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Existenzprobe Stallpflicht: Wie lange noch?

Immer lauter werden in diesen Tagen die Fragen nach dem Sinn oder Unsinn der anhaltenden Stallpflicht für Geflügel. Gesicherte neue Forschungsergebnisse zu H5N8 fehlen und sind auch nicht geplant. Tiere drohen zu verenden, weil sie viel zu lange in unnatürlichen Lebensräumen verharren müssen.

„Zur Strafe hast Du Hausarrest!“ So fühlen sich derzeit unzählige Hühner im Großenhainer Geflügelhof. Seit mehr als 14 Wochen bleibt nach Sonnenaufgang die Durchgangsluke in ihr Freigelände geschlossen. Da hilft auch kein Drängeln, energisches Picken oder lautes Gegacker, die Tierseuchenrechtliche Verordnung zur Aufstallung von Geflügel schreibt es vor. Geschäftsführer des Großenhainer Geflügelbetriebes, Alexander Riedel, sieht diesen Zustand zunehmend mit Sorge. „Jetzt sind wir mehr gefordert, die Tiere zu beschäftigen und abzulenken. Mit Luzerneballen im Stall wollen wir sie zum Scharren und Picken anregen und nutzen dabei ihre natürliche Neugier aus“, erklärt Riedel weiter. Denn je länger sie alle zusammen im Stall blieben, komme es gelegentlich zu Kämpfen um die Rangordnung, weil sie sich nicht aus dem Weg gehen können, fügt er an. Da bleiben leider auch Verletzungen nicht aus.  Davon seien vor allem die älteren Hühner betroffen, die ihren Freigang vermissen. Die neu eingestallten Tiere kennen die Vorzüge der grünen Wiese noch nicht und kommen mit der Situation meist besser klar. Finanzielle Einbußen Die Legeleistung hat sich aber nicht nennenswert verschlechtert. Dennoch haben die Großenhainer auch mit finanziellen Einbußen zu kämpfen. Die Eier können nicht mehr unter dem Label „Freiland“ verkauft werden und sind damit etwas günstiger. Auch die Mehrkosten für „Hühnerspielzeug“ und verstärkte Tierbestandskontrollen laufen auf. Viel schlimmer sieht Riedel allerdings den Image- oder Vertrauensverlust für seine Branche beim Kunden. „Vieles ist den Kunden unklar und sie werden mit ihren Fragen allein gelassen. Viele reagieren voll panisch, wenn irgendwo ein toter Zugvogel gefunden wird. Die Verordnung und deren Sinn ist vielerorts völlig undurchsichtig“, so Riedel. Auch die drastischen Unterschiede zwischen den Bundesländern versteht er nicht. Während im Saarland diese Vorfälle scheinbar gar nicht existieren, werden die Tiere in Baden Württemberg wenigstens kurz raus gelassen, um ihr Wohlbefinden zu steigern und um den Status „Freiland“ zu erhalten. Sachsen ist da sehr rigoros, ob immer zu Recht, weiß er nicht. Alles andere als artgerecht Ebenso verärgert und mit zunehmenden Unverständnis reagiert der Riesaer Tierparkchef Gerhard Herrmann. Für ihn ist hier ganz klar die Politik am Zuge. „Was wurde denn bisher für die Erforschung der Übertragungswege und der Krankheit getan? - Nicht viel. Außer der Blutuntersuchungen und Isolierung des Virus durch ein einziges Institut wurden keine weiteren Mittel aufgebracht, um die Ursache und sinnvolle Quarantänemaßnahmen zu ermitteln“, erklärt er. Die Volieren im Riesaer Tierpark wurden oben abgedeckt und die Enten und Schwäne am Teich mussten nach innen umziehen. „Für sie ist die Umstellung besonders schwer. Wasservögel ohne ihr Gewässer zu halten, ist alles andere als artgerecht“, fügt er an. Er beobachtet genau, dass die Tiere scheuer werden und sich leichter verletzen. Auch leidet ihr Gefieder durch die räumliche Enge. Sie neigen zu Erkältungen  und werden krank. Wenn Tötung dann die einzige Lösung ist, sei das sehr traurig für ein hoch entwickeltes Land wie Deutschland. Hobbyzüchter geben auf Für ihn sind diese Regelungen fast schon absurd. Tausende Zugvögel passieren in jedem Jahr unsere Region. Wenn davon einige wenige erkrankt an Grippe vom Himmel fallen, wird die komplette Freiland-Tierhaltung auf den Kopf gestellt. Diese Bewertung findet Gerhard Herrmann unhaltbar. Außerdem beginne bei vielen Tieren jetzt die Paarungszeit, weil sie allerdings nicht in ihrer natürlichen Umgebung untergebracht sind, werden sie wahrscheinlich eher weniger Lust auf Fortpflanzung haben.
Ebenso in der Not sind die vielen Rassegeflügelzüchter im Landkreis. Zahlreiche engagierte Hobbyzüchter haben sich der Erhaltung besonders alter und seltener Geflügelrassen verschrieben, geben aber jetzt nach und nach auf. Die Haltung dieser Zuchttiere ist nicht darauf ausgelegt, dass die Tiere über eine so lange Zeit ausschließlich im Stall leben müssen. Öffnen oder nicht? Die Stallpflicht hat auch den Meißner Tierpark fest im Griff. "Zahlreiche Gehege und Volieren sind leer", sagt Chef Heiko Drechsler. Er hat sich trotzdem entschlossen, den Tierpark am 11. März nach fast fünf monatiger Schließzeit (inkl. Wintersschließzeit) wieder zu eröffnen. "Wir brauchen das Geld, sind über jeden Besucher dankbar", sagt er. Mit dem Eintrittspreis runtergehen will er nicht. "Dann erwarten das die Kunden auch in Zukunft", so Drechsler. Die Tiere jedenfalls so einen langen Zeitraum auf behördliche Anweisung in Interriemsunterkünften einzufärchen, sei seiner Ansicht nach absolut inakzeptabel. Eine Entspannung und schrittweise Aufhebung  der Sperrgebiete wird es erst geben, wenn für mindestens vier Wochen kein toter Vogel in der Region gefunden wird, der am Virus H5N8 erkrankt war. Verena Farrar


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