Stefan Staindl

125 Jahre Backtradition mit Herz und Hand

Lauchhammer. Seit dem 1. Mai 1900 ist die Ortrander Straße 8 in Lauchhammer ein Ort gelebter Backtradition. Seit 125 Jahren wird hier geknetet, gebacken und verkauft – immer mit Herz und Hand. Heute führt Josephine Noack diese Familientradition als Inhaberin in fünfter Generation fort.

Freuen sich über das 125-jährige Jubiläum (v.l.n.r.): Josephine, Christa und Susanne Noack vor der Familienbäckerei in der Ortrander Straße.

Freuen sich über das 125-jährige Jubiläum (v.l.n.r.): Josephine, Christa und Susanne Noack vor der Familienbäckerei in der Ortrander Straße.

Bild: sts

Die 39-Jährige übernahm den Betrieb im Juli 2010 von ihrem Großvater Max Noack. Bei ihm lernte sie das Bäckerhandwerk von Grund auf – direkt nach der Schule begann 2002 ihre Ausbildung, 2008 folgte mit 21 Jahren der Meisterbrief. »Ich bin zwischen Mehlsäcken und Backblechen groß geworden. Das Bäckerhandwerk gehört für mich seit ich denken kann ganz selbstverständlich zum Alltag und ist ein Stück meiner Identität«, erzählt sie und blickt mit Demut auf die 125-jährige Familientradition: »Meine Vorfahren haben alle gesellschaftlichen und politischen Wellen des 20. Jahrhunderts mit- und durchlebt – das ist schon krass. Und jede Generation hat es für sich geschafft, das zu meistern. Das bewundere ich sehr. Ich bin stolz, ein Teil davon zu sein.«

Josephine Noack fühlt sich fest mit der Familientradition der Bäckerei verbunden. »Gegründet wurde sie von meinem Ururgroßvater Max Noack, der zuvor die Werksbäckerei des Eisenwerkes in Lauchhammer leitete. Dieses Gebäude hier ließ er eigens als Wohnhaus mit angeschlossener Bäckerei errichten. Über eine Treppe führt der Weg direkt von der Wohnung in die Backstube. Wenn ich nachts nicht schlafen konnte, schlich ich hinunter, bekam einen Tee und ein Eierplätzchen – und durfte meinem Großvater beim Backen zusehen. Das waren besondere Momente.«

Wie Josephine Noack erzählt, starten sie in der Backstube seit 125 Jahren gegen 1 Uhr nachts: »Wir beginnen mit dem Brot, dann folgen Kleingebäck, Kuchen und die Brötchen. Wenn wir um 6 Uhr öffnen, soll alles in der Auslage liegen.« Heute sei bereits der dritte Backofen im Einsatz, der den Rohteig in frische Backwaren verwandelt. »Ich liebe meinen 34 Jahre alten Backofen mit seinen Schamottplatten – damit gelingt das Backen hervorragend. Die Platten speichern die Hitze optimal und sorgen für eine gleichmäßige Wärmeverteilung.«

Seit Generationen werden das Roggenmischbrot und die Pfannkuchen nach überlieferten Familienrezepten gebacken – ebenso wie der Frankfurter Kranz und die Buttercremetorte. Der Pudding, der für die Torten verwendet wird, entsteht seit 125 Jahren ebenfalls in traditioneller Handarbeit. »Die Rezepte sind nur in der Familie weitergegeben worden und prägen bis heute unser Sortiment«, verrät Josephine Noack. Sie selbst liebt Hochzeitstorten: »Dabei kann ich mich richtig ausleben. Es ist jedes Mal spannend zu sehen, was herauskommt, denn Hochzeitstorten entwickeln sich oft erst während des Entstehungsprozesses.«

Insgesamt sorgen heute neun Beschäftigte für einen reibungslosen Ablauf in der Backstube und im Verkauf. Seit 48 Jahren gehört Manuela Mehne zum Team. »Sie war einst der erste Lehrling meines Opas Max und unterstützt mich heute in der Backstube – ebenso wie mein Partner Erik Neumann.« Auch Mutter Susanne und Oma Christa Noack sind mit dabei und gehören zum Verkaufsteam. Sie alle treffen auf Menschen, die seit Jahrzehnten mit der Bäckerei verbunden sind. »Es kommen oft Leute in den Laden, die erzählen, dass meine Oma sie als Kind schon bedient hatte.« Das sind schöne Momente im ansonsten herausfordernden Alltag: »Der hohe bürokratische Aufwand belastet uns sehr. Und die schwankenden Materialkosten wie Butter, Schokolade, Sauerkirschen oder Rhabarber erschweren die Kalkulation, da man die Preise nicht ständig neu festsetzen möchte.«

Doch Josephine Noack sieht trotz aller Herausforderungen zuversichtlich in die Zukunft: »Dass so viele Menschen zu unserem Jubiläumsfest gekommen sind, empfinden wir als große Wertschätzung für unsere Familientradition und zugleich als Ansporn. Wir möchten weiterhin mit der gewohnten Sorgfalt backen und planen, unseren Laden in diesem Jahr komplett neu zu gestalten.«


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