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Verena Farrar

Höhere Strompreise in Riesa ab Mai 

Riesa. Günstiger Strom der Stadtwerke geht zu Ende, Anbieter hofft auf EEG Abschaffung.  
Mehr davon: Geschäftsführer René Röthig im großen Interview...

Seit Herbst 2021 sind die Strompreise an den Handelsmärkten nahezu explodiert und die geopolitische Weltlage verschärft dies maßgeblich. Die extremen Preisentwicklungen bleiben bei den Lieferanten nicht ohne Folgen: Insolvenzen, Vertragskündigungen, starke Preiserhöhungen oder der Rückzug aus dem Geschäftsfeld prägen den Alltag in der Energiebranche. Aus diesem Grund kommen auch die Stadtwerke Riesa nicht umhin, nach über einem Jahr Preisstabilität den Strompreis jetzt anzupassen.
 
Der Strompreis der Stadtwerke Riesa GmbH (SWR) konnte seit dem Januar 2021 stabil gehalten werden. Täglich neue Preisrekorde an den Handelsmärkten für elektrische Energie prägen jedoch das letzte halbe Jahr. Dieser Entwicklung kann sich auch die SWR nicht entziehen und muss ihre Strompreise zum 1. Mai um 2,80 Ct/kWh (netto) anheben. »Im Vergleich zur Marktlage, wo sich die Energiepreise fast verfünffacht haben, garantieren wir trotz der Preisanpassung einen sehr wettbewerbsfähigen Strompreis«, erklärt Geschäftsführer René Röthig.
 
In diesen Zeiten ist Stromsparen wichtiger denn je, um Ressourcen und den persönlichen Geldbeutel zu schonen. Hilfreiche und in den Alltag integrierbare Stromspartipps finden Interessierte online: www.stw-riesa.de/energieeffizienz.
Für die Kunden kann allerdings bereits in Kürze wieder ein starker Wandel passieren: Derzeit plant die Bundesregierung den Wegfall der EEG-Umlage zum 1. Juli. Insofern dies umgesetzt wird, garantieren die Stadtwerke die Absenkung des Strompreises in Höhe der EEG-Umlage, welche aktuell mit 3,723 ct/kWh (netto) im Arbeitspreis enthalten ist.
 

Eigenversorgungsmodelle – Mieterstrom, PV-Elektromobilitäts-Ladeinfrastruktur

(Interview mit René Röthig, GF der Stadtwerke Riesa)
 

Wie agiert Riesas kommunaler Energieversorger in den Zeiten extremer Energiepreisentwicklungen? Welche unmittelbaren Konsequenzen haben die derzeitigen Entwicklungen der internationalen Energiemarktpreise unmittelbar für die Stadtwerke Riesa?

Wir sind durch die Unwegbarkeiten, mit denen wir alle durch die Auswirkungen der coronabedingten Restriktionen zu kämpfen hatten noch gar nicht vollständig durch, da stellt die Ukrainekrise die Gesellschaft schon vor die nächste globale Herausforderung. Die Konsequenzen sind drastisch, unmittelbar und in der gesamten Breite der Gesellschaft, ob privat oder geschäftlich, spürbar. Für die Stadtwerke kann ich sagen, so lange Energielieferungen nicht kurzfristig ausbleiben und bestehende Verträge erfüllt werden, sehen wir uns der derzeitigen Situation gewachsen.

 

Woran liegt es, dass die SWR GmbH sich stabil sieht, während zahlreiche Energielieferanten in der jüngsten Vergangenheit Insolvenz anmelden mussten?

Im Wesentlichen ist dies das Ergebnis unserer Strategie risikominimierend zu agieren. Dagegen agierten viele von den Energielieferanten, die jetzt in Schwierigkeiten geraten sind, nach der Devise, höchste Gewinnchancen durch maximale Risiken erwirken zu wollen. 

 

Was genau meinen Sie damit?

Die SWR prognostizieren den Energiebedarf ihrer Kunden zunächst sehr sorgfältig. Auf der Basis dieser Prognose kaufen wir in mehreren Tranchen über mehrere Jahre die Energiemenge ein. So sichern wir im Wesentlichen frühzeitig den Kundenbedarf zu dann kalkulierbaren Preisen. Discountanbieter setzen häufig darauf, dass kurz vor Lieferung der Preis am niedrigsten ist und kaufen die Gesamtmenge erst kurz vor dem Liefertermin. Wenn diese Spekulation aufgeht, machen sie erhebliche Gewinne, wenn nicht, verschwinden sie vom Markt, wie jüngst zu beobachten war. Unsere Trancheneinkaufsstrategie nach Kundenbedarf ist übrigens auch der Grund, warum die SWR trotz Vervielfachung der Energiepreise an den Handelsplätzen die Kunden der SWR im Vergleich von deutlich geringeren Preisanpassungen betroffen sind. In den Vergleichsportalen sind wir derzeit in Riesa mit großem Abstand der günstigste Energieversorger.

 

Das zeigt, dass der Riesaer Kunde der Stadtwerke von unserer Strategie profitiert. Irgendwann sind die günstig beschafften Mengen sicher aufgebraucht, was dann?

Den grundsätzlichen und langfristigen Energiepreisentwicklungen können wir uns als SWR natürlich auch nicht entziehen. Auch deshalb haben wir nach der Realisierung unseres Industrieabwärmeprojektes mit Feralpi schon 2019 mit dem Aufsichtsrat eine fortführende Strategie erarbeitet und beschlossen, deren Elemente sich jetzt auch in den Maßnahmen der Bundesregierung wiederfinden. Entkopplung von Abhängigkeiten und ein guter Anteil an erneuerbaren Energien sind zunehmend geforderte Lösungswege hierbei, die auch in der Strategie der SWR Einklang gefunden haben und uns zum Bau einer Freiflächen-PV Anlage ermutigten. Konkret erfolgen derzeit alle notwendigen Maßnahmen zur Erfüllung der Artenschutzauflagen, so dass der Genehmigungsprozess unseres PV-Kraftwerkes an der Rostocker Straße weiter vorankommt. Aufmerksame Spaziergänger können sehen, dass auf dem Gelände zahlreiche Zauneidechsenhabitate errichtet wurden. Grundsätzlich erhoffen wir uns mit diesem Projekt einen weiteren großen Schritt in Richtung einer langfristigen nachhaltigen Sicherung der Energieversorgung für unsere Riesaer Kunden. 

 

Gibt es weitere konkrete Maßnahmen und Projekte?

 Ja. Als Riesas kommunaler Energieversorger machen wir uns Gedanken, wie Strom und Heizen bezahlbar und Riesa auch als Gewerbestandort attraktiv bleibt. Unsere strategische Antwort sind „Eigenversorgungsmodelle“. Dabei unterscheiden wir zwei Teilbereiche, zum einen für gewerbliche Kunden und zum anderen stehen Mieter in unserem Fokus, die in der Regel nicht die Gestaltungsmöglichkeiten haben, wie Hauseigentümer sie besitzen. Hier lautet das Stichwort „Mieterstrommodell“. Als kommunaler Energieversorger der Stadt verfügen wir über das Know how, um die vom Gesetzgeber jüngst ermöglichten Modelle aktiv zu begleiten. Die Komplexität ist, wohl typisch deutsch, sehr hoch und erfordert das Zusammenwirken des Energieversorgers mit den jeweiligen Hauseigentümern. Wenn jeder seine Aufgaben gut erledigt, hat der Mieter z. B. einen Vorteil von zehn Prozent des Strompreises im Vergleich zur Grundversorgung. Allerdings gehört zur Wahrheit, dass die konkreten Rahmenbedingungen stimmen müssen, so dass nicht jedes Objekt geeignet ist. Ein möglichst unverschattetes Dach in gutem Zustand mit statischen Reserven in Südausrichtung und eine gute Überdeckung der Stromentnahmezeiten tagsüber, wenn die Sonne scheint, hilft bei diesen Projekten deutlich wirtschaften.

 

Profitieren in Riesa schon Mieter von einem ähnlichen Projekt?

Ja. Wir sind mit großen und kleineren Vermietern im Gespräch. Zum Beispiel auf der Heinrich-Heine-Straße in Riesa können die Mieter eines genossenschaftlichen Vermieters schon geraume Zeit davon profitieren, dass die Eigentümergenossenschaft und die SWR als kommunaler Energieversorger der Stadt Riesa dieses gemeinsame Projekt realisiert haben.

 

Mit welchen Eigenversorgungsmodellen für gewerbliche Kunden wollen sich die SWR zukünftig einbringen?

Für gewerbliche Kunden, deren Elektroenergiebedarf am Tage ein gewisses Maß übersteigt, kann es attraktiv sein, diese Energie direkt selbst vor Ort zu erzeugen. Dadurch entfallen Teile der Steuern und Abgaben bzw. die regulierten Entgelte für den Energietransport. Die SWR möchten dies mit der Förderung der E-Mobilität verbinden und dabei insgesamt auf „Erneuerbare Energiequellen“ setzen. Dies hilft zusätzlich die steigenden CO2-Abgaben zu vermeiden. In der geschickten Kombination der einzelnen Prämissen und bei passenden konkreten Rahmenbedingungen, kann ein erheblicher Kosten-senkungseffekt beim Kunden entstehen. Am Anfang steht natürlich eine Investition.

 

Das klingt noch etwas geheimnisvoll und ist sicher erst in ferner Zukunft ein Thema, oder?

Auch hier bleiben wir unserem Charakter treu, dem Reden folgt das Machen unmittelbar. Die erste Anlage installieren wir gerade gut sichtbar auf unserem Firmengelände auf dem Alten Pfarrweg. Ein Carport mit Platz für 18 Fahrzeuge und zugleich kombinierter Lademöglichkeit für E-Autos, deren Strom die PV-Dachmodule des Carports liefern. Zudem kann der überschüssige Sonnenstrom direkt im Betriebsgebäude eingesetzt werden z.B. um die IT-Server zu versorgen. Da auch hier die Komplexität der Energie- und Abgabenverdrängung hoch ist, wollen die SWR am eigenen Beispiel die Lernkurve durchschreiten, um dann den Kunden möglichst ausgereifte Lösungen anbieten zu können. Erstellen sollen später die nächsten Anlagen im Kundenauftrag die regionalen Handwerker. Wir wollen unsere Kompetenz als Riesas kommunaler Energieversorger einbringen, regionale Wirtschaftskreisläufe fördern und nicht zuletzt mit unseren innovativen und dennoch praxiserprobten Impulsen einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz und einer von fossilen Brennstoffen unabhängigeren Versorgung leisten. (Interview Katja Sieber)


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