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Andere Zeiten, anderer Kummer

Die Abschlussprüfungen sorgen schon in virusfreien Zeiten für Sorgen. Corona hat den Schulalltag zusätzlich durcheinandergewirbelt. Nicht immer finden Schüler in ihrem Umfeld ein offenes Ohr. Beratungsangebote wie der Nummer gegen Kummer sind daher aktuell gefragt.
Bei Beratungsgesprächen äußern Schüler aktuell häufig Unsicherheiten und Zukunftsängste. Foto: Unsplash

Bei Beratungsgesprächen äußern Schüler aktuell häufig Unsicherheiten und Zukunftsängste. Foto: Unsplash

Am 17. Juli ist in Sachsen Zeugnistag: Während so manche Schüler und Schülerinnen in der Vergangenheit mit Sorgen den Zeugnissen entgegensahen, ist in diesem Jahr vieles anders. Sitzenbleiben? Kann man (fast) nicht. Unerwartet schlechte Noten? Gibt es (fast) nicht. Das sächsische Kultusministerium legt dar, dass „Benotung und Versetzung zu Gunsten des Schülers anzuwenden sind. Ermessensspielräume sind wohlwollend auszulegen.“ Es soll in diesem Jahr also keine bösen Überraschungen für die Schüler auf den Zeugnissen geben. Dennoch treiben junge Menschen Sorgen und Ängste in dieser Zeit. „In der Beratung werden aktuell häufig Unsicherheiten und Zukunftsängste von den jungen Ratsuchenden thematisiert“, berichtet Rainer Schütz, Geschäftsführer des Vereins Nummer gegen Kummer. „Zum Beispiel beschäftigen sie ganz konkrete Fragen zum Thema Schule, Ausbildung und Beruf. Die Sorge, mit dem Lernstoff nicht mitzukommen, existiert genauso wie die Sorge, zukünftig keinen Ausbildungsplatz zu bekommen“. Auch die Eltern kommen in der besonderen Situation häufig an ihre Grenzen. Daher berichten die Kinder in den Beratungsgesprächen bei der Nummer gegen Kummer auch davon, dass sie zu Hause häufig niemanden haben, der ihnen zuhört und ihren Kummer versteht.

Beratungsbedarf ist gestiegen

Dass der Bedarf an Beratung mehr denn je vorhanden ist, spiegeln auch die hohen Anfragen an den Angeboten wider: Allein im Mai 2020 suchten bundesweit rund 8.400 Heranwachsende am Kinder- und Jugendtelefon und 1.380 in der Online-Beratung Rat. In Deutschland gibt es 91 Standorte der Beratungstelefone von Nummer gegen Kummer, sachsenweit sind es sieben. Ein sächsischer Standort ist das Kinder- und Jugendtelefon Bautzen-Löbau, in Trägerschaft des Diakonischen Werkes Bautzen. Hier finden zurzeit monatlich knapp 300 Beratungsgespräche statt (vor der Corona-Krise waren es monatlich über 200 Beratungsgespräche). „Wir sehen unseren Auftrag darin, den jungen Menschen aktiv zuzuhören, Verständnis entgegenzubringen, zu unterstützen und Entlastung zu bieten“, so Anne Friedland, Koordinatorin des Kinder- und Jugendtelefons Bautzen-Löbau. „Unser Eindruck ist, dass am Kinder- und Jugendtelefon weniger die Erkrankung an dem Corona-Virus thematisiert wird, sondern viel mehr die psychosozialen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen“, meint die Koordinatorin. So berichten die Heranwachsenden zunehmend, von Einsamkeit, Isolation, Langeweile, Resignation und zunehmenden Streit zu Hause. Auch Sorgen um die Zukunft werden angesprochen, etwa das geplatzte Schulpraktikum oder die plötzliche Arbeitslosigkeit der Eltern. Im Jahr 2019 wurden bundesweit rund 100.000 Beratungen am Kinder- und Jugendtelefon durchführt. Neben Gesprächen, die sich rund um die Schule drehten (14,5 Prozent der Beratungen), ging es auch um psychosoziale Themen und Gesundheit (35,6 Prozent der Beratungen) sowie Probleme in der Familie (19,3 Prozent der Beratungen). Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern können sich zu allen Themen, die sie bewegen und beschäftigen, an die kostenlosen und anonymen Beratungsangebote von Nummer gegen Kummer wenden.

Auch Eltern haben Kummer

Auch die Gespräche am Elterntelefon zeigen, dass sie während der Krise häufig ein Gefühl der Überforderung erlebt haben und sich unsicher sind, ob sie ihre Kinder ausreichend unterstützen konnten. Gerade das Thema Schule beschäftigt viele Eltern sehr. Für sie ist die Nummer gegen Kummer notwendiger denn je. So verzeichnete der Verein in diesem Jahr im Monat April eine Steigerung der Beratungen am Elterntelefon von 54,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Auch für die kommenden Monate sieht der Verein einen gesteigerten Beratungsbedarf und ist für die Anfragen gewappnet. Denn die Sorgen und Ängste von Kindern, Jugendlichen und Eltern werden sich nicht einfach in Luft auflösen.

Kontakt

  • Elterntelefon unter 0800/111 0 550; Mo - Fr von 9 - 19 Uhr
  • Kinder- und Jugendtelefon unter 116 111; Mo - Sa von 14 bis 20 Uhr und Mo ,Mi, Do zusätzlich von 9-11 Uhr
  • E-Mail-Beratung rund um die Uhr unter www.nummergegenkummer.de
Weitere Informationen unter  instagram.com/nummergegenkummer_e.v  facebook.com/ngk.dachverband

Über Nummer gegen Kummer

Nummer gegen Kummer e.V. ist der Dachverband für örtliche Vereine, die in Deutschland ein Kinder- und Jugendtelefon und Elterntelefon betreiben. Die derzeit 91 lokalen Träger der Beratungstelefone sind überwiegend örtliche Verbände des Deutschen Kinderschutzbundes sowie anderer Wohlfahrtsverbände. Dieses Netzwerk stellt das deutschlandweit größte kostenfreie, telefonische Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern dar. Speziell ausgebildete, ehrenamtlich engagierte Berater/innen unterstützen die Anrufenden im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe bei Alltagsproblemen und in schwierigen Lebenssituationen. Zur Finanzierung des Netzwerkes bemühen sich Nummer gegen Kummer e.V. bundesweit und seine Trägervereine lokal um Spenden von Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen. Nummer gegen Kummer e.V. ist aus dem Deutschen Kinderschutzbund hervorgegangen und diesem als Mitglied in seiner Zielsetzung verbunden. Der Dachverband ist Mitglied bei Child Helpline International. Nummer gegen Kummer e.V. wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und unterstützt durch die Deutsche Telekom. Jeder Anruf an den Beratungstelefonen ist kostenlos, die Verbindungsgebühren trägt die Deutsche Telekom AG, Kooperationspartner von Nummer gegen Kummer e.V. seit 1991.


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