

Es ist die bereits achte Inszenierung der „Salome“ an der Semperoper Dresden. Was kann man da noch Neues in der künstlerischen Umsetzung erwarten? – So wird wohl mancher Besucher vor der Premiere gedacht haben und ... war angenehm enttäuscht. Richard Strauß’ Musikdrama in einem Aufzug, das 1905 im damaligen Hoftheater seine umjubelte Uraufführung erlebte, hat bis heute nichts von seiner musikalisch-exzentrischen Wirkung verloren. Dabei geht der Stoff auf ein biblisches Thema zurück, aus dem Oscar Wilde Ende des 19. Jahrhunderts dichterisch eine Tragödie machte. Sein Werk war in Deutschland lange als unmoralisch und pervers verschrien. Doch Richard Strauß, der privat ein beschauliches Leben führte, fühlte sich gerade davon angezogen. Kein Wunder, besaß er doch das Talent, die Geschichte der blutrünstigen Salome musikalisch mit großem Orchester in Szene zu setzen. Doch war sie wirklich so mörderisch? Auf jeden Fall hemmungslos egoistisch. Woher sollte die 16-jährige Prinzessin, die am Hof ihres Stiefvaters Herodes (Lance Ryan) und ihrer Mutter Herodias (Christa Meyer) aufgewachsen war, andere Moralvorstellungen haben? Hier hatte sie nur absolute Machtansprüche, gemeine Intrigen und Unmoral kennen gelernt. Deshalb kann sie auch nicht verstehen, warum der Prophet Jochanaan ihr Begehren nicht erwidert. Ist sie doch gewöhnt, dass ihre Wünsche/Befehle erfüllt werden. Nachdem sie Jochanaan sieben Mal vergeblich aufgefordert hat, sie zu küssen, befiehlt sie schließlich, ihm den Kopf abzuschlagen und ihr in einer Silberschlüssel zu bringen. Egal, ob tot oder lebendig, sie will seine Lippen küssen. Dafür ist ihr jedes Mittel recht. Dieses grauenvolle Geschehen setzt Strauß mit einer starken musikalischen Ausdruckskraft um, in der jede Nuance fast körperlich zu spüren ist und von gefühlvoll bis wild reicht, um letztlich in der Ekstase zu gipfeln. In der Dresdner Neuinszenierung bewegt sich Salome in ihrem Kinderzimmer, aus dem sie erst durch das Erscheinen des Propheten Jochanaan (Markus Marquardt) herausgerissen wird. Die amerikanische Sopranistin Jennifer Holloway, die ihr Debüt in der Hauptrolle gibt, stellt den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenwerden der Salome sehr glaubhaft dar. Die junge Prinzessin sehnt sich nach Liebe. Doch weiß sie überhaupt, was das ist? Dass man Liebe nicht befehlen kann, ist ihr nicht bewusst. Als sie die Lippen auf dem abgeschlagenen Kopf des Jochanaan küsst, schaudert es manchem. Für Salome ist es die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches, wenn auch auf perfide Art und Weise. Danach legt sie sich neben dem Haupt in aller Unschuld ins Bett, so, als ob sie ihren liebsten Teddybär umarmt. Zufrieden, ihren Willen durchgesetzt zu haben, schläft sie ein, bis auch sie ermordet wird. Warum sich Salome ausgerechnet für einen starrköpfigen Propheten begeistert, bleibt allerdings unklar; denn er ist entgegen der Ankündigung weder jung noch schön. Nur anders, als die Männer in ihrer Umgebung. Seinen Kopf bekommt sie auch nicht in einer Silberschüssel präsentiert, sondern in einem Karton mit Schleife, als Lohn für den Tanz vor ihrem Stiefvater. Dieser berühmte Schleiertanz ist ebenfalls neu in der Semperopern-Inszenierung, die Michael Schulz vornahm. Salome, die sich nur für Jochanaan interessiert, tanzt nämlich nicht selbst, sondern sechs Burlesque-Tänzerinnen. Dadurch geht zwar das viel versprechende Fallen der sieben Schleier verloren, aber nicht die Erotik. Im Gegenteil. Man kann über diesen Regieeinfall geteilter Meinung sein. Auf jeden Fall gibt er Herodes die Möglichkeit, seine Lüsternheit voll auszuspielen, während sich seine Frau anderweitig amüsiert. Insgesamt nahm das Publikum die neuen Ideen der Inszenierung gut an, was der über zehn Minuten dauernde Beifall zur Premiere zeigte. Manchmal hätte man sich allerdings gewünscht, dass das Orchester (mit über 100 Musikern!) unter Leitung von Omer Meir Wellber sich in der Lautstärke etwas zurück genommen hätte, damit es die Sängerinnen und Sänger nicht übertönte. sta „Salome“ steht am 28. Oktober und 4. November wieder auf dem Spielplan der Semperoper.