Seitenlogo
C.M. Schwab/asl

Die Menschen von den Chancen überzeugen

Seit November 2019 ist Kathrin Schneider Chefin der brandenburgischen Staatskanzlei. Wochenkurier unterhielt sich mit ihr über den Strukturwandel der Lausitz.
Kathrin Schneider ist Chefin der brandenburgischen Staatskanzlei. Foto: www.brandenburg.de

Kathrin Schneider ist Chefin der brandenburgischen Staatskanzlei. Foto: www.brandenburg.de

Wir stehen vor einer der einschneidenden Veränderungen in der Lausitz seit der Wende. Wo sehen Sie die größte Herausforderung im Prozess des Strukturwandels? Mit Superlativen wäre ich vorsichtig – unsere Lausitz hat in ihrer Geschichte viele Veränderungen erfahren. Der beschlossene und jetzt gestartete Kohleausstieg läuft über einen Zeitraum bis 2038. Wir werden Veränderungen erleben, aber die sind planmäßig und wir können uns darauf vorbereiten. Die größten Aufgabenwerden sein, neue Industriearbeitsplätze zu schaffen, dem demographischen Wandel erfolgreich zu begegnen und dass die Lausitz wieder Zuzugsgebiet für junge Familien wird. Was mir aber besonders wichtig ist, dass wir die Menschen auch von den Chancen überzeugen, die in der Strukturentwicklung liegen. Viele sehen den Industriepark Schwarze Pumpe, der sich ja in Sachsen wie auch in Brandenburg befindet, als das Herz des Strukturwandels an. Sehen Sie das auch so? Wenn ja, was muss dort in den nächsten Jahren passieren, damit das Herz mit voller Leistungskraft arbeitet und den Kreislauf der gesamten Lausitz in Schwung bringt? Der Industriepark ist sicherlich eine Erfolgsgeschichte der Menschen und der Unternehmen vor Ort. Aber das industrielle Herz der Lausitz schlägt mittlerweile an vielen Orten: Im Industriepark Guben, am Standort Schwarzheide der BASF, im Gewerbegebiet von Finsterwalde; ich könnte noch viele aufzählen. Schwarze Pumpe erfährt noch in diesem Jahr mit der Inbetriebnahme der zweiten Papiermaschine bei der Firma Hamburger Rieger eine weitere wichtige Aufwertung. So langsam kommt der Industriepark an seine Grenzen- wir müssen neue Flächen erschließen und die Bahn- und Straßenanbindung weiter verbessern. Gleichzeitig müssen wir, gemeinsam mit der LEAG, neue Geschäftsfelder für die exzellenten Werkstätten des Unternehmens am Standort entwickeln. Da sind wir auf gutem Weg. Die beiden Landesregierungen haben sich vor wenigen Wochen auf die wichtigsten Verkehrsprojekte für den Strukturwandel geeinigt. Kritiker mahnen an, dass die Einigung nicht das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben steht, solange die Projekte nicht in Gesetz gegossen sind. Wann erwarten Sie einen solchen Beschluss und was werden Sie dafür tun, dass hier ein klares Signal gesetzt wird? Es war schon ein gewaltiger politischer Kraftakt, diese Projekte dahin zu bringen, wo sie jetzt sind. Sie können sich vorstellen, dass es viele Regionen in Deutschland gibt, die bessere Straßen und Schienenanbindungen haben wollen. Unsere Projekte werden jetzt im Strukturstärkungsgesetz verankert und haben so die Verbindlichkeit, die sie brauchen. Da wir über echte Großprojekte sprechen, die Milliarden Euro kosten werden, ist deren Realisierung über die nächsten Jahre vorgesehen. Das zweite Gleis Cottbus-Berlin gehört dazu. Nach allen Signalen, die wir aus Berlin bekommen, wird das Gesetz im Sommer verabschiedet werden. Das wird auch dringend Zeit. Über lange Zeit wurde eine länderübergreifende Institution zur Lenkung des Strukturwandels in der Lausitz favorisiert. Diskutiert wurde dabei auch, der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL) diese Rolle zuzugestehen. Mittlerweile hat Sachsen mit der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung GmbH (SAS) eine landeseigene Strukturentwicklungsgesellschaft gegründet. Mancher sieht das als Alleingang Sachsens und kontraproduktiv für einen einheitlich geführten Strukturwandel. Halten Sie die Kritik für berechtigt? Wie stellen Sie sich zukünftig die länderübergreifende Zusammenarbeit vor? Unser Bestreben ist eine Strukturentwicklung aus einem Guss, denn was Hoyerswerda gut tut , tut auch Spremberg gut. Dass die technische Abwicklung der Strukturentwicklung jetzt von zwei Gesellschaften erfolgt ist aus Sicht der Finanzierung richtig- wir können keinen Brandenburger Euro in Sachsen ausgeben und umgekehrt. Damit es nicht zu Alleingängen oder konträren Strategien kommt, haben wir auf politischer Ebene regelmäßige Konsultationen verabredet, auf Arbeitsebene haben wir monatliche jour fixe der beiden Lausitz-Beauftragten. Daneben wird es eine enge Zusammenarbeit der beiden Gesellschaften im Bereich konkreter länderübergreifender Projekte geben. Man sieht wir haben weiter eine Lausitz im Blick! Die Gesundheitskrise der letzten Wochen hat auch die regionale Wirtschaft in der Lausitz ins Wanken gebracht. Bund und Länder geben eine Menge Geld aus, um hier abzufedern. Werden noch genug Mittel und genug Kraft vorhanden sein, um nötige strukturelle Veränderungen in der Lausitz zu finanzieren beziehungsweise zu begleiten? Wie wollen Sie das gewährleisten? Wir haben uns im derzeitigen Koalitionsvertrag klar und fest zur Unterstützung der Lausitz bekannt. Wir haben und werden die finanzielle Vorsorge aus dem Landeshaushalt leisten. Der größte Teil der Gelder wird uns vom Bund zur Verfügung gestellt, es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Bund nicht zu seinem Wort steht. Vielmehr kommt das Strukturprogramm für die Lausitz zur rechten Zeit um die Wirtschaft wieder, auch mit diesen Mitteln, hochzufahren. Die bürgerschaftlich getriebene »Lausitzrunde«, allen voran der Oberbürgermeister von Weißwasser, Torsten Pötzsch und Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg, hat 2016 in einer Art »zivilen Ungehorsams« die Initialzündung dafür geliefert, dass die Bundesregierung sich intensiv mit einem verantwortbaren, geplanten Strukturwandel, der nicht in einen -abbruch gleitet, beschäftigen musste. Mittlerweile kümmern sich Bund, Länder und verschiedene staatliche Institutionen um diese Entwicklung. Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der »Lausitzrunde« in diesem Prozess? Die Lausitzrunde war ungemein wichtig um das abstrakte Thema »Strukturentwicklung« ein konkretes Gesicht zu geben. Dank der aktiven Mitarbeit der vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von Mühlberg bis Forst und von Schönefeld bis Zittau ist dem politischen Berlin unsere Lausitz mit Ihren Vorzügen aber auch mit Ihren Problemen bekannt. Das hätten wir so aus Potsdam oder Dresden nicht leisten können. Die verschiedenen Akteure der Lausitz sind in den letzten Monaten aufeinander zu gegangen. Die Lausitzrunde hat den Vorsitz im Aufsichtsrat der Wirtschaftsregion (WRL), die Innovationsregion Lausitz iRL ist auf dem Weg einer engen Kooperationsvereinbarung mit der WRL. Man sieht die Kräfte bündeln sich. Die kommunalen Spitzen in der Lausitzrunde, aber auch jene, die dort nicht organisiert sind, werden im weiteren Prozess eine wichtige Rolle haben. Die Gremien vor Ort wissen in der Regel am besten, wo der »Schuh drückt«. Das Interview führte C.M. Schwab.


Meistgelesen