Carola Pönisch

Integration mit einem Ordner

Keine App, kein Tablet, kein Stick – ein simpler Ordner soll es richten. Entwickelt wurde er vom IQ Netzwerk Sachsen gemeinsam mit Arbeitsagentur, Jobcenter und der Stadt Dresden.
Tahar Ezzedini aus Tunesien, Malek Mohammad aus Syrien und Klajdi Dervishi aus Albanien sind die ersten Asylbewerber, die den neuen Ordner erhielten. Sie arbeiten bereits für 1,05 Euro auf dem Matthäusfriedhof.                         Foto: Pönisch

Tahar Ezzedini aus Tunesien, Malek Mohammad aus Syrien und Klajdi Dervishi aus Albanien sind die ersten Asylbewerber, die den neuen Ordner erhielten. Sie arbeiten bereits für 1,05 Euro auf dem Matthäusfriedhof. Foto: Pönisch

Lochen, einheften, mitführen, vorlegen. Das sollten Asylsuchende mit Bleibereicht als erstes lernen, wenn sie auf dem hiesigen Arbeitsmarkt ankommen wollen. Und um das zu meistern, gibt es „Mein Ordner" – eine stabile, in Sachsenfarben gehaltene Ablagevorrichtung, die auf Initiative des IQ Netzwerk Dresden („IQ" steht dabei für Integration durch Qualifizierung) entwickelt wurde und von Stadtverwaltung, Arbeitsagentur und Jobcenter finanziell wie verwaltungstechnisch unterstützt wird. „Unser Ziel ist klar: Wir wollen, dass die Asylsuchenden beruflich und gesellschaftlich in Dresden ankommen. Wir setzen damit bewusst früh an, damit die Menschen gar nicht erst das Gefühl bekommen, aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Aktivität statt Passivität – das ist unser Motto", beschreibt OB Dirk Hilbert das gemeinsame Anliegen. Zuständigkeit, Verantwortungsübergänge, Prozessabstimmungen – auch das sind Begriffe, die zum Leben in Deutschland gehören und die mit der Ordner-Idee einigermaßen begreiflich gemacht werden sollen. Dass er als Instrument zur Integration auf dem hiesigen Arbeitsmarkt gerade in diesen Tagen offiziell vorgestellt wurde, ist eher Zufall und hat nichts mit der derzeitigen Flut an Asylsuchenden zu tun. Denn den Hefter erhalten Menschen wie Tahar Ezzedini, Malek Mohammad und Klajdi Dervishi, die schon wissen, dass sie gute Chancen haben, hierbleiben und damit auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können. Die Drei arbeiten mit weiteren 17 Asylbewerbern als Ein-Euro-Jobber derzeit bereits auf dem Matthäusfriedhof und besuchen gleichzeitig einen Deutschkurs. Rund 200 solcher Arbeitsgelegenheiten hat das Rathaus schon geschaffen, weitere 100 kommen demnächst dazu. „Natürlich ist uns klar, dass wir die rund 3.500 offenen Stellen in Dresden jetzt nicht alle besetzen können und es ist auch klar, dass es bei den meisten Asylbewerbern eines sehr hohen Aufwandes bedarf, um sie fit für einen Job zu machen. Die meisten verstehen die Sprache nicht, viele haben keinen Schulabschluss", zeigt sich Arbeitsamtschef Thomas Wünsche realistisch. „Dennoch muss es uns gelingen, die Menschen zu integrieren." Der Ordner sei schon deshalb hilfreich, weil ihn die Betreffenden freiwillig (mit)führen und damit so manche behördliche Dopplung vermieden werden kann – wie auch so manch datenschutzrechtliche Hürde, die sich ohne das Ablagesystem zwangsläufig auftun wurde. Dass diese eigentlich simple Idee offenbar zur rechten Zeit kommt, zeigt das Interesse aus anderen Kommunen. Demnächst wird Leipzig 3.000 „Mein Ordner" ordern. „Wir rechnen mit einer sachsenweiten Einführung", sagt Kay Tröger, Chef des IQ Netzwerk Dresden.


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