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"Ein Bild des Rumeierns"

Der Landkreis Görlitz hat heute einen Inzidenzwert von unter 100. Die Rückfallregelung greift diese Woche also nicht. Mit dem starren Blick auf die Hundertermarke ist man in der Verwaltung sehr unzufrieden.
Die Rückfallregelung greift vorerst nicht. Auch Click & Meet beibt also vorerst erlaubt. Foto: Pönisch

Die Rückfallregelung greift vorerst nicht. Auch Click & Meet beibt also vorerst erlaubt. Foto: Pönisch

96,9. Tief durchatmen. Das RKI hat heute einen Inzidenzwert von unter 100 für den Landkreis gemeldet. Heißt: Die Lockerungen bleiben. Zoos und Museen bleiben mindestens bis Montag offen, Schulen und Kitas bis zu den Osterferien. Warum der Unterschied? Weil unterschiedlich gezählt wird. Mal sind drei aufeinanderfolgende Tage mit Inzidenz über 100 ausschlaggebend, mal fünf. Mal zählt jeder Tag, dann wieder nur Werktage. Mal wird am zweiten darauffolgenden Werktag geschlossen, mal erst in der darauffolgenden Woche.  Mit den Zahlen ist es insgesamt so eine Sache. Das RKI meldete heute 96,9. „Wundersam“ nennt das Bernd Lange in einer Online-Pressekonferenz zur Corona-Lage. Die Zahlen des Kreises, die sich mit denen des RKI gestern noch deckten, sagen etwas Anderes. „Wir wissen aber nur, wie wir unsere Zahlen errechnen. Den Algorithmus des RKI kennen wir nicht“, so Lange. Überhaupt ist der Kreis mit dem starren Blick rein auf Inzidenzwerte mehr als unzufrieden. Der Appell an den Freistaat lautet: Überdenkt eure Öffnungsstrategie. Denn trotz Inzidenz um die 100 sind genug Kapazitäten in den Krankenhäusern vorhanden. 30 Intensivbetten werden für Coronapatienten vorgehalten, 12 sind (Stand 15.03.) belegt. Das liegt auch daran, dass Teile der Risikogruppe bereits geimpft sind. In Alten- und Pflegeheimen wurde bereits geimpft. Im Kreis haben 50 Prozent der über 80-Jährigen den Schutz ebenfalls bereits erhalten. Die Infektionshotspots finden sich derzeit in Schulen und Kitas. Die Krankheitsverläufe sind dort aber weniger dramatisch.  „Wir haben auch Kinder, die deutliche Symptome zeigen. Aber nicht so schlimm, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssten“, sagt Sozialdezernentin Martina Weber. Mit anderen Worten: Eine Inzidenz von 100 bedeutet im März 2021 eben nicht das gleiche wie im Oktober 2020. Genau deswegen wünscht man sich von Seiten des Landkreises, auch andere Faktoren in den Öffnungsplänen zu berücksichtigen, eben beispielsweise die Auslastung der Krankenhäuser. Landrat Bernd Lange äußert hier deutliche Kritik. Mit einem „willkürlichen festgelegten Wert“ wie der Inzidenz ließen sich Schließungen und Lockdowns den Menschen schwer erklären. „Ich erwarte von Seiten der Wissenschaft, dass es klare Erklärungen gibt, wenn wir schließen, wenn wir in den Lockdown gehen.“ Das sei aber nicht passiert. Wenn alle Krankenhausbetten belegt sind und man deswegen Maßnahmen verschärft um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, verstünden das viele Menschen. Bei der Überschreitung eines Hunderterwertes nicht. Man gebe so den Politikern, die letztlich die Entscheidungen treffen und verantworten müssen, keine Argumente. Auch das jetzt darüber diskutiert wird, Schulen trotz Inzidenzen über 100 offen zu lassen, man aber Zoos und Museen, die klare Hygienekonzepte haben, bei 100 dichtmachen will, sei nicht nachvollziehbar. „Bei der Bevölkerung kommt so ein Bild des Rumeierns an“, so Lange. Korrektur: In einer älteren Version des Artikels war der Absatz zu finden: „Dass es eigentlich Verschärfungen geben sollte, wenn im Kreis oder dem Freistaat gewisse Werte erreicht sind, scheint in der Praxis bereits egal. Denn Sachsen hatte gestern bereits am dritten Tag in Folge eine Inzidenz über 100. Doch die Verwaltung orientiert sich an den Zahlen für den Kreis, die Rückfallregelung greift also momentan nicht. Es sei denn der Freistaat greift noch ein, wonach es aktuell aber wohl nicht aussieht.“ Offenbar sind die Inzidenzwerte von Freistaat und Kreis bzw. Kreisfreier Stadt aber nur gemeinsam zu betrachten, wenn es um das Unterschreiten der Grenzwerte, also um Lockerungen geht. Die dürfen nur erlaubt werden, wenn sowohl im Kreis als auch im Freistaat der jeweilige Wert unterschritten ist. Die Rückfallregelung, also das Aussetzen der Lockrungen bei steigenden Inzidenzen, ist nur von den Inzidenzwerten des Landkreises bzw. der Kreisfreien Stadt abhängig. So liest es sich in der Sächsischen Corona-Schutzverordnung, in der unter dem Absatz Rückfallregelung nur von „Landkreis oder Kreisfreier Stadt“ die Rede ist.


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