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Digitalisierung ist kein Teufelswerk

Digitalisierung beeinflusst seit Jahren maßgeblich unser Leben - im privaten wie auch im wirtschaftlichen Bereich. Das Land Brandenburg hat seit zehn Monaten eine Zukunftsstrategie »Digitales Brandenburg«. Über die digitale Zukunft sprach WochenKurier mit dem Digitalisierungsexperten Oliver Schmidt.
Oliver Schmidt ist Gesellschafter und Leiter Softwareentwicklung bei der »Time4Innovation UG«, einer Agentur für digitales Business in Senftenberg. Foto: sts

Oliver Schmidt ist Gesellschafter und Leiter Softwareentwicklung bei der »Time4Innovation UG«, einer Agentur für digitales Business in Senftenberg. Foto: sts

Was bedeutet für Sie Digitalisierung?
Digitalisierung ist seit mehr als 20 Jahren ständiger Alltagsbegleiter. Das Internet hat die alte Handelslandschaft entscheidend verändert. Ich persönlich sehe deutlich mehr Chancen als Risiken in der Digitalisierung. Nehmen wir etwa die mittlerweile sehr komplexen Arbeitsabläufe in vielen Industrie- und Handwerkszweigen - diese wären heute schon teilweise ohne die technischen Neuerungen der Digitalisierung gar nicht mehr möglich. Ich denke dabei etwa an die Medizin- und Pflegebranche. Hier kann Menschen mit innovativen Lösungen aus der Ferne geholfen werden. Oder Apps, mit denen man Menschen in Dritte-Welt-Ländern durch Aufklärung zu lebenswichtigen Themen hilft. Natürlich gibt es auch Risiken und Probleme, die durch oder mit der Digitalisierung aufkommen - etwa Datensicherheit, Fake-News und unkontrollierte Internet-Inhalte. Aber die Gesellschaft wird sich weiterentwickeln. Es wird in nicht allzu ferner Zukunft viele Probleme gar nicht mehr geben. Die Digitalisierung ist kein ›Teufelswerk‹, sondern eher eine Revolution, die die gesamte Gesellschaft verändert hat und es noch stärker tun wird. Die Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) ist sich darin einig, dass die Digitalisierung beim Kampf gegen den Klimawandel helfen kann. Dies zeigt eine aktuelle Befragung des Digitalverbandes Bitkom. Kann Digitalisierung dem gerecht werden?
Grundsätzlich werden sich die Auswirkungen der Digitalisierung auch auf die Umwelt beziehungsweise damit in Verbindung stehende Themen auswirken. Nehmen wir etwa die seit einigen Jahren bereits verfügbaren digitalen Heizungssteuerungen in Form von intelligenten Thermostaten, die automatisch die Heiztemparatur senken, sobald ein Fenster geöffnet wird. Darüber hinaus gibt es etwa eine intelligente Stromverbrauchersteuerung oder intelligente Stromnetze. Ich glaube, dass die Digitalisierung nur bedingt oder langfristig dazu beitragen kann, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Man sollte den Heilsbringer nicht in der Technologie suchen, sondern eher im Menschen, also dem Verbraucher, der im maßgeblichen Sinne die Umwelt beeinflusst. Besonders in der Wirtschaftswelt schreiten digitale Transformationen voran. Welche Vorteile bringt die Digitalwirtschaft mit sich?
Unzählige. In Industrie und Wirtschaft geht es bei der »Digitalisierung« meist um die Digitalisierung von Prozessen. Früher oft händisch und aufwendig gestaltete Prozesse werden heute digital und somit vereinfacht abgewickelt - das bringt neben vielen weiteren Effekten unter anderem deutlich höhere Transparenz und Effizienz mit sich. Das spart Herstellungszeit und Kosten. Das funktioniert aber nur, wenn die bisher vorhandenen Prozesse im Vorfeld der Digitalisierung gründlich analysiert wurden. Es gibt nichts Schlimmeres, als veraltete unpraktische Prozesse nur in den neuen Mantel ›Digital‹ zu verpacken - das hilft dem betroffenen Unternehmen überhaupt nicht weiter. Wie sollten sich Unternehmen auf diese rasante Entwicklung der Digitalisierung vorbereiten?
Investieren. Aber nicht wild drauf los, sondern gut durchdacht. Alles muss im Vorfeld gut analysiert werden. Alle Vorteile und Umstände der Digitalisierung des eigenen Unternehmens sollten Berücksichtigung finden. Wichtig ist, dass man einfach beginnt und nicht ewig versucht, den besten Plan aller Pläne zu finden - den wird es ohnehin nicht geben können. Und: Der Mensch respektive der Mitarbeiter muss vom ersten Moment an mitgenommen werden. Nichts gefährdet die erfolgreiche Digitalisierung eines Unternehmens mehr, als Mitarbeiter die sich dagegen auflehnen, weil sie vorher nicht umfänglich über die Veränderungen aufgeklärt worden sind. Denn oft nehmen Mitarbeiter die Digitalisierung als Gefährdung ihres Arbeitsplatzes wahr. Und das ist die Digitalisierung in den meisten Fällen wahrlich nicht, da sich oft ganz neue Perspektiven durch die Digitalisierung ergeben. Müssen Unternehmen die Digitalisierung heute vorantreiben oder kann damit noch einige Jahre gewartet werden? Wer meint, sich heute und langfristig der Digitalisierung entziehen zu können, wird sicherlich in naher Zukunft eines Besseren belehrt werden. Ich glaube ganz fest daran, dass Unternehmen, die es einmal verpasst haben, die Digitalisierung rechtzeitig zu beginnen und konsequent voranzutreiben, es in nicht allzu ferner Zukunft sehr schwer haben werden, noch Anschluss zu finden. Ich will damit nicht sagen, dass diese Unternehmen zwangsweise vom Markt verschwinden werden. Betroffene Unternehmen werden es oft nur deutlich schwerer haben, marktgerecht arbeiten zu können. Als Beispiel kann man da den Handel heranziehen: Ein Großhändler, der seine Ware nicht im Internet entsprechend feil bietet, während es aber alle anderen Branchengrößen umfänglich tun, wird Zusehens an Umsatz verlieren. Einfach, weil der User im Internet sucht, den betroffenen Großhändler aber nicht findet. Wir sind in ständiger Mission unterwegs und klären auf. Aber selbst damit kann man nicht jedes Unternehmen von der Wichtigkeit der Thematik überzeugen. Die Vision Industrie 4.0 beschreibt ein Zukunftsbild einer umfassenden Digitalisierung in der industriellen Produktion. Wie viel Schritte sind wir davon noch entfernt? In einigen Branchen sind viele Konzepte der Vision ›Industrie 4.0‹ bereits eingezogen - als gutes Beispiel kann man da die Automobilbauer-Branche nehmen. Hier funktioniert vieles ohne moderne Steuerungstechnik, Software und Roboter gar nicht mehr. Viele Gewerke spielen bereits Hand in Hand und es werden alle digitalen Möglichkeiten ausgenutzt. Im Gegenzug gibt es aber auch viele Branchen, in denen davon noch so gut wie gar nichts zu spüren ist. Aber auch diese Branchen werden über kurz oder lang an digitalen Konzepten und Prozesse nicht vorbei kommen - spätestens dann, wenn deren Zulieferer bereits voll digitalisiert worden sind. Dabei beginnt man nicht automatisch mit Industrie 4.0, sondern oft eher mit vielen kleinen Schritten der Digitalisierung. In unserer täglichen Arbeit lernen wir immer wieder Unternehmen kennen, die eigentlich aufgrund ihrer Branche oder dem vorhandenen Auftragsvolumen schon sehr stark auf Digitalisierung angewiesen sind, die entscheidenden Schritte aber noch immer nicht eingeleitet haben. Hier kann man zumindest in einem ersten Step schnelle und effektive Maßnahmen ergreifen, die Abhilfe bringen. Diese Maßnahmen werden dann Schritt für Schritt in modernere Konzepte überführt und führen dann teilweise auch zur Industrie 4.0. Ich will damit sagen, dass wir nicht von heute auf morgen flächendeckend Industrie 4.0 vorfinden können, da der Weg dahin aus vielen kleinen Teilschritten besteht. Gerade Verwaltungen und Behörden müssen sich künftig drehen, um mit dem Zeitgeist zu gehen. Wie lautet Ihre Erfolgsformel, um weg von der Zettelwirtschaft und hin zu digitalen Leistungen zu gelangen?

Eine allgemeine Erfolgsformel gibt es nicht. Die wäre aus meiner Sicht nicht wirklich seriös. Es kommt immer auf den Zweck und das Einsatzgebiet an. Sicherlich müssen Behörden viele Informationen und Handlungsweisen digital bereitstellen und abbilden. Das darf im Umkehrschluss aber auch nicht dazu führen, dass Informationen nur noch digital im Internet zur Verfügung stehen. Das würde bedeuten, dass gerade viele ältere Menschen gar nicht oder kaum an die benötigten Informationen kommen. Vielmehr sollten diese Institutionen heute teilweise extrem komplizierte Prozesse zusätzlich digitalisieren und uns Bürgern somit in einfach zugänglicher Form bereitstellen. Damit meine ich etwa das Ausfüllen von Formularen, das Prüfen von Bearbeitungsständen oder das Beschaffen von Informationen. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, dass man vier Stunden bei einem Amt verbringt, um nachher zwei Zeilen in einem Formular ausfüllen zu können. Sicherlich gilt es hier auch einige datenschutzrechtliche Hürden zu überwinden sowie auch technische Voraussetzungen zu schaffen. Aber diese Umstände findet man in jedem Bereich der Digitalisierung. Daran sollte es schlussendlich nicht scheitern. Das würde in den Warteräumen für viel Platz sorgen und Menschen die nicht im Internet arbeiten möchten oder können, würden viel schneller zum Sachbearbeiter gelangen.

Erschwerend kommt auch der Umstand hinzu, dass man ab und zu immer noch auf teils veraltete Webseiten oder Webseiten mit alten Informationsständen stößt, die von Städten, Ämtern und Behörden betrieben werden. Das macht die Informationsbeschaffung nicht immer leicht. Fairerweise muss man aber sagen, dass dies oft einfach daran liegt, dass die Systeme zur Verwaltung der Webseiten zu alt oder umständlich sind. Ich denke man könnte Abhilfe verschaffen, in dem man ein einheitliches, umfangreiches Bürgerportal einführt, das unter anderem der vereinheitlichten Informationsbeschaffung dient, aber auch interaktive Themen wie etwa Umfragen oder Abstimmungen ermöglicht. Darüber hinaus würde ein Bürgerportal auch die Formularabwicklung und die sich daraus ergebenden innerbehördlichen Abläufe vereinfachen, weil es eine einheitliche Daten- und Verwaltungsstruktur geben könnte, mit der jeder über kurz oder lang umgehen kann. Eine Zettelwirtschaft hätte hier keine Chance mehr! Städte und Kommunen sollen ja zukünftig von digitalen Technologien profitieren. Die Stichworte »Smart City« und »Smart Country« sind in aller Munde. Wie betrachten Sie diese beiden »Smart«-Konzepte?

Beide Konzepte zielen im Prinzip nicht allein auf technische Veränderungen ab, sondern sind gesamtheitlich zu betrachten. Dabei geht es in erster Linie um Entwicklungskonzepte, die Städte und Regionen dabei unterstützen, Gesellschaftsleben, Technologie, Umwelt und Soziales Umfeld gemeinschaftlich weiterzuentwickeln. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Car-Sharing: Es hat die Art des Reisens innerhalb einer Stadt oder Region teilweise stark verändert. Man benötigt nur eine technische Plattform, in der sich Nutzer und Anbieter treffen, um das eigentliche Car-Sharing zu vereinbaren. Somit benötigt man selber kein eigenes Auto mehr. Das hilft dem Geldbeutel: Der Nutzer spart sich den Autokauf und die Betriebskosten. Der Anbieter kann sein Fahrzeug gewinnbringend einsetzen in der Zeit, wo er es selber nicht benötigt. Und oben drein hilft es auch der Natur, weil weniger Autos unterwegs sind. Also alles in allem eine gute Sache! Von der digitalen Revolution erhoffen sich Forscher auch Fortschritte hinsichtlich der Künstlichen Intelligenz (KI). Was, denken Sie, ist in dieser Richtung möglich? Viel heute noch unvorstellbares - und allein darüber könnte man ganze Bücher füllen. Ich denke, dass KI uns Menschen in nicht allzu ferner Zukunft sehr viele alltägliche Aufgabenstellungen abnehmen wird. Es gibt bereits seit einigen Jahren schon halbwegs brauchbare Konzepte und auch Geräte, die so etwas schon in einfachster Form bewerkstelligen. Dazu kann man zum Beispiel den intelligenten Kühlschrank heranziehen: Was wäre, wenn mein Kühlschrank all das automatisch erkennt und nachbestellt, was ich in den letzten Tagen aus diesem entnommen habe? Klingt vielleicht komisch, ist aber schon längst Realität. Es gibt Kühlschränke, die lernen was man wie oft verbraucht und nachkauft. Irgendwann hat er dann soweit gelernt, dass er diese Aufgabe selbstständig übernehmen kann. KI spielt darüber hinaus in so ziemlich jeden Bereich eine Rolle, die für uns Menschen alltäglich und normal sind. Sei es in der Medizin, in der Industrie oder bei Computerspielen. In den nächsten Jahren werden diese Technologien zunehmend spürbarer. Mit zunehmenden digitalen Daten in der Welt wächst auch die Gefahr von Datendiebstahl. Welche Maßnahmen gibt es, um sich vor Datenkopien zu schützen? Das ist ein sehr ernstes Thema, was leider technologisch bedingt wahrscheinlich immer bestehen wird. Kennen Sie den Spruch ›Das Internet vergisst nichts!‹? Das ist leider auch so. Ist eine Information einmal ins Internet gelangt, ist sie da so gut wie nicht mehr zu entfernen. Das Problem ist, dass sich Informationen superschnell auf verschiedene Server und auch Geräte von normalen Benutzern verbreiten, als das man schnell genug reagieren könnte. Das zeigen immer wieder Zwischenfälle bei großen Unternehmen, bei denen es immer wieder mal dazu kommt, dass Falschmeldungen - so genannte Fake-News - verbreitet werden, diese aber nicht mehr vollständig aus dem Internet entfernt werden oder nur durch langwierige Prozesse mühselig beseitigt werden können. Das passiert selbst den größten Größen des Internets. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist in erster Linie immer, zu verhindern oder es zumindest extrem zu erschweren, dass es überhaupt zu Datendiebstahl kommen kann. Darüber hinaus kann man nur jedem Benutzer immer wieder empfehlen, genau darauf zu achten, was man an persönlichen Informationen ins Internet oder neu gemachten Internetbekanntschaften zur Verfügung stellt. Da liegen die eigentlichen Gefahren für jeden persönlich.


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