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Senftenberg ist seine zweite Heimat

Pfarrer Manfred Schwarz (60) ist in diesem Jahr seit 30 Jahren in der evangelischen Kirchengemeinde in Senftenberg und Hörlitz tätig. Ein Jubiläums-WochenKurier-Interview:
Manfred Schwarz (60) ist seit 30 Jahren in Senftenberg als Pfarrer im Dienst. Foto: F. Dorn

Manfred Schwarz (60) ist seit 30 Jahren in Senftenberg als Pfarrer im Dienst. Foto: F. Dorn

Vor drei Jahrzehnten haben Sie im August ihren ersten Gottesdienst in Senftenberg gehalten. Welchen Stellenwert hat für Sie dieses 30-jährige Jubiläum? Meine Frau und ich haben hier gemeinsam mit unserem Pfarrdienst angefangen. Wir hätten nicht gedacht solang zu bleiben. Ich staune wie schnell die Zeit vergangen ist. Dankbar schau ich auf die schönen Zeiten, weiß aber auch um manch schwere Momente. Ich sage Gott sei Dank für alles Gelungene, was herangereift ist und lege getrost in Gottes Hand alles Schwere. Inwieweit können Sie sich an diesen ersten Gottesdienst am 5. August 1990 noch erinnern? An den Gottesdienst erinnere ich mich weniger, mehr an die vielen Umzugskartons und meine Freude am Samstagabend in einem meine Gottesdienstvorbereitungen für den kommenden Tag gefunden zu haben. Ich hatte an diesem Tag in Hörlitz Gottesdienst und meine Frau in Freienhufen und Wormlage, da es dort für einige Zeit keinen Pfarrer gab. Wir hatten ja nur den Trabant, da bin ich wahrscheinlich mit dem Fahrrad nach Hörlitz. Über das Wunder der Speisung der 5000 hab ich gepredigt. Und im Kalender steht auch das erste Lied: ›All Morgen ist ganz frisch und neu, des Herren Gnad und große treu, sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.‹ Herr Ruhe hat damals unseren Gesang auf dem Harmonium begleitet, so, wie heute noch! Die Hälfte Ihres Lebens haben Sie bisher in Senftenberg verbracht. Wie stark fühlen Sie sich mit der Stadt verbunden? Senftenberg ist mir zur zweiten Heimat geworden. Aber auch die Hörlitzer und Briesker bleiben mir im Herzen! Ich nehm sie einst alle mit! Etwas wehmütig ist mir zumute, weil der Ton bei Streitfällen und unterschiedlichen Meinungen mehr als rauh geworden ist. Streit muss sein, aber in der Sache fair und konstruktiv. Was lieben Sie ganz persönlich an Senftenberg? Ich mag natürlich den Kirchplatz, die Innenstadt mit den Gassen und Straßen. Und das Baden, fußläufig erreichbar. Und das lebendige Treiben auf dem Wochenmarkt. Nicht zu vergessen, meine Verbundenheit mit unserer EULE-Orgel. Wir sind fast gleich alt und geben noch immer unser Bestes. Am 1. Adventfeiert sie ihr 60-jähriges Jubiläum. Und eine Sonderbarkeit finde ich besonders charmant. Es gibt hier im engeren Kreis sieben Heilige, die, Jahr um Jahr zusammengekommen sind: Petrus, Paulus, Hubertus, Florian, Barbara, alle auf dem Markt zu finden und Georg und Nikolaus in der Schlossstraße. Ich plädiere ja für ›Sankt Senftenberg‹! Wie hat sich in Ihren Augen die Stadt Senftenberg in den vergangenen 30 Jahrenentwickelt? Was fällt Ihnen hier besonders auf? Aus einer grauen Maus ist eine anziehende Hochschul-Kleinstadt geworden. Anfangs gab es ja noch die offenen Tagebauflächen Richtung Meuro und Bückgen. Wenn ordentlich Sturm war sind die Kippen ›gewandert‹. Große Staubwolken waren das! Immer wenn ich zum Hafen komme wundere ich mich über diesen maritimen Anblick. Er steht für eine erfolgreiche und zugleich zukunftsträchtige, touristische Entwicklung. Und die neue Bühne gibt es immer noch und schafft es immer neu, die Menschen zu begeistern. Pfarrer arbeiten sehr eng mit Menschen zusammen. Aus welchem Holz ist der typische Senftenberger geschnitzt? Es ist eher selten, dass jemand hier geboren und aufgewachsen ist. Viele haben durch den Bergbau hier ihre Heimat gefunden, sei es durch Arbeit oder Studium, andere durch die Flucht aus Schlesien. Viele sind aus den umliegenden abgebaggerten Orten zugezogen, andere sind als Deutsche aus Rußland und Kasachstan hierher gekommen. Und gerade erst sind wieder neue Mitbürger als Flüchtlinge dazugekommen. Der typische Senftenberger ist also aus ganz verschiedenem Holz geschnitzt. Die Kunst besteht darin, diese Vielfalt als bereichernd zu erleben und immer wieder Brücken zueinander zu bauen - überhaupt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu schaffen. Wie fromm, gläubig sind die Menschen in Senftenberg? Viele stehen dem Glauben, der Kirche distanziert gegenüber. Trifft man aber den richtigen Ton, sind die Herzen offen und die Menschen interessiert. Ein herrliches Erlebnis sind die Führungen für Schulklassen. Erst letztens war es eine Sternstunde, wie zugänglich und neugierig die Kinder zuhörten und fragten. Ein besonderes Phänomen ist zudem die Spendenbereitschaft. Ohne die Spenden der treuen Kerngemeinde, aber auch mancher Atheisten und Freunde der Kirche hätten wir die letzten Baumaßnahmen nicht so schnell geschafft. Ich denke nur an die Sanierung der Orgel, aber auch an die Innensanierung der Peter-Paul-Kirche. Die Spenderliste zur der Sanierung der Wendischen Kirche liegt übrigens unter dem Fußboden für künftige Generationen bewahrt. Vielleicht sind die Menschen frömmer als sie selber glauben ... Sie sind 1990 mit dem Anspruch gestartet, die Innensanierung der Senftenberger Peter-und-Paul-Kirche voranzutreiben. Wie weit sind Sie damit gekommen? Weit gefehlt. Nein, an die Sanierung der Peter-Paul-Kirche hab ich anfangs gar nicht gedacht. Das kam Stück für Stück. Die Peter-Paul-Kirche bekam 1995 ein neues Dach, dann war 2012 der Innenausbau dran. Das größte Wunderwerk allerdings war von 1995 bis 2003 die Erhaltung und der Umbau der Wendischen Kirche zum Bürgerhaus. Fotos zeigen: Es war eine Ruine. Und immer wieder wird an der Hörlitzer Heilandskirche gebaut, das Vordach soll noch dieses Jahr saniert werden und auch die Voruntersuchungen am Wandbild von Günther Wendt erfolgen. Das prächtige Eingangsportal zum Neuen Friedhof wurde 2010 erneuert und gerade erst das Dach der Kapelle saniert. Mit welchen Herausforderungen hat die evangelische Kirchengemeinde in Senftenberg aktuell zu kämpfen? Seit März versuchen wir ein lebendiges Gemeindeleben zu erhalten und zu gestalten, trotz der Einschränkungen in Zeiten von Corona. Kirche ist als erstes Gemeinschaft und Kommunikation, mit Gott und als Gemeinde. Wie schaffen wir es bei den Menschen zu sein? Auch dann wenn es nicht in traditioneller Form möglich ist. Ich bin ja eher der analoge Typ – der persönliche und direkte Kontakt ist unersetzbar! Natürlich ist Weihnachten in diesem Jahr eine Herausforderung an der wir dran sind. Die Leitung der Gemeinde, das sind die ›Ältesten‹ im Gemeindekirchenrat, arbeitet intensiv an alternativen Optionen, aber das ist noch nicht spruchreif. Überhaupt sind die Mitarbeiter, ob haupt- oder ehrenamtlich, die Basis und ein Schatz für ein gedeihliches Gemeindeleben. Welche Schwerpunkte möchten Sie in den kommenden Jahren während Ihrer Arbeit in Senftenberg legen? Ich wünsche mir, nicht mehr soviel an den Gebäuden bauen zu müssen, um mehr Zeit und Kraft zu haben um Menschen aufzubauen, zu trösten, zur Quelle des Lebens zu führen: einem innerlichen Gottvertrauen, gerade in dieser verrückten Zeit. Noch einmal mehr die Seelen derer stärken, die auf der Suche sind nach Orientierung und Halt. Es sind die Orte und Zeiten wichtig an denen Menschen Kraft schöpfen, ob im Gottesdienst, in den Orgelmusiken und Konzerten und der Offenen Kirche. Am besten die Kirche stände immer offen! Wie lange werden Sie Ihrer Senftenberger Gemeinde noch erhalten bleiben? Welche Pläne haben Sie nach Beendigung Ihres Dienstauftrages in Ihrer Kirchengemeinde? Das weiß Gott allein. Wenn es nach mir geht noch ein paar Jahre. Getreu dem Leitspruch: Man sollte jeden Tag so leben, als wenn es der letzte wäre, mit dem Elan, als wenn es der erste wäre. Und: Pläne sollte man immer mit Vorsicht genießen. Das Wichtigste bleibt doch in den Stürmen des Lebens das Getragensein in Gottes Hand, wo immer und wie lange man lebt. Diese Zuversicht möchte ich immer bewahren. • Evangelische Kirchengemeinde Senftenberg


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