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Großräschen will weiter Gas geben

Das neue Jahr liegt vor Großräschen - und die Seestadt packt es an. »Campus IBA-Terrassen«, Besucherstollen und natürlich der See selbst sind Projekte, die die Seestadt Großräschen noch über viele Jahre beschäftigen werden. Im WochenKurier-Interview spricht Bürgermeister Thomas Zenker über nahe und ferne Zukunftsziele.

Großräschen im Jahr 2020: Welchen Charakter wird das neue Jahr für Großräschen haben?
Das wird ein sehr arbeitsreiches und intensives Jahr. Das Thema Strukturwandel begleitet auch uns - und das bereits seit 1990. In 2020 und in den Folgejahren wollen wir noch einmal richtig Gas geben. Dafür haben wir viele Ideen. Dies spiegelt sich schon jetzt in unseren Haushaltsplanungen wider. Allein als Stadt wollen wir in diesem Jahr zirka sieben Millionen Euro investieren, einschließlich Fördermittel. Ebenso in den Folgejahren. In den nächsten drei Jahren wollen wir als Stadt rund 22 Millionen Euro investieren. Wo liegen im neuen Jahr die Schwerpunkte der Arbeit?
In diesem Jahr wollen wir die Weiterentwicklung des Gewerbegebietes am Woschkower Weg forcieren und die westliche Zufahrt des Industriegebietes ertüchtigen. Zudem soll die Hochhausruine am Standort abgerissen werden. Dafür hoffen wir jetzt zeitnah auf den Förderbescheid. Bisher haben wir nur den förderunschädlichen vorzeitigen Vorhabenbeginn. Wir dürfen schon anfangen, gehen aber in Vorleistungen mit dem Restrisiko, dass wir am Ende doch keine Fördermittel erhalten. Weiterhin sind wir mit der Handwerkskammer Cottbus über den Standort eines Innovativen Bildungszentrums Lausitz im Gespräch. Hierfür soll demnächst durch das Land die endgültige Entscheidung über den Standort fallen. Und dann wollen wir natürlich unser eigenes Projekt »Campus IBA-Terrassen« im Rahmen des Strukturwandels an den Start bringen. Da hoffen wir auf den Förderbescheid in den nächsten Monaten. Zudem werden wir im Straßenbau wieder mehr Gas geben. Hier wollen wir in diesem Jahr zirka 3,2 Millionen Euro investieren. Welche größeren Maßnahmen wird es 2020 im Straßenbau geben?
Wir werden im Malerviertel die Arbeiten an der Liebermannstraße und am Liebermannplatz starten. Dazu wird es demnächst eine Bürgerberatung vor Ort geben. Dann wollen wir den Woschkower Weg als zweite Zufahrt zum Gewerbegebiet ausbauen. Die Strandzufahrt zum See soll in den nächsten Wochen losgehen. Hier ist die LMBV Projektträger. Dann wollen wir in der Richtstraße für eine befestigte Fahrbahn sorgen. Das komplexeste Projekt ist die Mühlenstraße. Hier haben wir die Fördermittel zur Verfügung und wollen in diesem Jahr den ersten Bauabschnitt beginnen. Zurzeit sind wir dabei, ein Verkehrskonzept für die Mühlenstraße zu entwickeln, da hier auch der Schulbusverkehr eine wesentliche Rolle spielt. Und wir wollen auch die Voraussetzungen schaffen, dass dort eines Tages auch eine autonome Stadtbuslinie verkehren kann. Das wird vielleicht erst in zehn Jahren sein, aber schon jetzt müssen wir bei Straßenbaumaßnahmen darüber nachdenken. Wie wird es 2020 mit dem Parkplatz-Konzept für Großräschen weitergehen?
Das war im vergangenen Jahr der Start einer strategischen Planung. In diesem Jahr wird es da konkret keine einzelnen Maßnahmen geben. Wir sind das angegangen, damit wir in etwa prognostizieren können, wie sich der Parkplatzbedarf, gerade im Entwicklungsgebiet Großräschen-Süd, entwickelt. Natürlich sind dort Parkplätze, etwa am Strand, in der Planung. Es geht aber auch darum, zu verstehen, wie man die Flächen dort aufteilen muss. Wir haben am See einen enormen Entwicklungsdruck, den wir durch Bebauungspläne steuern. Hier müssen wir Flächen freihalten, auf denen wir später noch Parkplätze schaffen können. Diese strategische Vorausschau soll eine Diskussionsgrundlage für zukünftige städtebauliche Planungen und private Investitionen bieten. Wie geht es in diesem Jahr mit dem künftigen Seestrand weiter?
Der Sandauftrag für den Strand ist vorläufig abgeschlossen. Jetzt erfolgt im Strandbereich vorerst der Wegebau sowie der Bau der Anschlusswege, die auch teilweise im Rahmen des kreislichen Radwegeprojektes ausgebaut werden - beispielsweise etwa die Verlängerung des Radweges entlang der Hafenstraße. Dann sollen in diesem Jahr auch die Strandstraße selbst und der Parkplatz am Strand entstehen. In den nächsten drei bis fünf Jahren wird es eine zweite Ausbaustufe geben. Diese beinhaltet etwa auch ein Sozialgebäude. Wie sieht es aktuell mit der Nutzung des Großräschener See aus?
Hier haben wir gehofft, dass wir in diesem Jahr die Freigabe des Sees bekommen. Stand heute ist das eher unrealistisch. Die LMBV gibt noch einmal bei der Ufersanierung am südlichen See-Bereich Gas. Dass dies so intensiv sein muss, war vorher nicht zu erkennen. Für diese Arbeiten muss jetzt der Wasserstand an der unteren Grenze gehalten werden und das ist für eine entsprechende Schiffbarkeitsfreigabe problematisch. Daher werden wir in diesem Jahr noch mit Sondergenehmigungen arbeiten - wie etwa für das kleine Fahrgastschiff ›Wilde Ilse‹ oder für den Seesportkutter. Eine allgemeine, öffentliche Nutzung  wird es in diesem Jahr noch nicht geben. Mit dem Projekt »Campus IBA-Terrassen« will Großräschen die IBA-Module am See einer neuen Nutzung zuführen. Welche Idee steckt dahinter?
Eine gemeinsame Studie mit dem IBA-Studierhaus und der BTU Cottbus-Senftenberg hat gezeigt, dass die IBA-Terrassen einen hohen Wiedererkennungswert haben, eine hohe Identität stiften und damit ein Rückbau der Terrassen keine Option ist. Nach fast 20 Jahren Existenz steht bei ihnen natürlich auch ein Modernisierungsbedarf an. So haben wir darüber nachgedacht, wie man die Terrassen weiterentwickeln kann - auch mit den Betriebserfahrungen, die wir als Stadt nach der IBA gesammelt haben. Herauskristallisiert hat sich nun, dass Haus 1 weiterhin die Gastronomie abdecken soll. Das Haus 2, in dem bisher Ausstellungen waren, wollen wir zu einem Coworking Space ausbauen, um der digitalen Arbeitswelt dort Raum zu schaffen. Bedarf für solch ein Großraumbüro für Menschen, die Arbeiten und Reisen oder Urlaub miteinander verknüpfen wollen, gibt es. Und Haus 3 hat sich wunderbar als Tagungszentrum entwickelt. Das wollen wir stärken und jetzt das Haus klimatisch und energetisch verbessern. Zudem sollen zusätzlich ein touristisches Besucherzentrum mit Sanitäranlage auf dem Terrassen-Campus sowie ein Besucherstollen hinter dem Haus 3 entstehen. Und auch das IBA-Studierhaus in unserer Seestraße wollen wir modernisieren. Das gesamte Projektpaket beläuft sich auf 8,5 Millionen Euro. Deshalb hoffen wir auf Fördermittel im Rahmen des Lausitzer Strukturwandels. Die Signale dafür sind gut. Im ersten Halbjahr dieses Jahres könnten wir einen ersten Förderbescheid erhalten - und dann wollen wir starten. Gebaut werden soll von Ende 2020 bis Ende 2022. Das Projekt hat einen enormen Wert und wird am Ende als vorzeigbares Projekt für den gesamten Strukturwandel in der Lausitz stehen. Sie sprachen einen Besucherstollen an. Was verbirgt sich dahinter?
Hier sind zwei Ideen zusammengeflossen. Wenn wir den Terrassenbereich modernisieren, dann muss es dafür eine neuzeitliche Heizung geben. Wir denken hier über eine moderne Energiegewinnung des 21. Jahrhunderts nach, bei der wir vielleicht das Seewasser nutzen und Erdwärme  einbinden. Auf der anderen Seite war Großräschen-Süd der Standort, wo um 1860 die Kohleförderung in der Lausitz begonnen hat - und zwar zuerst im Tiefbauverfahren mit Stollen. Beide Themen wollen wir in einem gläsernen Kraftwerk und einem Besucherstollen zusammenführen und erlebbar machen, wie Ernergie einst im 19. Jahrhundert gewonnen wurde und wie sie heute im 21. Jahrhundert gewonnen wird. Im Jahr 2020 ist Großräschen Sprecherstadt des Wachstumskern Westlausitz. Was kommt da in diesem Jahr auf die Seestadt drauf zu?
 
Eine ganze Masse zusätzlicher Aufgaben. Es gibt in Potsdam zurzeit die Diskussion, wie es mit den Wachstumskern-Regionen weitergehen soll. In diesem Jahr wird unser Regionaler Wachstumskern noch Bestand haben. Wir Bürgermeister der fünf Städte haben uns darauf verständigt, dass wir unsere Kooperation auch fortsetzen würden, wenn es formal diese Wachstumskerne nicht mehr geben sollte. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese Kooperation und Abstimmung ihren Wert hat. Die Kernprojekte Ausbildungsmesse, Firmenlauf und Rückkehrertage wollen wir auf jeden Fall absichern. Allerdings haben wir jetzt die spannende Herausforderung, dass wir das erste Jahr erleben, wo es für die Durchführung dieser Projekte keine Fördermittel mehr gibt. Diese waren zeitlich befristet. In der Vergangenheit hatten wir für die Organisation dieser Kernprojekte immer Agenturen beauftragt. Zudem hatte Monika Ulbrich von der Geschäftsstelle des Wachstumskerns unterstützt. Sie ist jetzt in Rente gegangen. So muss die interne Organisation des Wachstumskernes in diesem Jahr neu laufen – ohne Fördermittel für die drei Projekte und ohne Monika Ulbrich. Wir haben uns geeinigt, dass wir als Sprecherstadt diese Organisationsaufgaben komplett übernehmen und selbst diese drei Projekte organisieren. Dabei wollen wir versuchen, mit den bisher gegebenen Eigenmitteln der Kommunen auszukommen. Für unsere städtische Wirtschaftsförderung mit Cornelia Wobar an der Spitze wird sich durch diese neue Aufgabe die Arbeitsbelastung erhöhen. Mit Katharina Pötschke steht ihr bereits eine weitere Mitarbeiterin zur Verfügung. So werden und wollen wir als Stadt Großräschen in diesem Jahr der Motor für den Regionalen Wachstumskern Westlausitz sein. 
 
Auf welche kulturellen Höhepunkte können sich Großräschener und ihre Gäste in diesem Jahr besonders freuen? 
 
Der größte Höhepunkt ist ohne Zweifel das Stadtfest anlässlich 650 Jahre Ersterwähnung vom 8. bis 10. Mai. Für dieses 3-Tage-Projekt gibt es eine interne Arbeitsgruppe, die eifrig daran werkelt. So wird es etwa einen Mittelaltermarkt in der Alten Lindenstraße, einen stehenden Festzug, ein Fest in verschiedenen Höfen am Markt sowie eine Ausstellung zur Stadthistorie im Kurmärker geben. Zudem binden wir die klassischen Stadtfestpunkte wie Bühnenprogramm und Schausteller mit ein. Es gibt sehr viele positive Rückmeldungen von Leuten, die sich beteiligen möchten. Auch die Kirchengemeinden haben ein großes Programm geplant und bündeln dafür ihre Kräfte. Ich persönlich finde besonders die Idee klasse, die beiden Kernorte Klein- und Großräschen in den Mittelpunkt zu stellen. Großräschen ist ja seit dem 19. Jahrhundert aus vielen Dorfkernen zusammengewachsen. Und diese beiden Orte waren die wichtigsten Dörfer für die Kernstadt. Im Jahresverlauf wird es natürlich wieder ein vielfältiges Programm im Kurmärker geben sowie viele kleine Veranstaltungen am Hafen. Auch der Fanfarenzug plant dort wieder ein Fest. Zudem feiert der SV Großräschen in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Gefeiert werden soll am 13. Juni.
 
Ihr letztes Wort…? 
 
Ich hoffe, dass der Strukturwandel in der Lausitz gut gelingt. Das ist ein hochspannendes Thema mit vielen Akteuren. Wir arbeiten seit 1990 in Großräschen daran und nehmen wieder Schwung auf. Und wir wollen gern unsern Teil leisten. Der Strukturwandel ist für unsere Region eine riesige Herausforderung. Dafür brauchen wir natürlich externe Unterstützung aber es ist auch wichtig, dass wir als Region, jede Kommune und jeder, der dazu in der Lage ist, selbst Ideen entwickeln. Denn wenn der Strukturwandel erfolgreich sein soll, darf er nicht einfach über uns kommen. Wir müssen aktiv um gute Rahmenbedingungen und um finanzielle Unterstützung werben und gleichzeitig selbst auch Ideen entwickeln, die unsere Region zukunftsfähig machen. Das ist eine spannende Herausforderung. Die Lausitz ist und bleibt eine spannende Region.


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