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Jost Schmidtchen/ dda

Vor 60 Jahren ging die Brikettfabrik in Betrieb

Spremberg. Der 6. Oktober war ein denkwürdiges Datum in der Industriegeschichte der Lausitz. Nur in Schwarze Pumpe werden nach sechs Jahrzehnten noch Briketts erzeugt.
Blick auf die Staubmahlanlage II, Nachbehandlung und Trockendienst.

Blick auf die Staubmahlanlage II, Nachbehandlung und Trockendienst.

Bild: Jost Schmidtchen

Wer hätte das damals, am 6. Oktober 1963, jemals gedacht, dass die Brikettfabrik Mitte einmal die letzte produzierende Fabrik Europas sein wird? Lange schon ist es Realität. Ein guter Grund, Rückblick zu halten. Nach der Inbetriebnahme der Brikettfabrik West am 30. April 1959 folgte 3 ½ Jahre später das Anfahren der baugleichen Fabrik Mitte. Die erfahrensten Kollegen aus der Fabrik West bildeten einen zuverlässigen Belegschaftskern. Dennoch kam es schon zwei Tage später zu einer schweren Verpuffung im Trockendienst. Grund waren technische Unzulänglichkeiten an den Innenentstaubungsanlagen. Nach der Ursachenbeseitigung liefen die Anlagen dann im Wesentlichen störungsfrei und schrittweise gingen bis August 1964 die restlichen drei Abteilungen in Betrieb. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet vom ständigen Bemühen um höhere Produktionsleistungen. Nach dem ersten Abteilungsleiter Heinz Mareyen wurde später Frank Meinel zu einer die Brikettfabrik Mitte prägenden Persönlichkeit. Von Dezember 1978 bis Dezember 1994 leitete er als Abteilungsleiter/Steiger das Betriebsgeschehen. Schon die Jahre davor war er in der Brikettfabrik tätig.

Frank Meinel (84) erinnert sich an eine entscheidende Wende in der Brikettproduktion, das war 1969. Die Inbetriebnahme der Kokerei stellte die Belegschaft vor eine ganz besondere Herausforderung, nämlich die Umstellung der Produktion auf verkokungsfähige Feinstkornbriketts (F4). "F4 waren hochfeste Feinstkornbriketts mit einer Körnung 0 bis 1 mm, also Staub, herunter getrocknet auf einen Wassergehalt von 10 bis 11 Prozent und einer Druckfestigkeit von 170 Kilopond/Quadratzentimeter". Der erfahrene Brikettierer berichtet von den technischen Veränderungen, die notwendig waren. "Eine Trockneroptimierung war erforderlich, die Brikettpressen mussten auf eine niedrigere Drehzahl von 67 Umdrehungen/min reduziert werden". Auf weitere spezifische Umbauten soll hier nicht weiter eingegangen werden. Mit diesen Maßnahmen einher ging zwangsläufig eine Reduzierung der Produktionsleistung. Über die F4-Briketts freuten sich nicht nur die Kokereiöfen, sondern auch die Öfen der Deputatempfänger. Die Briketts hatten einen hohen Heizwert und waren für zu Hause gefragt. Wer Zugriff hatte, der griff dann auch zu. Zumal überschüssige F4-Briketts ohnehin zur Verladung gelangten. Das Kapitel F4-Briketts endete im Frühjahr 1992 mit der Stilllegung der Kokerei. Da hörte auch der Verbundbetrieb des Kombinates auf zu existieren. Fortan produzierte die Brikettfabrik Mitte wieder Versandbriketts, damals schon als einzig verbliebene in Schwarze Pumpe. Frank Meinel schlug zu dieser Zeit sein letztes Berufskapitel auf, das war der Beginn des Baus der Bündelanlage.

Im Betrieb Veredlung werden heute Briketts und Brennstaub produziert. Die Herstellung von Wirbelschichtkohle wurde mit dem Wegfall des Hauptabnehmers in Cottbus eingestellt. "Insgesamt waren die letzten Monate für uns eine große Herausforderung", sagte Matthias Vette, Leiter des Betriebes Veredlung. "Zum einen mussten wir durch die Einstellung der Brikettproduktion bei RWE die Belieferung der RWE-Kunden übernehmen, zum anderen den Blick auf neue Projekte richten. Unsere Fabrik läuft an ihrer Leistungsgrenze. Wir beliefern ganz Europa". Jährlich werden in Schwarze Pumpe 780.000 Tonnen Briketts erzeugt, davon werden 400.00 Tonnen als Bündelware ausgeliefert. Diese kommen als Ganzsteine aus den Pressen, weitere Formate sind das bekannte H 105 (Halbsteine) und das Industrieformat I 52. Letztere beide gehen vor allem für Heizzwecke ins Ausland. Die Qualitätsparameter der Briketts haben mit denen aus sozialistischen Zeiten nichts mehr zu tun, weil eben "Qualität" geliefert wird. Die Rohkohlemischung ist Welzow/Nochten, anteilmäßig in Prozent flexibel nach Tagebaufahrweise. Die Körnung der Trockenkohle beträgt 0-4 mm, der Wassergehalt der getrockneten Kohle 18 Prozent und die Brikettasche liegt im Durchschnitt bei fünf Prozent. Für die Stauberzeugung wird die Trockenkohle auf neun Prozent herunter getrocknet. Auch das Betriebsregime ist mit dem von früher nicht mehr vergleichbar. Nur einmal im Jahr gibt es einen dreiwöchigen Reparaturstillstand, bei dem die Staubproduktion allerdings weiterläuft. In dieser Zeit kommen etwa zwölf Fremdfirmen mit rund 80 Handwerkern zum Einsatz. Die Ertüchtigung der Anlagen sichert den durchgängigen Betrieb für ein weiteres Jahr. Die Aufgaben im Bereich Veredlung bewältigen aktuell 288 Mitarbeiter, davon 200 im Schichtbetrieb. Die Anfahrstärke pro Schicht beträgt zwischen 32 und 40 Beschäftigten. Damit alte Brikettierer nicht ins Grübeln kommen: Mit dem Personal ist die Gesamtanlage besetzt!

Der Blick in die Zukunft ist optimistisch. Die letzte Brikettfabrik Europas wird bis 2038 laufen. Solange ist auch die Rohkohlebelieferung aus den Tagebauen gesichert. Vor allem aus Nochten, weil das Kraftwerk Boxberg laut Kohleausstiegsgesetz auch bis zu diesem Zeitpunkt läuft. Der Tagebau Welzow wird etwas früher außer Betrieb gehen. "Für Festbrennstoffe bleiben wir stark", so Matthias Vette. "Mit dem Kauf von vier Pellettwerken in Schwedt, Wismar, Oranienbaum und Löbau in den Jahren 2022/23 sind wir gut für die Zukunft gerüstet. Auch in Schwarze Pumpe, wo die eigene Herstellung von Holzbriketts in der Planung ist. Zusätzlich geplant sind Biobrennstoffe". Die Biomasse käme dann aus regionaler Beschaffung aus einem Umkreis von 200 Kilometern.


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