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Carola Pönisch

Mohrenhaus/Mohrenstraße: Der Mohr muss weg!?

In Radebeul gibt es ein Mohrenhaus und eine Mohrenstraße. Und seit Jahresbeginn einen Streit darüber, ob man beides noch so nennen darf. Ein erster Bürgerdialog zu diesem Thema fand statt. Die Fragen bleiben.
Dr. Thomas Bürger (stehend) setzte sich zu Beginn der Diskussion geschichtlich mit dem Begriff »Mohr« auseinander und beleuchtete die Kolonialzeit. Lobenswert: Auch Schüler der RIKA-Gruppe waren anwesend und standen Rede und Antwort. Der Bürgerdialog wird fortgesetzt. Foto: Pönisch

Dr. Thomas Bürger (stehend) setzte sich zu Beginn der Diskussion geschichtlich mit dem Begriff »Mohr« auseinander und beleuchtete die Kolonialzeit. Lobenswert: Auch Schüler der RIKA-Gruppe waren anwesend und standen Rede und Antwort. Der Bürgerdialog wird fortgesetzt. Foto: Pönisch

Seit Anfang des Jahres wird darüber in Radebeul heftig gestritten: Dürfen Mohrenhaus und Mohrenstraße heute noch so heißen? Nein, sagt eine Radebeuler Schülergruppe namens RIKA (»Rassismus ist keine Alternative«) und sammelte per Petition 1.160 Stimmen für die Umbenennung. »Wir können unsere Geschichte nicht umschreiben, alles soll bleiben wie es ist und vor allem: Keine Überempfindlichkeit und Hysterie «, sagen viele Radebeuler, was sich in rund 2.000 Unterschriften einer Petition der »Elterngruppe Mohrenhaus« widerspiegelt. Wie also weiter mit dem Namen »Mohr«? Ein erstes Bürgergespräch am 14. Juli, sehr gut moderiert von Dr. Thomas Bürger (Leiter der SLUB Dresden) und Anka Singer (beide Einwohner der Lößnitzstadt), blieb erwartungsgemäß ergebnisoffen. Argumente, »Mohr« sei absolut rassistisch und nicht mehr zeitgemäß, trafen auf Gegenargumente, zum Beispiel dass der Heilige Mauritius ein Schwarzer war, den die katholische und die orthodoxe Kirche seit dem 4. Jahrhundert als Heiligen ehrt, weil er Führer einer Legion war, die sich vermutlich im Jahr 302/303 weigerte, Christen zu töten.  Daraufhin ließ Kaiser Maximian erst jeden Zehnten der Legion, schließlich alle 6.600 Männer töten. Was in der abendlichen Diskussion im Kulturbahnhof zu der Frage führte, ob der Begriff Mohr generell nur negativ gesehen werden darf. Warum das Mohrenhaus so heißt ist übrigens nicht wirklich belegt. Der Begriff taucht wohl im Juli 1821 erstmals auf, als Weinbergsbesitzer Ludwig Pilgrim den Verkauf seiner Trauben vom »Weinberg Mohrenhaus« mehrfach in der Presse annoncierte. Das Wappen mit dem Mohr kam erst 1911 an die Hausfassade, als Millionär und Fabfikbesitzer Emil Alwin Bauer die große Villa umbauen ließ. Offiziell ist dieses Haus übrigens nie als Mohrenhaus geführt worden. Der im März 1912 bis dato namenlose Weg erhielt seinen Namen »Mohrenstraße« quasi aufgrund von Umgangssprache.    Doch hilft all das weiter? Darf Heinrich Heines Gedicht »König der Mohren« noch zitiert werden? Muss der »Mohr mit Smaragdstufe« aus dem Grünen Gewölbe verschwinden? Dass Kolonialismus, Skalverei, Menschenschauen mit Schwarzen und Rassismus zu verurteilen sind - keine Frage. "Geschichte ist nie schwarz-weiß", formulierte es Dr. Thomas Bürger und die Zeitzeugnisse jeder Geschichte, vor allem ihre Kunstwerke, haben immer eine schöne und eine hässliche Seite, auch das steht außer Frage. Die Frage ist: Müssen alle vermeintlich rassistischen, heute politisch unkorrekten Bezeichnungen gestrichen werden? Oder können sie in ihren historischen Kontext gestellt werden, ohne zu verschwinden? Geschichte lässt sich nicht nach Belieben umschreiben oder rückgängig machen, aber sie kann erklärt werden. Es wäre vielleicht ein Anfang, wenn mehr als die etwa 40 Bürger des 1. Bürgerdialog diese Thema mitdiskutieren, wenn es eine Befragung aller Radebeuler gäbe mit einer Beteiligung jenseits der 50 Prozent-Marke. Ein zweiter Bürgerdialog soll im September folgen.


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