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PM/Jannis Simons

Strukturwandel in der sächsischen Lausitz nimmt Fahrt auf

Regionaler Begleitausschuss verabschiedet 38 kommunale Vorhaben.
Gleich für über 50 geplante Strukturwandelprojekte gab der Regionale Begleitausschuss ein Votum auf seiner ersten Sitzung ab [v.l.n.r.: Landrat Bernd Lange, Vorsitzende Birgit Weber, Geschäftsführer Sächsische Agentur für Strukturentwicklung GmbH - Jörg Mühlberg). Foto: Sächsische Agentur für Strukturentwicklung GmbH

Gleich für über 50 geplante Strukturwandelprojekte gab der Regionale Begleitausschuss ein Votum auf seiner ersten Sitzung ab [v.l.n.r.: Landrat Bernd Lange, Vorsitzende Birgit Weber, Geschäftsführer Sächsische Agentur für Strukturentwicklung GmbH - Jörg Mühlberg). Foto: Sächsische Agentur für Strukturentwicklung GmbH

„Der Strukturwandel in unserer Heimat kann nur gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen“, sagte Birgit Weber, Vorsitzende des Regionalen Begleitausschusses (RBA) der Lausitz und Beigeordnete des Landkreises Bautzen vor Beginn der ersten Sitzung des RBA am vergangenen Dienstag in Weißwasser. Nachdem sich das Gremium Ende April konstituiert hatte, ging es erstmals darum, konkrete Projekte in Augenschein zu nehmen und über deren Förderfähigkeit zu entscheiden. Dazu lagen den Mitgliedern 40 kommunale Projekte und 12 Landesprojekte aus allen Bereichen, von der Daseinsfürsorge über Verkehr, Kultur bis hin zum Tourismus, vor. „Wir haben alle Projekte ausführlich betrachtet und beurteilt. Ein jedes davon war qualitativ gut, entscheidend aber war für uns zu jeder Zeit der Fakt, dass die Projekte dem Strukturwandel in unserer Region dienen“, so Birgit Weber. Nach rund vierstündiger Beratung verabschiedete der RBA am Ende 38 kommunale Projekte mit einem Gesamtvolumen von etwa 130 Millionen Euro und gab ein Votum für 12 Landesprojekte ab, von denen eins abgelehnt wurde. Kommunale Projekte der Landkreise Bautzen und Görlitz Kommunale Projekte aus dem Landkreis Bautzen, die befürwortet wurden, sind u.a. der Aufbau des Kulturhauses Bischofswerda zu einem Kommunal- und Kulturzentrum, die Errichtung eines Umweltbildungszentrums in Neschwitz oder die Erweiterung des Technologiezentrums in Rossendorf. Die Stadt Hoyerswerda, die laut Weber den Strukturwandel im Landkreis am deutlichsten spüren werde, bekam für drei große Projekte ein positives Votum. Dabei geht es um die Sanierung der Lausitzhalle sowie des Lausitzbades und um den Aufbau eines Energieleitzentrums. Im Landkreis Görlitz sind die Errichtung eines Trinkwasserverbundsystems und die Sanierung des Bahnhofes in Weißwasser sowie der Ausbau des Görlitzer Tierparks hervorzuheben.
Zwei kommunale Projekten wurden zunächst zurückgestellt. Das betrifft den geplanten Neubau eines Parkhauses in Pulsnitz und die beantragte Anschaffung von Niederflurstraßenbahnen seitens der Stadt Görlitz. „Bei beiden Projekten fehlen uns noch die nötigen Informationen, was Wirksamkeit für die Region und die Nachhaltigkeit betrifft“, erklärte Weber. Photovoltaik-Anlage abgelehnt Der RBA sprach sich dafür klar für vier große Landesprojekte aus. Dazu zählen die Sanierung der Talsperre Quitzdorf, der Aufbau eines sorbischen Wissenschaftsforums am Lauenareal in Bautzen, der Umzug der Landesuntersuchungsanstalt von Dresden nach Bischofswerda sowie die Gründung eines Forschungsstandortes für „grüne“ Carbonfasern am Kraftwerksstandort Boxberg. Eine schwimmende Solaranlage auf dem Bärwalder See wurde indes abgelehnt beziehungsweise bekam ein negatives Votum. „Zum einen haben die Unterwasserbehörden der beiden Landkreise, aber auch die Landesdirektion erhebliche Bedenken zum dafür erforderlichen Eingriff in die Natur geäußert. Zum anderen würden sich große Schwierigkeiten beim Genehmigungsverfahren ergeben, was die Sicherheit bei Extremwetterlagen betrifft“, begründete Birgt Weber die Entscheidung. Unklar ist jedoch, wie das Land mit diesem Votum umgeht. „Der Ausschuss kann in der Angelegenheit lediglich eine Stellungnahme abgeben“, sagt Bernd Lange, Landrat des Landkreises Bautzen und ebenfalls Mitglied im RBA. Kritische Stimmen aus Dresden Nachdem vor fast genau einem Jahr Bundestag und Bundesrat den Weg für die Gesetzespakete zum Kohleausstieg und Strukturwandel freigemacht haben, hat mit den Sitzungen der Regionalen Begleitausschüsse in den beiden sächsischen Braunkohlerevieren der Prozess nun Fahrt aufgenommen. Die ersten Gelder könnten schon in diesem Jahr fließen. Bis 2026 muss knapp eine Milliarde Euro kassenwirksam umgesetzt werden. „Die Lausitz ist eine unglaublich vielfältige Region mit Menschen, die engagiert sind, sich einbringen wollen. Wir haben über viele kreative Vorschläge und Projektideen gesprochen, die es nun zeitnah umzusetzen gilt“, so Weber. Scharfe Kritik kam derweil von der IHK Dresden und ihrem Hauptgeschäftsführer Dr. Detlef Hamann. Er habe große Zweifel, inwieweit die einzelnen Vorhaben geeignet sind, um die ostsächsische Region nach dem Aus von Braunkohleförderung und -verstromung strukturell neu auszurichten und vor allem wirtschaftlich zukunftsfest zu machen. Er kritisiert auch, dass von den eingereichten Landesprojekten „gerade diejenigen keine Empfehlung zur Umsetzung erhalten haben, die sich aus unserer Sicht durch das größte Innovationspotenzial und eine ausgesprochene Wirtschaftsnähe auszeichneten. Damit geht der Wirtschaftsstandort Lausitz am heutigen Tag als klarer Verlierer aus dem Ring“, so der Geschäftsführer der IHK deutlich. Birgit Weber dagegen meint: „Eine starke Wirtschaft benötigt auch eine starke Kultur und abwechslungsreiche Tourismusangebote, damit die Region lebenswert bleibt.“ „Prozess muss Diskussionen aushalten“ Was den Prozess außerdem erschwert, ist die Tatsache, dass das Strukturstärkungsgesetz deutliche Grenzen hat. Es ist keine Unternehmensförderung möglich und es kann keine Privatperson einen Antrag stellen. Dazu sind viele Bereiche ausgeschlossen, wie z.B. Straßen- und Schulinfrastruktur. „Das müssen wir einfach besser kommunizieren“, so Weber. Bernd Lange warb bei aller Kritik auch um Verständnis: „Es ist ein lernender Prozess für uns alle, der Diskussionen aushalten muss.“ Gleichwohl fordert er vom Bund eine Planungsbeschleunigung, damit Projekte schneller umgesetzt werden können.
Die durch den RBA positiv beschiedenen Vorhaben müssen jetzt noch dem Sächsischen Ministerium für Regionalentwicklung vorgelegt werden, bevor der Bund eine endgültige Entscheidung zur Finanzierung trifft. Erst dann kann es vor Ort mit den Förderantragsstellungen richtig losgehen.
Hintergrund:
Die 40 kommunalen Vorhaben, über die heute im Rahmen des RBA entschieden worden ist, sind nach der „Förderrichtlinie für Zuwendungen nach dem Investitionsgesetz Kohleregionen – RL InvKG“ qualifiziert und priorisiert worden. Der Regionale Begleitausschuss hat hierbei die Kernaufgabe inne, am Projektauswahlverfahren mitzuwirken. Birgit Weber: „Wir befinden uns in einem lernenden und stets weiterlaufenden Prozess. Mit dem Tag heute endet zwar unsere erste Sitzung, nicht aber der Qualifizierungsprozess neuer Vorhaben. Ich weiß, dass bereits jetzt an weiteren Projekten gearbeitet wird, über die wir dann hoffentlich am 3. November bei unserer nächsten RBA-Sitzung sprechen und entscheiden können“.
Mitglieder des RBA: Vertreter der Landkreise Görlitz und Bautzen, Bürgermeister, verschiedene Interessensgruppen aus Bereichen der Wirtschaft, der Arbeitnehmer, des Sozialen, Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit und Demokratie, Wissenschaft und Bildung, Kultur, Tourismus und Sport, Umwelt und Klimaschutz, Klima und Energie, Land- und Forstwirtschaft, regionaler Planungsverbände, LEADER-Gebiete, Kinder und Jugend und zivilgesellschaftlicher Netzwerke
Downloads: Projektliste aller befürworteten kommunalen Projekte.


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