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André Schramm

Neue B6 in Stetzsch: „Abgeschnitten“

Wo es Gewinner gibt, sind Verlierer nicht weit. Das gilt auch beim Neubau der B6. In letztere Kategorie dürften sich die Bewohner oberhalb des Haltepunktes Stetzsch einsortieren. Ihre Wege werden durch die Trasse deutlich länger – sofern sie das Auto nutzen.
Peter Bartels von der Bürgerinitiative am Rad- und Fußweg, der einmal zur Straße ausgebaut werden soll. Foto: Schramm

Peter Bartels von der Bürgerinitiative am Rad- und Fußweg, der einmal zur Straße ausgebaut werden soll. Foto: Schramm

Bisher kommen die Anwohner des "Martin-Luther-Rings" und der Straße „Seegärten“ recht komfortabel hinunter in die Stadt. Sie biegen auf die Straße „Am Urnenfeld“ ein, überqueren die Gleise und sind alsbald auf der heutigen B6. In Zukunft wird das nicht mehr möglich sein, denn die neue 4 Kilometer lange Trasse trennt das Wohngebiet vom Rest, der Bahnübergang fällt weg. „Wir haben mehrmals eine etwas versetzte Unterführung für Fahrzeuge, Fußgänger und Passanten vorgeschlagen, leider ohne Erfolg“, schimpft Peter Bartels von der Bürgerinitiative „B6 – so nicht!“. Stattdessen, so Bartels weiter, werde eine völlig neue Erschließungsstraße gebaut – mit erheblichen Folgen für die Anrainer. Seit 2016 kämpft die BI dafür, die Belastungen für die Anwohner so gering wie möglich zu halten. Sie hat u.a. bereits mehrere Petitionen eingereicht und Schreiben an Ministerien aufgesetzt - ohne Erfolg. Die neue B6 ist seit einer Weile Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans 2030. Der Freistaat mache in seinem Antrag dazu falsche Angaben, lautet der Vorwurf der BI. Gemeint ist damit, dass die Trassenführung laut Antrag nur indirekte Betroffenheit verursache. Aus Fußgängertunnel wurde Brücke Tatsächlich war an besagter Stelle zunächst eine Unterführung geplant, jedoch nur für Passanten. „Bei zwei öffentlichen Informationsveranstaltungen zur B 6 im Jahr 2017 wurde seitens der Bevölkerung massiver Widerstand gegen den ursprünglich geplanten Fußgängertunnel an der Querungsstelle Am Urnenfeld geäußert“, teilt die Infrastrukturgesellschaft DEGES auf Nachfrage mit. Gründe seien damals u.a. die Unübersichtlichkeit, befürchtete Kriminalität, Vandalismus u.v.m. gewesen. Die Sicherheitsbedenken der Anwohner hätten schließlich zu einer Umplanung zugunsten einer barrierefreien Fußgängerbrücke geführt, hieß es weiter. Das Bauwerk wird eine Höhe von sieben Metern haben und über Aufzüge verfügen. „Schulkinder über eine sieben Meter hohe Brücke zu schicken halte ich für keine gute Idee“, sagt Bartels. Kosten-Nutzen-Verhältnis schlecht Aus Sicht der DEGES gibt es aber weitere Gründe, die gegen eine Kfz-Unterführung sprechen – allen voran das Missverhältnis zwischen der Verkehrsbelastung an der Stelle und dem hohen technisch-wirtschaftlichen Aufwand, der betrieben werden müsste. Tunnelbau, -betrieb und -wartung wären äußerst aufwendig. Hinzu kämen immense und lange Eingriffe in den Zugverkehr. Die Überschreitung der Rampenneigung für die Tunneleinfahrt und der fehlende Platz dafür seien weitere Probleme. Jedenfalls kamen die Planer zu dem Schluss, dass die Umwegstrecke bzw. die längere Fahrzeit vertretbar und verhältnismäßig seien. Die neue Strecke Die geplante Anbindung des Wohngebietes ist heute noch ein unbefestigter Fuß- und Radweg („Am Hang“), der oberhalb der künftigen Trasse neben einer Gartensparte verläuft. Durch den Ausbau zur Straße und der Anbindung an den (neuen) Grünen Weg samt Brücke gelangen die Menschen später einmal zur alten B6. In gegengesetzter Richtung wird auch das Tierheim erreichbar sein. Allerdings wurde hier im weiteren Verlauf vom ursprünglich geplanten Ausbau zur öffentliche Straße – soweit es möglich ist - abgesehen, um die Eingriffe in Anrainergrundstücke so gering wie möglich zu halten, heißt es von der DEGES. Für die geplante Straße, so sagt Bartels, gäbe es keine Gutachten und keine Kostenermittlung. Mit einem Autotunnel könnte man sich das außerdem alles sparen, schiebt er hinterher. Die DEGES widerspricht dem. „Selbstverständlich sind die Planungen zur Straße „Am Hang“ integraler Bestandteil der Voruntersuchungen bzw. der Kartierungsleistungen zu Fauna und Flora und wurden insofern auch im Umweltbericht und im aktuellen Landschaftspflegerischen Begleitplan berücksichtigt“, heißt es aus Berlin. Der genaue Umfang des Eingriffs in die Bestandsbebauung sei Gegenstand der aktuell aufzustellenden Planfeststellungsunterlagen. Fest steht aber: Der Eingriff in die Kleingartenanlage wird erheblich sein, allein schon um den Tummelsbachs als Deichanlage wiederherzustellen. Auch auf der Trassenseite dürften Parzellen wegfallen bzw. müssten Grundstücke beschnitten werden. „Bei alldem kann man nicht von indirekter Betroffenheit sprechen“, meint Bartels mit Blick auf den Passus im Antrag. Längere Wege mit dem Auto Für die Anwohner, die damit ihre direkte Verbindung zur alten B6 verlieren, werden die Fahrstrecken damit länger: in Richtung Meißen bis auf die alte B 6 nur um ca. 100 Meter, in Richtung Dresden bis auf die alte B 6 um ca. 1.600 Meter. So hat es die DEGES errechnet. Würde man auf den Ausbau der Straße „Am Hang“ verzichten, kämen auf diese Umwegstrecken noch rund 300 Meter obendrauf – für die alternative Verbindung über die Straßen „Am Berg“ und „Elbhangstraße“. Gegenwärtiger Stand Die neue B6 soll einmal vom unteren Staubecken bis zum Autobahnzubringer Altstadt verlaufen und die Ortsteile Cossebaude, Stetzsch und Kemnitz vom Durchgangsverkehr entlasten. Das Planfeststellungsverfahren soll voraussichtlich Anfang 2022 beantragt werden. Die DEGES rechnet vorsichtig mit einer Verfahrensdauer von mindestens zwei Jahren und einer Bauvorbereitungszeit von mindestens anderthalb Jahren. Vor dem Planfeststellungsverfahren ist eine weitere Bürgerinformationsveranstaltung vorgesehen. Die BI hat angekündigt, die Aufnahme des Projektes in den Bundesverkehrswegeplan prüfen zu lassen.


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