Der "Wildschütz“: Zweieinhalb kurzweilige Stunden, um alles zu entwirren

Sicherlich hat jeder in seinem Leben schon mal den sprichwörtlichen Bock geschossen. Aber ausgerechnet im Wald des Grafen und auf frischer Tat ertappt, wie in Albert Lortzings Komischer Oper „Der Wildschütz“ – das muss ja zu einer mittelschweren Katastrophe führen. Für den armen Dorfschulmeister Baculus ist es sogar eine Existenzfrage; den der „blaue Brief“ des Grafen mit seiner Entlassung folgt der Missetat auf den Fuß. Und das kurz vor der Hochzeit mit seinem Mündel Gretchen, für die er den Rehbraten brauchte. Das kann er nun natürlich vergessen. Doch eine Komische Oper wäre ja nicht komisch, wenn sich zum Schluss nicht alles zum Guten wendet. Bei der Premiere an der Semperoper wurden dazu etwa 2,5   Stunden gebraucht, die mit viel Spaß für die Zuschauer wie im Flug vergingen. Verwechslungs- und Verkleidungsszenen, von Lortzing mit flotter Musik auf die Bühne gebracht, wechselten sich munter ab. Dabei ist die Oper, die 1842 in Leipzig ihre Uraufführung erlebte, alles andere als eine verstaubte Klamotte. Vor allem die Musik begeistert heute noch. Wer kennt nicht die berühmte Arie des Baculus von den „5 000 Talern“, für die er sein Gretchen verkaufen will. Es ist ja auch gar so viel Moos und würde den „armen Lumpenhund“ zum Kapitalisten machen. Wer könnte da nein sagen?! Oder das ironische Duett „Es hat mich nicht getäuscht die Stimme der Natur“, das der Oper ihren Untertitel gab. Kein Wunder, dass die Oper nach über 170 Jahren nichts von ihrer Frische verloren hat. Damals spielte und sang der Komponist die Hauptrolle selbst, er brauchte schließlich Geld für seine elf Kinder. Heute ist der großartige Bassist Georg Zeppenfeld, der im Anschluss an die Premiere zum Kammersänger ernannt wurde, an der Semperoper als Baculus zu erleben. Carolina Ullrich gibt sein lebenslustiges Gretchen. Emilyn Dorn als Baronin und Steve Davislim als Baron, beide inkognito, sowie Sabine Brohm als extravagante Gräfin und Detlef Roth als Frauenheld-Graf, geben ihren Figuren in Mimik, Gestik und Gesang ihren unverwechselbaren Charakter. Den Mitgliedern des Staatsopernchores und des Kinderchores merkt man ihre Spielfreude förmlich an. Unter der musikalischen Leitung von Alfred Eschwé und in der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog kann sich das Gesamtensemble so richtig entfalten. Auch die Kostüme von Sybille Gädeke und das Bühnenbild von Mathis Neidhardt sind gut auf das turbulente Geschehen abgestimmt. Spielt das Stück zuerst in einem tristen Klassenzimmer, so verwandelt sich dieses schnell in einen vornehmen Empfangsraum des Schlosses, in dem sich der verkleidete Baron und der Graf am Billardtisch um das „falsche“ Gretchen streiten. Zum Schluss dominieren die farbenprächtigen Kostüme, die das angeblich so idyllische Leben auf dem Land charakterisieren. Auch der „gordische Knoten“ um die Paare löst sich, so wie es sich in einer komischen Oper gehört. Und was wird aus dem Baculus? Er wird vom Grafen großzügig begnadigt; denn er hat gar keinen Rehbock, sondern nur seinen eigenen Esel erschossen. So ein Esel! (gs)  Der „Wildschütz“ wird am 26. und 30. Oktober sowie am 5. November wieder an der Semperoper gespielt.


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